Bei den Ermittlungen zu den schweren Auseinandersetzungen zwischen Deutschen und Indern in Mügeln beschäftigt sich die Staatsanwaltschaft Leipzig inzwischen mit zwei wesentlichen Situationen. Das bestätigte Staatsanwalt Ricardo Schulz gestern. Dabei gehe es um die Vorgänge am Festplatz während des Mügelner Altstadtfestes am 19. August. Auf Grund von Zeugenaussagen existierten zwei herausgehobene Situationen, sagte Schulz. In der einen Situation sollen fünf Deutsche in zwei Fällen jeweils einen am Boden liegenden Inder attackiert haben. Im anderen Fall sollen sich indische Festbesucher mit abgebrochenen Flaschen bewaffnet haben und auf deutsche Besucher losgegangen sein. In beiden Fällen stellt sich die Frage, woraus die Gewalt entstanden ist. Mit Blick auf die Attacken der deutschen Festbesucher auf die Inder fehlen klare Beschreibungen der Tatverdächtigen. Der konkrete Ausgangspunkt der schweren Vorfälle werde möglicherweise nicht aufgeklärt werden können, sagte Schulz. Es sei jedoch nicht entscheidend, wer wen zuerst geschubst habe. Wenn eine Person schwer verletzt am Boden liege, sei das nicht durch eine Rangelei zu rechtfertigen. Staatsanwalt Schulz äußerte sich auch zu einem Beitrag des ARD-Magazins „Kontraste“ vom Donnerstag. Dort wurden anonyme Zeugen zitiert. Den Aussagen zufolge soll es bereits 20 Minuten vor dem eigentlichen Vorfall eine Schlägerei unter Deutschen gegeben haben, bei denen Beteiligte verletzt wurden. Für die Verletzungen der deutschen Besucher seien daher nicht die Inder verantwortlich. Nach einer weiteren Zeugenaussage in dem Fernsehbeitrag soll es Absprachen unter Zeugen geben, um die Schuld auf die Inder zu schieben. Die bisherigen Ermittlungen, bei denen rund 100 Personen vernommen wurden, hätten nicht ergeben, dass im Vorfeld eine Schlägerei mit schweren Verletzungen unter Deutschen stattgefunden hat, sagte Schulz dazu gestern. Den Hinweisen werde aber nachgegangen. „Alle Zeugen wurden und werden vor Beginn der Vernehmungen auf ihre Wahrheitspflicht hingewiesen“, erklärte der Staatsanwalt mit Blick auf die angeblich untereinander abgesprochenen Zeugenaussagen. „Staatsanwaltschaft und Polizei haben von Anfang an alle Aussagen gerade auch im Hinblick auf die Tatsache immer wieder kritisch hinterfragt und geprüft, dass sich hier zwei „Lager“ gegenüberstanden.“ Darüber hinaus würden die Zeugen darauf hingewiesen, dass sie sich der Begünstigung und Strafvereitelung schuldig machen, wenn sie zu Gunsten einer beschuldigten Person die Unwahrheit sagen. Weitere Vernehmungen und Nachvernehmungen seien vorgesehen. Sollte sich herausstellen, dass Tatverdächtige bewusst wahrheitswidrig zu Unrecht belastet worden sind, werde die Staatsanwaltschaft Verfahren wegen Vortäuschung einer Straftat und falscher Verdächtigung einleiten. Bei den schweren Auseinandersetzungen während des Altstadtfestes waren acht Inder und sechs Deutsche verletzt worden. Nach den gewaltsamen Vorfällen am Festplatz waren indische Besucher in eine nahe gelegene Pizzeria geflüchtet. Dort hatte es ausländerfeindliche Parolen gegeben. In diesem Zusammenhang wurden acht Tatverdächtige ermittelt, die sich durch die Parolen der Volksverhetzung schuldig gemacht haben sollen. Im Gegensatz zu den Vorfällen am Festzelt sind die Ermittlungen zu den Vorgängen an der Pizzeria weitgehend abgeschlossen. Staatsanwalt Schulz betonte gestern, dass weiterhin Aussagen und Hinweise zur Identifizierung weiterer Tatverdächtiger nötig seien. „Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die vollständige und wahrheitsgemäße Aufklärung des Geschehens im Interesse aller Mügelner Bürger ist.“ / OAZ 22./23.09.2007
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