Wetterkapriolen
in alter und neuer Zeit
Wir sind ja moderne Menschen des 20. Jahrhunderts und dass wir
abergläubisch sind, lehnen wir kategorisch ab. – Abgesehen
davon, dass einige Zeitgenossen in bestimmten Lebenslagen eigenartige
Gewohnheiten an den Tag legen. – Manche heimlich…
Über den Aberglauben unserer Vorfahren, die Art, wie sie
sich bestimmte Wettererscheinungen zu erklären versuchten,
können wir aufgeklärten Menschen gut lachen. Niederschriften
in alten Chroniken über Schnee im Sommer oder Baumblut im
Winter wurden als Phantastereien abgetan. Erst seit einigen Jahren
durchforsten ernsthafte Wissenschaftler alte Chroniken und versuchen
aus den Aufzeichnungen Rückschlüsse über bestimmte
Perioden (Zyklen) wärmerer und kälterer Jahre zu ziehen.
Sehen wir uns nun einmal einige Aufzeichnungen in Mügelner
Chroniken und alten Zeitungen an.
Der Chronist Fiedler war von 1637 bis 1652 Pfarrer in Mügeln,
was er in seiner „Ehren- und Gedächtnissäule“ schreibt,
konnte er also aus persönlichen Erlebnissen schildern.
Zuerst einige Aufzeichnung, die man ihm überliefert hat und
die ja noch nicht lange zurück lagen. Er schreibt:
„Anno 1604 ist lange kein beständiger Winter gewesen,
dass die Kinder umb Weyhnachten mit blossen Füssen auff den
Gassen umbgelauffen und gespielet haben.“
„Anno 1605 war ein weicher und linder Winter.“
„Anno 1625 ist ein sehr gelinder Winter gewesen, dass man
nach dem Neuen-Jahre hat können im Felde arbeiten.“
„Anno 1638 hat es den 24. Januarii gedonnert.“
„Anno 1643 Den 25. Martii (März) war gegen Abend ein
erschrecklich Wetter, mit großen donnern und blitzen, darauff
fiel eine grosse Kälte ein. Den 30. Martii, war der Grüne
Donnerstag, schneyet es sehr, wie auch am Car-Freytage. Am heiligen
Abend, war der erste Aprilis, habe ich einen Eißzacken vom
Dache gebrochen, welcher einer Ellen und eines quären Mannes
Daumens ist lang gewesen, auch haben wir den ersten und andern
Feyertag weisse Ostern gehabt.“
„Anno 1649 Den 20., 21. und 22. Augusti hat es sehr gereiffet
und sind ziemliche harte Fröste gefallen.“
Am 22. Februar 1708 beendete M. Daniel Otto Zießler seinen
Anhang zur „Müglischen Chronicka“. Zießler
war seit 1694 Pfarrer in Mügeln. Sehen wir uns nun einiges
an, was Zießler über das Wetter geschrieben hat.
Da er viele Nachrichten mit Datum und sehr ausführlich erwähnt,
müssen wir annehmen, dass er Niederschriften seiner Vorgänger
mit benutzt hat.
Über 1666 u. a.: „Im Julio ist wiederumb eine höchst-empfindliche
Hitze gewesen, dermassen, dass viel Menschen beym Schneiden des
Korns gstorben und verdorben, indem sie das kalte Geträncke
für Mattigkeit übermässig in sich hineingegossen.“
„Annus 1667 Dieses Jahr hatte ein sehr lustiges und angenehmes
Frühjahr, doch im Mertz fiel ein abscheulicher Nachwinter
ein, dergleichen bey Menschen-Gedencken nicht erlebet worden…“
„Annus 1668 Am 15. Feb. Entstund hiesigen Ortes ein gräulich
Donnern und Wetterleuchten. Den 20. darauff kam ein solches warmes
Wetter, dass das liebe Korn mit Macht gewachsen und gegrünet.“
„Annus 1684 Sonst war auff den so grimmig kalten Winter
ein hefftig dürrer Sommer, dass alles Sommer-Geräyde
zurücke blieben und verdorben, das Winter-Geträyde aber
durch die schwinde Hitze übereilet und gezwungen worden, dass
es sehr kleine Aehren bekommen und ein weniges an Körnern
geschüttet.“
„Annus 1686 Diese Jahr war fast gar kein Winter, sondern
immer warm wie zur Sommerszeit. Schwer Gewitter waren sehr viel,
wie es denn auch hiesiger Gegend und Nachbarschaft an unterschiedlichen
Orten eingeschlagen…“
„Annus 1694 Den 7. Februar abermals dieser Orten, und also
ausser der sonst gewöhnlichen Jahres-Zeit, ein erschreckliches
Ungewitter mit Hagel und Blitzen; doch hat man nicht gehöret,
dass es irgendwo eingeschlagen…“
„Annus 1695. In diesem Jahr fieng es vor Weihenachten an
zu schneyen, und ist der Schnee beständig lieben blieben,
dass vor dem 16. Martii (März) kein Thau-Wetter erfolget…“
„Den 28. Maji hat es starck Eiß hiesiger Orthen gefrohren,
wodurch das liebe Korn einen nicht geringen Schaden erlitten, gestalt
auch vorhero harte Nacht-Fröste gewesen, welche den bedroheten
Misswachs umb desto mehr vergrössert.“
„Annus 1696. Dieses Jahr ließ sich sehr warm und angenehm
an, gestalt im Februario das herligste und schönste Wetter
gewesen, daherio die Leute an vielen Orten in solchem Monat Erbsen
gesäet, auch die anderen Felder zum Theil gehacket und geackert.
