Mügeln von
1847 – 1866
Im April des Jahres 1847 bricht eine anhaltende Teuerung aus, welche
das Justizamt Mügeln zu strengen Verordnungen, mit der Bemerkung „Wornach
zu achten!“, veranlasst, Streiflichter auf die damaligen
Sitten wirft eine andere Bekanntmachung. In dieser wird „das
so genannte Aufhalten der aus den Kirchen nach der Trauung heimkehrenden
Brautpaare, um von ihnen Almosen an Geld und Kuchen zu erlangen“ verboten,
ebenso „das sonntägliche Austreiben des Viehs durch
Schulkinder, die dadurch vom Besuch der Kirche abgehalten werden“.
Auch ein treffliches Bild davon, wie sich das Freiheitsjahr 1848
in der kleinen Stadt spiegelt, schauen wir in den vergilbten
Blättern der alten Zeitung. Zunächst wird berichtet
von der Adresse der Stadtverordneten und des Stadtrates von Leipzig
an den König, in welcher auf die inneren und äußeren
Gefahren aufmerksam gemacht wird, die aus dem Umschwung der Dinge
in Frankreich für Deutschland erwachsen können, und
welche mehrfache Wünsche aufstellt, besonders für Freiheit
der Presse und für Vertretung des Volkes beim Bundestage.
Ferner ist hier die Botschaft des Königs Friedrich August
II. „An meine Sachsen!“ abgedruckt, in welcher um
Ruhe und um Vertrauen zur Regierung gebeten wird. Neben der Botschaft
der neuen Minister „An das Sächsische Volk!“ liest
man die Dankadresse der Stadtverordneten von Mügeln an den
Stadtrat und die Stadtverordneten zu Leipzig. – Etwas bissig
mutet die Einsendung der „Hackbewohner“ an, die,
vom Geist der Freiheit beseelt, energisch um Straßenpflaster
und Straßenbeleuchtung nachsuchen. Dazwischen aber leuchtet
viel warme, wenn auch oft irregeleitete Vaterlandsliebe auf,
Patriotismus, wie er sich namentlich in den Kundgebungen des
neugegründeten Vaterlandsvereins dartut. In all die Gärung
schlägt wie ein Blitz die Nachricht vom 30. April 1849: „Der
Landtag in Dresden wird aufgelöst“. Damit beginnt
die Revolution. Der König und die Minister entfliehen. Die
provisorische Regierung tritt ins Leben, und gegen ihre Führer
wird der Steckbrief erlassen.
Allmählich aber kehrt die Ruhe in die erregten Gemüter
zurück. Man beschäftigt sich wieder mit den alten verbrieften
Innungsrechten, wie aus der folgenden Notiz erhellt: „Auf
dem Markte zu Altmügeln hat lediglich die Fleischerinnerung
zu Mügeln das Recht, in der Garküche daselbst gewöhnliche
warme und kalte Fleischspeisen, überhaupt warmes Essen mit
gekochtem oder gebratenem Fleische, ingleichen frische Wurst und
Bratwurst zu verspeisen, und den Restaurateurs ist nur die Führung
so genannter Delikatessen erlaubt.“ Bei allem Fortschritt – man
eröffnet im Dezember 1851 eine „alle Erwartungen weitübertreffende“ Gewerbeausstellung
und 1853 die längst geplante Sparkasse – gibt´s
eben noch immer manche Rückständigkeit im alten Mügeln.
Die Stadtbeleuchtung lässt zu wünschen übrig. Die
Kinder werden auf den Straßen von den Gänsen gebissen.
Im Juli 1854 verheert wiederum die durch anhaltenden Regen zum
Strom geschwollene Döllnitz die Stadt. Nur mit Mühe können
mehrere Familien vom Tod des Ertrinkens errettet werden. Das folgende
Jahr bringt das 300jährige Jubiläum des 1555 in Augsburg
geschlossenen Religionsfriedens. Interessant ist die kurze Schilderung
dieser Feier in der alten sächsischen Kleinstadt. Sie bestand
im Festzug sämtlicher Behörden, Korporationen und Innungen
vom Marktplatze nach dem Gotteshause; dann Vereinigung im Ratskeller.
