Wohltätigkeitsveranstaltung
Vom Wohltätigkeitsfest des Albertzweigvereins vom Roten Kreuz,
das am heutigen Nachmittag beginnen wird, können wir bereits einige
interessante Einzelheiten verraten. Wir sind überrascht gewesen über
die künstlerische Raumgestaltung, durch welche der Festsaal in
einen allerliebsten Festplatz umgewandelt worden ist. Einfach entzückend
muss der Aufenthalt im Saale sein, das sich in zwei Terrassen erhebt
und einen Blick auf das lebhafte Treiben auf dem Festplatze gestattet.
Wir sehen schon im Geiste das Menschengewühl mit seinen sich immer
wieder verschiedenen Bildern, das Drängen der Menge vor den Verkaufsbuden.
Besondere Anziehungskraft wird der Lotteriestand ausüben, der
vollbesetzt ist mit den schönsten Dingen der verschiedensten Art.
Für 25 Pfennig kann man eine schönen und wertvollen Gegenstand
gewinnen, und die Gewinnmöglichkeiten sind äußerst
günstig, denn auf 24 Lose kommen 7 Gewinne. Wer also dem Glücke
die Hand bieten will, mag sich ja dazuhalten. Auch sonst kann man der
Kauflust frönen: reizende Handarbeiten, die Schöpfung häuslichen
Kunstfleißes, Kunstprodukte der einheimischen Keramik, Blumen
für zarte Hand und vieles andere mehr. Und wer dem Gewimmel entgehen
will, findet einen ruhigen Platz, eine gemütliche Ecke im Restaurant
oder schaut bei einer Tasse duftenden Kaffee oder einem Glase Wein
vom Hochsitze herab auf das bunte Gewimmel zu seinen Füßen.
Die Preise für Getränke und Speisen werden sich in mäßigen
Grenzen bewegen, nicht teurer als anderswo sein, so dass jeder kommen
und ohne große Unkosten an der Festfreude teilnehmen und zum
Erfolge der Veranstaltung mit beitragen kann. Besondere Überraschungen
werden die Kabarettvorstellungen bieten. Was wir gesehen und gehört
haben, war reizend und verspricht jedem Musikfreund einen nicht alltäglichen
Genuss. Außer einheimischen, werden auch beste Kräfte aus
Leipzig, Oschatz und Leisnig mitwirken, so dass ein abwechslungsreiches
Programm in Aussicht gestellt werden kann. Die Vorbereitungen für
das Fest haben von den Damen und Herren, die sich uneigennützig
in den Dienst der guten Sache stellen, große Opfer an Zeit und
Geld gefordert, und aus der Stadt und vom Lande hat sich ein fast rührender
Eifer Gezeigt, durch Geschenke verschiedener Art die Wohltätigkeitsveranstaltung
zu unterstützen. Darum ist ihr ein ununterbrochener Strom von
Besuchern und ein recht reich klingender Erfolg zu wünschen, der
den aufgewendeten Mühen entspricht.
Mügelner Anzeiger, 29. März 1913
Das Wohltätigkeitsfest des Albertzweigvereins vom Roten Kreuz
hat einen überraschend schönen Verlauf und einen ganz wundervollen
Erfolg gehabt. Das ist auf der einen Seite den arbeitsfreudigen Damen
und Herren zu danken, die eine Ehre darin setzte, die übernommenen Ämter
trotz der beispiellosen Anstrengungen in mustergültiger, aufopfernder
Weise durchzuführen. Auf der anderen Seite verdient reichen Dank
die schier unerschöpfliche Flut von Besuchern aus der Stadt, aus
der näheren und ferneren Umgebung, die von Sonnabendnachmittag
an bis in die späten Abendstunden und noch zahlreicher am Sonntag
die Festräume füllten und in freigebigster Weise die gute
Sache unterstützten. Glänzend sind durch den Erfolg alle
Zweifel an dem Gelingen des Festes geschlagen; denn die Gesamteinnahmen
betrugen am ersten Tage rund 3100 Mark und am Sonntage reichlich 2800
Mark. Wenn man die vor dem Feste für die Vorbereitungen gestifteten
1200 Mark hinzuzählt und die voraussichtlich im Verhältnisse
geringen Auslagen sieht, so ergibt sich ein für Mügeln einzig
dastehender pekuniärer Erfolg. Alle können sich um des guten
Zweckes willen herzlich darüber freuen. Es war aber auch einzig
schön! Schon der Schmuck das Saales, im modernen Barockstil gehalten,
leicht und gefällig, von Herrn Baumeister Schulze geschaffen,
wirkte stimmungsvoll. Die Kleidung der mitwirkenden Damen, hier an
das Jahr 1813 erinnernd, am Verkaufsstand für häuslichen
Kunstfleiß die Farben Mügelns, blauweiß zeigend, und
so fort jedem Zwecke angepasst, wirkte einstimmend und belebend. Zu
Zeiten war das Gedränge im Saale beängstigend. Schon zeitig
waren die Lose der Gabenlotterie gänzlich vergriffen und die meisten
Verkaufsstände hatten bald vollständig ausverkauft; vor dem
Glücksrad drängte sich ununterbrochen groß und klein.