Im Junio und denen sonst heissesten Sommer-Tagen war immer Regen
und kalte und unfruchtbare Nächte, welches uns gegen das schöne
liebliche Frühjahr sehr fremde gedeuchet.“
Annus 1697, Den 18. Septembr. waren abermal starcke Nacht-Fröste
und an etlichen Orten dickes Eiß.“
„Annus 1707. As bey dieser Zeit vohero etliche Tage nach
einander sehr heiß Wetter gewesen, erhub sich am 4. Octobr.
Des Abends gegen 5 Uhr, vieles entsetzliches Ungewitter mit donnern
und wetterleuchten, welches die gantze Nacht hindurch gewähret,
und erst am Morgen wieder stille worden, und ist bey dieser Jahres-Zeit
nicht ohne Ursache für etwas ausserordentliches zu halten,
denn Natur und Zeit verändert sich.“
Mit dieser für einen Pfarrer vor über 280 Jahren sehr
weitsichtigen Anmerkung klappen wir die alte Chronik zu. Später
wollen wir uns einmal mit Erdbeben, Hochwassern und „Großem
Schnee“ in der Mügelner Pflege befassen. Wenn wir solche
Berichte im Original mit ihren Schlussfolgerungen lesen, müssen
wir uns immer vor Augen halten, dass sie aus der Sicht und dem
Wissen dieser Zeit geschrieben sind. Wenn wir darüber urteilen,
müssen wir immer an den Aberglauben unserer „aufgeklärten“ Zeit
denken.
Die Berichte Fiedlers und Zießlers sind buchstabengetreu
aus den Originalen abgeschrieben. Statt der Schrägstriche
in den Originalen wurden Kommas gesetzt. Statt a, o, u mit dem
darüber gesetzten „e“ wurden ä, ö und ü geschrieben.
Nun noch einige Zeitungsmeldungen aus dem „Wochenblatt für
die Stadt Mügeln und Umgegend“, Nr.2, vom Mittwoch,
dem 8.Januar 1873: Im Dorfe Calbitz steht bei einem Gutsbesitzer
ein Kirschbaum in der schönsten Blüthe. Wenn es noch
14 Tage so bleibt, sind dort die schönsten Kirschen!“
In Nr. 5, vom Sonnabend, 18.Januar 1873 lesen wir: „Wenn
andere Blätter von den merkwürdigen Witterungsverhältnissen
dieses Winters berichten, so dürfen wir auch nicht zurückbleiben,
wenn uns Raritäten desselben zugesendet werden. In diesen
Tagen wurde uns von schöner Hand ein prächtiger Blumenstrauß überbracht,
zusammengestellt aus Blumen des Sommers, wofür wir auch hierdurch
nochmals verbindlichst danken. Dem reiheten sich jetzt mehrere
muntre Maikäfer an und gestern gar war es ein schmucker Schmetterling,
ein Pfauenauge (Tagpfauenauge) der uns mit seinem lebhaften Wesen
erfreute.“
Diese Reihe ließe sich beliebig fortsetzen. Das die Industrieländer
alles unternehmen müssen, um unsere Atmosphäre gesund
und sauber zu halten, darüber besteht kein Zweifel. Dass es
aber in jüngerer und älterer Vergangenheit Wetteranomalien
gab, über die wir uns keine Vorstellungen machen können,
auch das ist gewiss. Sehen wir uns die Baumscheiben gefällter
Eichen und Linden an, da sehen wir Jahresringe, die auf viel wärmere
Zeiten schließen lassen, als wir sie jetzt zu Zeit erleben.
So sollten wir uns durch Horrormeldungen bestimmter Zeitungen nicht
erschrecken lassen. Als wir in den 60er Jahren ein paar kalte Winter
hatten, prophezeiten uns die gleichen Medien eine baldige Eiszeit.
Dies meint Günter Thiele
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