Nachmittags fand großer Festzug der Schulkinder zum Festgottesdienst
nach der Stadtkirche statt. Darauf wurde nördlich der alten
Mädchenschule eine Linde (Friedensbaum) unter entsprechender
Ansprachen gepflanzt. – 1856 kommt König Johann nach
Mügeln, das damals an die 2500 Einwohner zählte, und
besichtigt dort das Schloss und das Vorwerk Schlatitz. Dazwischen
ereifern sich Bürger über die schlechte Instandhaltung
der Wege. Den behaglichen Humor der guten alten Zeit verrät
eine Notiz vom 13. Juli 1857. Für diesen Tag ist der Weltuntergang
prophezeit. Und nun macht der Collmwirt in einer Anzeige bekannt,
dass von seinem Berg aus der Untergang sehr gut zu beobachten sein
werde und dass er aus Anlass des Ereignisses ein Konzert an diesem
Tage veranstalte. – Am 1. November des folgenden Jahres tritt
die neue Gewichtsordnung, die den Zentner zu 100 Pfund bestimmt,
in Kraft. Aus den Notizen über das Jahr 1860 ist u. a. die
von dem unter militärischen Ehrungen erfolgenden Begräbnis
eines 71jährigen Veteranen, eines königstreuen Arbeiters,
zu nennen.
Der Fortschritt bricht mit Macht herein. Man hat jetzt nicht nur
regelmäßige Gewerbeausstellungen in Mügeln, man
gründet auch einen Kreditverein, einen Militärverein
und einen Krankenunterstützungsverein. Der erste evangelische
Missionsgottesdienst wird (am 2. Juni 1862) in Mügeln abgehalten.
So kämpft sich das Städtchen tapfer vorwärts, trotz
aller widrigen Umstände, zu denen sich im Frühjahr 1864
eine ungeheuere Maikäferplage gesellt. Vom Umfang dieser Verheerung
gibt eine Notiz Kunde, nach welcher im Gerichtsamt Mügeln
428 Zentner 27 Pfund und 271 Scheffel 6 Metzen Maikäfer gesammelt
worden sind. (Auf den Zentner gingen 54 000 Stück, auf den
Scheffel, zu 80 Pfund gerechnet, 43 200 Stück.)
Als wichtige Mitteilung findet man aus dem April 1865 aufgezeichnet,
dass bei einem großen Hochwasser auf der Mügeln – Leisniger
Chaussee ein Karpfen gefangen wurde. – Und nun machen sich
allmählich die Anzeichen des kommenden Krieges geltend. Da
liest man unterm 16. Mai 1866: „Wie in anderen Städten
Sachsens, war man auch hier besorgt geworden, dass die Salzquellen
Dürrenbergs bei den jetzigen kriegerischen Konflikten uns
versiechen könnten. Man drängte sich nach dem Salzverteilungsort,
dem Ratskeller, in so auffälliger Weise, dass eines Tages
der Salzvorrat wirklich rein alle wurde. Glücklicherweise
waren des Abends die vollen Säcke wieder angekommen und somit
die ängstlichen Gemüter beruhigt.“ Am 16. Juni
teilen Extrablätter ihren Lesern die förmliche Kriegserklärung
Preußens an Sachsen mit. Es wird Ernst. Landwehr – Ulanenpatrouillen
streifen die Stadt. Die Quartiermacher eines Feldlazaretts treffen
ein. Ein einrückendes Bataillon wird beköstigt und neu
eingekleidet. Auch werden falsche Gerüchte vom Anrücken
der Preußen in Mügeln verbreitet, und die organisierte
Bürgerschutzwehr muss tatkräftig gegen umherstreifendes
Gesindel einschreiten. Ein Verein zur Pflege verwundeter und kranker
Krieger bildet sich unter den Bewohnern. Dann kommen Nachrichten
von der ruhmvollen Auszeichnung zweier Mügelner. Leutnant
Haase erhielt den St. Heinrichsorden, der Soldat Köhler die österreichische
silberne Tapferkeitsmedaille II. Klasse. Schließlich läuten
die Friedensglocken. Die wackeren Kämpfer rücken in der
Heimat ein. So lesen wir als letzte Bemerkung aus dem Jahre 1866: „Am
18. November kehrten 52 Krieger in ihre Heimat Mügeln zurück,
an ihrer Spitze Oberleutnant Haase. Sie wurden im Festzug nach
dem Rathaussaal geleitet, wo ihnen die Stadt ein Festmahl und einen
Ball gab.“
Mügeln in den Jahren 1867 – 1871
Ein Mügelner Wahlkomitee schlägt 1867 den Rittergutsbesitzer
Günther aus Saalhausen als Kandidaten für den Norddeutschen
Reichstag vor. Dieser wird auch mit überwiegender Stimmenmehrheit
gewählt. Im selben Jahr wird Mügeln auf drei Monate Garnision. – Als
wichtigstes Ereignis aus dem kommenden Jahr wird die durchgreifende
Erneuerung des alten Rathauses genannt. Ein Akt öffentlicher
Mildtätigkeit findet sich unterm 8. September 1869 verzeichnet.