Im Kaffee- und Weinschank, dem schönsten Platz des ganzen Festraumes,
im Restaurant und im Speisezelt blühte das Geschäft bis in
die späten Nachtstunden. Die mäßigen Preise trugen
hier reichlich Lohn. Den stärksten Andrang hatte aber das Kabarett
auszuhalten. Trotz der Dampfbadschwüle war es immer wieder bis
auf den letzten Platz gefüllt, so dass der berühmte Apfel
nicht zu Boden fallen konnte. Was da geboten wurde, war ja einfach
köstlich. Wir sind in Verlegenheit, was von all den Gaben wir
hervorheben sollen. Gern gehört wurden in ihrer frischen Natürlichkeit
das Grauschwitzer Terzett, der Harlemer Tulpentanz, die Lieder zur
Laute von Fräulein Nicolai, von Herrn Förster, die Soloszenen
des Herrn Müller – Kleinpelsen, die Gaben der Pelsener Hauskapelle,
die Duette vom Fräulein Gampe und Herrn Naumann. Besonders wertvoll
aber waren die Darbietungen geschulter Kräfte. Wir nenne da Herrn
Kantor Weber, Frau Rittergutsbesitzer Schubert aus Altoschatz, Fräulein
Haugk aus Leipzig, die schon am zweiten Osterfeiertage in der Kirche
sang und hier wieder Glanz und die gute Schulung ihrer Stimme bewies,
und endlich Fräulein Scheidner aus Leisnig. Gerade diese Dame
war entzückend, mochte sie durch den Vortrag schlichter, sinniger
Volksweisen die Herzen ergreifen oder durch ihren köstlichen Humor
den lebhaften Beifall entfesseln. Verschiedene Herren und Damen machten
sich um die Klavierbegleitung verdient. Wohlverdiente Anerkennung gebührt
auch Frau Dr. Weber für die reizenden Gedichtrezitationen in hochdeutsch
und in österreichischer Mundart. Sie wusste aus den meist heiteren
Geschichten fein ausgearbeitete, allerliebste wirkungsvolle Kunstwerke
zu schaffen. Als Kabarettdirektor wirkte mit nie verfliegendem, immer
schlagfertigem Humor Herr Apotheker Konrad jun.; es war keine glücklichere
Wahl möglich. – Es würde zu weit führen, wenn
wir alle die Damen und Herren nennen wollten, die sich um das Gelingen
des Festes Verdienste erworben haben. Sie werden einen besseren Dank,
als wir hier ausdrücken können, in dem Bewusstsein finden,
zum schönen Erfolge eines guten Werkes einen guten Teil beigetragen
zu haben. Am Schlusse des Festes sprach diesen Dank Herr Dr. Weber
aus. Sein freudiger Dank aber galt auch allen Besuchern der Wohltätigkeitsveranstaltung,
und er hob besonders hervor, dass sich alle Bevölkerungskreise
beteiligt hatten. Herr Apotheker Konrad jun. brachte hierauf ein Hoch
auf Herrn und Frau Dr. Weber aus, die ja so rechteigentlich die Urheber
und Triebkräfte des ganzen Festes gewesen waren. Der Mügelner
Albertzweigverein vom Roten Kreuz weit über 100 Mitglieder zählend,
hat mit dem glücklichen Verlauf seine eminente Lebenskraft erwiesen,
hat gezeigt, dass ein harmonisches Zusammenwirken vieler einzelner
Kräfte, eine gewaltige Gesamtleistung zu erzielen vermögen
und hat damit der hiesigen Tuberkulosefürsorge ungeahnt reiche
Mittel zur Verfügung gestellt. Und dies Ergebnis kann dem Verein
und der Stadt Mügeln und ihrer Umgebung nur zur höchsten
Ehre gereichen.
Mügelner Anzeiger, 1. April 1913
|
|