Für die Hinterlassenen der verunglückten Bergleute im
Plauenschen Grunde sind 185 Thlr. 15 Ngr. 5 Pfennig gesammelt worden.
Das große Jahr 1870 kommt mit seinen herrlichen und zugleich
furchtbaren Geschehnissen, die vorläufig alle anderen Pläne
und Interessen der kleinen Stadt, so die Eisenbahnfrage, in den
Hintergrund drängen. Die erste auf den kommenden Krieg bezügliche
Notiz finden wir unterm 17. und 18. Juli verzeichnet. „Gauturnfest
des Niederelbturngaues in Mügeln. Durch die am Sonnabend bekannt
gewordene Kriegserklärung wird der Besuch durch auswärtige
Turner sehr vermindert; die Stimmung ist jedoch eine patriotische,
und das Fest nimmt einen sehr guten Verlauf.“ Schlag auf
Schlag folgen nun Vorbereitungen und Bekanntmachungen in der kleinen
Stadt. Ein Freiwilligenkorps sächsischer Felddiakonen wird
auf Veranlassung eines Mügelner Geistlichen dort begründet,
auch ein Hilfsverein der Amtslandschaft Mügeln. Während
der ganzen Dauer des Krieges wird ein wöchentlicher Abendgottesdienst
eingerichtet. Zum Besten der hilfsbedürftigen Hinterbliebenen.
Dann kommen die Siegesnachrichten, die lodernde Begeisterung auslösen.
Der Tag von Sedan wird durch eine große Feier auf dem Mügelner
Marktplatz festlich begangen. Aber auch die erste offizielle Verlustliste
wird am 15. September bekannt gegeben. Nicht weniger als 22 Mügelner
Söhne sind verwundet und tot! Da regen sich hilfsbereite Hände
für die, welche siech und vielleicht Mangel leidend im Felde
stehen. Am 21. September wird ein Aufruf zur Sammlung von Gaben
für das XII. Armeekorps bekannt gegeben. Und fünf Tage
später findet sich schon ein genaues Verzeichnis dessen, was
die wackeren Mügelner als erste Sendung in Feindesland abgehen
lassen, nämlich „25 wollene Hemden, 52 Leibbinden, 90
Paar wollene Strümpfe, 8 Paar Fußlappen, 3 Paar Unterhosen,
800 Stück Zigarren, 3 Kistchen mit Zigarren, 14 Stück
Seife, 10 Flaschen Rum, 10 Flaschen bitterer Branntwein, 45 Flaschen
gemahlener Kaffee, 4 Pfund Zucker, 10 Pfund Schokolade und 20 Pakete
Kakaotee.“ Auch zu Weihnachten gedenkt man mit milden Spenden
der heimatfernen Krieger.
Das Jahr 1871 bringt fast ausschließlich Nachklänge
zum gewaltigen Feldzug. Mit als erstes verkündet der Mügelner
Anzeiger die Kaiserproblematik. Und am 27. Februar, da läuten
die Friedensglocken durch die Stadt. Die Friedensbotschaft trifft
gegen 3 Uhr nachmittags in Mügeln ein. Abends ist eine allgemeine
Illumination, wie sie die Stadt noch nie gesehen hat. Ein Mügelner
Ulan ist dazu ausersehen, am Truppeneinzug in Berlin mit teilzunehmen.
Dann folgen die kirchliche Friedensfeier mit Pflanzungen von Friedenseichen,
die Anbringung einer Gedenktafel für die gefallenen Krieger
in der Kirche, der königliche Dank an die, welche während
des Krieges Dienste für die Kämpfenden geleistet und
schließlich – am 28. Dezember – ein Fest für
die aus dem Feldzug heimkehrenden Soldaten. – Eine freudige
und eine ernste Nachricht findet sich dazwischen: die Kantoreigesellschaft
in Mügeln feiert ihr 330jähriges Stiftungsfest und: „Die
hier bestehende große Wagenfabrik von Seiberlich & Theißig übersiedelt
nach Riesa; für unseren industriearmen Ort war dies ein schwerer
Schlag.“
Mügeln in den Jahren 1872 – 1893
Die Segnung des Friedens, glänzende Fortschritte auf allen
Gebieten, machen sich in den nächsten Jahren geltend. Am 12.
Februar 1872 wird ein Städtischer Verein ins Leben gerufen,
und im gleichen Jahr noch lässt man den Landständen drei
Eisenbahnprojekte zugehen, deren Linien die Stadt Mügeln berühren.
1873 wird die Turnerfeuerwehr, 1874 ein Gemeindevertreter-Verein
begründet. In letzterem Jahr feiert auch die Mügelner
Schützengesellschaft ihr 300jähriges Bestehen.
Ja, das Alte stürzt im ehrwürdigen Mügeln, das
nunmehr auch Telegraphenanschluss erhält. Die Sonntagsschule
geht durch die Einführung des obligatorischen Fortbildungsschulunterrichtes
ein. Und unterm 19. Juli 1875 liest man den Vermerk: „Eine
vielgeschmähte Münzsorte wird nunmehr bald dem Verkehr
entzogen werden. Die Postkassen sind alle angewiesen worden, die
alten Lüneburgischen, Braunschweigischen und Hannoverschen
1/12-Thalerstücke – so genannte Rösschen – zum
vollen Werte von 25 Pfennig anzunehmen und nicht wieder auszugeben.“
Edle Mügelner Bürger, der emeritierte Lehrer Friedrich
Gotthelf Huhn, der Rentier Heinrich Däweritz und der Tuchhändler
Wilhelm Engelmann setzen ihrer Stadt namhafte Stiftungen aus.
Eine interessante Notiz findet sich unterm 12. Mai 1879: „Das
eiserne Kirchentor am Haupteingang unserer Stadtkirche, ein Meisterstück
altdeutscher Schmiedekunst, wird in der Leipziger Kunstausstellung
ausgestellt. Es wurden hohe Summen vergeblich dafür geboten.“ Ein
neuer aussichtsreicher Erwerbszweig wird 1883 entdeckt. „Wie
man uns mitteilt“, lesen wir da, „wird seit einiger
Zeit auf den Grundstücken des Gutsbesitzers Riedel in Kemmlitz
Porzellanerde bester Qualität gegraben, welche an eine Porzellanfabrik
versendet wird. Die Erde wird mit Wagen an die Bahnstation Oschatz
gebracht.“ Im selben Jahr noch wird, ein wichtiges Ereignis
für Mügeln, der Bau der Eisenbahnlinie Döbeln-Mügeln-Oschatz
begonnen, der 1884 vollendet wird. Auch wird im letzten Jahr die
Gründung einer Tischler- und einer Schlosserinnung sowie der
Innung Vereinigter Gewerbetreibender vorgenommen und der Posten
des Bürgermeisters der Stadt zum ersten Mal mit einem Juristen
besetzt.
Jedes neue Ereignis auf wirtschaftlichem und industriellem Gebiet
wird vom Mügelner Anzeiger gewissenhaft notiert. So finden
wir unterm 26. Juni 1886 die Bemerkung: „Auf einer fiskalischen
Straße ist zum ersten Male eine Dampfwalze in Tätigkeit
zu sehen.“ Der Dezember des gleichen Jahres bringt dann die
ungeheueren Schneefälle über ganz Sachsen, die fast sämtliche
Eisenbahnen nötigen, den Betrieb einzustellen. In Mügeln
müssen beide Feuerwehren die Straßen gangbar machen.
Als größere Veranstaltung aus dem Jahre 1887 wird das
325jährige Jubiläum der Schuhmacherinnung genannt.
Ein erschütterndes Ereignis, das alle Deutschen in Trauer
versetzt, leitet die Rubrik des Jahres 1888 ein; Kaiser Wilhelm
I., der 91jährige, stirbt, und auch ´die treue Stadt
Mügeln in Sachsen´ lässt einen Lorbeerkranz an
seinem Sarge niederlegen und veranstaltet einen feierlichen Trauergottesdienst.
Im selben Jahr noch wird die neue Schule in Altmügeln geweiht.
Schlimme Unwetter, die die Stadt längere Zeit verschont haben,
Wolkenbrüche und Gewitterregen, verheeren sie im Jahre 1889.
Mit festlichem Gepränge wird am 16. Juni 1889 die 800jährige
Jubelfeier des sächsischen Königshauses begangen. Einen
Glanzpunkt bildeten im Feldzuge die historischen Gruppen, welche
Ratsherren, Handwerker und Schützen aus alter Zeit darstellten.
Auf dem Wettinplatze wurde der Wettinstein enthüllt. Die Kaisermanöver
im September desselben Jahres bringen den Deutschen Kaiser in die
Mügelner Gegend.
Wieder einmal berichtet der Mügelner Anzeiger, wie langbewährtes
Altes vom Neuen verdrängt wird. Das übliche Neujahrsblasen
der Stadtkapelle vor den Häusern muss im Jahre 1890 eingestellt
werden. Dafür aber ist auf den Fluren des Rittergutes Schweta
der erste Dampfpflug bei der Arbeit zu sehen. Auch von einem edlen
Vermächtnis meldet dieses Jahr. Eine arme Näherin stiftete
bei ihrem Tod der Stadt ihr Vermögen von etwa 300 Mark. „Die
bis zu ihrem hohen Alter fleißige und genügsame Frau
hat sich durch diese edlen letztwilligen Bestimmungen ein bleibendes
Andenken zugesichert“.
Das folgende Jahr 1891 bringt eine gerade für unsere Zeit
interessante Notiz, die erstmalige Erwähnung eines Luftballons.
Am 26. Februar nämlich wird zum ersten Male über einen
Luftballon (er gehörte der Luftschifferabteilung des Eisenbahnregimentes
in Berlin) berichtet, der südöstlich an Mügeln vorbeiflog
und bei Döbeln niederging. Der Juni des gleichen Jahres führt
infolge des in Mügeln abgehaltenen III. Mittelsächsischen
Gau-Schützenfestes eine außergewöhnlich große
Menschenmenge dorthin.
Einen originellen Stoßseufzer vermerkt das Jahr 1893. Der
Plan zur Errichtung einer Zuckerfabrik zerschlägt sich. Dafür
kommt ein ähnliches Projekt für Oschatz in Frage. Und
nun klagt ein Mügelner im Wochenblatt:
Es ist die alte Geschichte,
und ewig bleibt sie neu,
an unserem armen Städtel
geht herzlos man vorbei.
Mügeln in den Jahren 1894 – 1910
Wieder einmal sehen alte und neue Zeit einander schroff gegenüber. „Am
gestrigen Tage“, so lesen wir unterm 17. Mai 1894, „passierte
eine Motorkutsche, unseres Erachtens das erste Vehikel dieser Art,
unsere Stadt. Wie Augenzeugen berichten, soll dasselbe sehr schnell
gefahren und seine Lenkbarkeit eine vorzügliche gewesen sein“.
Dagegen meldet der Mügelner Anzeiger im folgenden Jahr: Die
große Linde auf dem Friedhofe hat beim Brande der so genannten
Gottesackerscheune sehr gelitten, so dass sie entfernt werden muss.
Trotz des oben erwähnten Klagerufes geht es doch auf gar
vielen Gebieten rüstig vorwärts in der kleinen Stadt
und ihrer Umgebung. Man gründet eine Ofen-, Porzellan- und
Tonwarenfabrik, erbaut eine Badeanstalt, hält eine umfassende
Hundeausstellung in Mügeln ab.
In den umliegenden Dörfern bilden sich Verschönerungs-
und Obstbauvereine. Einen wichtigen Plan bringt der November 1897.
Eine größere Zahl Gemeindevertreter beschließen
unter Vorsitz von Bürgermeister Börngen, als König-Albert-Stiftung
in Mügeln ei Verbandskrankenhaus zur erbauen.
Feierlich begeht man im April 1898 das 25jährige Regierungsjubiläum
und den 70. Geburtstag König Alberts. Wichtig ist eine Notiz
aus dem September des gleichen Jahres, dass von einigen Kapitalisten
bedeutende Abbaurechte auf Kaolinerde, sowie die seit vielen Jahren
bestehende Kaolinschlämmerei von Emil Riedel in Kemmlitz erworben
worden sind. Das Unternehmen wird unter der Firma Sächsische
Kaolinwerde, Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Sitz in
Wurzen mit einem Stammkapital von 200 000 Mark in vergrößertem
Maßstab weiter betrieben. Man schließt die Stadt an
die Telefonleitung an, vergrößert den alten und weiht
den neuen Friedhof, und infolge des rege aufblühenden gewerblichen
und industriellen Lebens tritt Wohnungsmangel ein, so dass die
Stadt eine Verbreiterung erfahren muss und neue Straßenzüge
angelegt werden.
Für das Jahr 1900 ist zunächst eine große Altertumsausstellung
in Aussicht genommen, die denn auch sehr gut beschickt und außerordentlich
rege besucht wird. Auch Prinz Albert nimmt sie in Augenschein.
Im Juli des gleichen Jahres (vom 21. – 24.) findet dann
das lange geplante Heimatfest statt. Die Vorbereitungen hierzu
sind zunächst der Anlass zur Gründung der „Vereinigung
ehemaliger Mügelner“ in Leipzig, der sofort 24 Landsleute
betreten. Vom Heimatfest, das am ersten Abend mit einem Begrüßungskommers
und mit einem am nächsten Morgen folgenden gemeinsamen Kirchgang
eingeleitet wurde, liegt uns (über den Haupttag) folgende
Schilderung vor: „Um 11 Uhr übergab im Hirschsaale der
Verein ehemaliger Mügelner in Leipzig der Stadt ein schönes
Harmonium für die Schule, die beiden Vereine ehemaliger Mügelner
in Dresden und Chemnitz überreichten eine Stiftung von 400
Mark zu beliebiger Verwendung. Nachmittag und Abend füllten
der Festzug, Konzerte und Kommerse aus. Am Montagnachmittag fand
ein Kinderfest und am Abend Zapfenstreich und Feuerwerk statt.
Das folgende gemütliche Beisammensein im Thüringer Hof
war gar nicht gemütlich, da der Saal die vielen Hunderte von
Besuchern nicht fassen konnte. Ein Spaziergang nach Sornzig beschließt
am folgenden Tage die Veranstaltung. Der erzielte Überschuss
von 87 Mark geht als nicht verbrauchte Garantiesumme an die Stadtkasse
zurück.
1901 wird auf Veranlassung der Stadtverwaltung ein Ausschuss zur
Hebung und Förderung des wirtschaftlichen Verkehrs in der
Stadt Mügeln gegründet.
Das folgende Jahr bringt einen schweren Schlag fürs ganze
Sachsenland und für die treue Stadt Mügeln: am 19. Juni
stirbt König Albert. Drei Jahre später, im März
1905 sucht der neue Landesherr, König Friedrich August, auf
einer Landesreise von Oschatz über Wermsdorf nach Wurzen auch
Mügeln auf und wird von „seinen lieben Mügelnern“,
wie er sie beim Abschied nennt, jubelnd willkommen geheißen.
Wiederum drei Jahre darauf weilt König Friedrich August abermals
in dieser Gegend und zwar, um bei der Enthüllung eines König-Albert-Denkmals
in Wermsdorf anwesend zu sein.
Auch Mügeln steuert opferfreudig zur Zeppelin-Nationalspende.
Fast 600 Mark werden im Amtsgerichtsbezirk Mügeln gesammelt.
Der Fortschritt macht sich überall bemerkbar, in Neugründungen
und Neubauten. Dazwischen aber regt sich auch der Heimatsinn. Denn
unterm 15. Mai 1910 lesen wir: „Zur Erinnerung an das Heimatfest
vor 10 Jahren kommen die ehemaligen Mügelner in Dresden und
Leipzig zunächst im Scheergrund (bei Leisnig) zusammen und
fahren dann gemeinsam nach Mügeln, um frohe Pfingstfeiertage
hier zu verleben“.
Aus einer Alten Schrift von 1914
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