Erinnerungen
an den
Altmügelner Viehgraben
Ich habe es bei meinen Zeilen über die Kirmes im „Rund
um den Collm“ erwähnt und ich tue es gern noch mal,
dass ich acht Jahre, von 1928 bis 1936, in die Altmügelner
Volksschule gegangen bin und ich daher den Viehgraben genau kenne.
Er stellt eine Verbindung zwischen Altmügeln und Crellenhain
dar, die an der Schule beginnt oder endet – wie man’s
nimmt.
Wenn der Winter Einzug hält
Welche Erinnerungen knüpfen sich nun an den Viehgraben? Ganz
einfach, der Winter hält seinen Einzug und das war für
jung und alt damals unsere Rodelbahn. So lange Schnee lag war dort
reger Fahrbetrieb. Besonders natürlich verstärkt in den
Nachmittagsstunden, wenn für uns Kinder die Schule aus war.
Am Abend gaben sich dann die reifere Jugend oder auch Muttis und
Vatis ein Stelldichein. Und alle Winterfreunde, die im Viehgraben
Schlitten fuhren, waren keineswegs nur in Altmügeln oder Crellenhain
zu Hause, bei leibe nicht, denn diese Rodelbahn hatte Breitenwirkung.
Aus allen Himmelsrichtungen kamen sie angetrudelt. In meiner Schulzeit
war eigentlich jeder Winter mit Schnee verbunden, wogegen heute
die Kinder übertrieben kaum Schnee kennen.
Also, wenn Frau Holle damals tüchtig die Betten ausgeschüttelt
hatte und genügend weiße Pracht gefallen war, gings
jede freie Stunde in den Viehgraben Schlittenfahren. Um diese Bahn
fahrbereit zu machen, bedurfte es keiner besonderen Fürsorge
durch Menschenhand. Die Masse von Schlitten gaben der Bahn den
notwendigen Schliff. Alle Schlittentypen waren vertreten, vom Rodler
(mit oder ohne Hörner), über den so genannten Eisernen
bis hin zu Käsehitsche. Abends fuhren sogar Bobs. Trotz des
großen Zuspruchs und Andrangs im Viehgraben Schlitten zu
fahren, ging der gesamte Ablauf reibungslos vonstatten. Wenn man
oben am Berg stand, wurde rechts hinuntergefahren und linksseitig
zog man sein Gefährt wieder zur Abfahrt hoch. Die Fahrt abwärts
hatte es ganz schön in sich. In der Mitte der Bahn war eine
kleine Rechtsbiegung zu nehmen, das verlangte schon fahrerisches
Können. Aber wie es im Leben so ist, vieles wird gemeistert
und beherrscht.
Mit „Bauchgletscher“ ins Tal
So gab es in all den Jahren im Viehgraben keinen Unfall. Da in
dieser Zeit der Autoverkehr nicht groß dominierte, durften
wir unsere Schlitten so weit fahren lassen, bis der Schwung gleich
Null war und er stehen blieb. Damit wurden natürlich auch
schon Wetten abgeschlossen, wer am weitesten fährt. Ich hatte
einen so genannten eisernen Schlitten mit schmalen Kufen und etwas
hochbeinig, aber er lag gut auf der Bahn, ein guter Flitzer. Um
möglichst eben weit ins Dorf hineinzufahren, war der „Bauchgletscherstil“ gefragt,
das heißt, man lag auf dem Schlitten. Wenn die Bahn gut in
Schuss war, erreichten wir Weiten bis zu Bergmanns Gastohf oder
bis an die Ecke, wo Webers/Wendlers wohnten. Das war enorm.
Die Rennrodler, die sich dazumal im Viehgraben ausgetobt haben,
wissen wo das ist. Alle miteinander, die dort täglich anwesend
waren, hatten dabei einen Riesenspaß und waren bemüht
ihren Schlitten gut hinunter zu steuern, was bestens klappte.
Abgelatschte Holzpantinen
Ein weiteres Standbein auch im Viehgraben war das Schliddern mit
den Holzpantinen. Dazu mussten die Grashänge links und rechts
der Rodelbahn herhalten. Hier ging es ziemlich steil zu, so dass
sich nur wenige Kinder an dieser Sportart beteiligten. Um überhaupt
schliddern zu können, mussten die Holzpantinen natürlich
abgelatscht sein. Denn mit Holzabsatz am Pantoffel war da nichts
zu machen. Da wir Kinder Holzpantinen am Hut hatten, ließ sich
das bequem von uns einrichten, dass zum Schliddern dann eine glatte
Holzsohle vorhanden war.
Wenn ich besonders jetzt in der Winterzeit so an das Treiben im
Viehgraben denke, so hatten wir täglich unseren Spaß,
unsere Beschäftigung und Harmonie obendrein. Das Lachen, Kreischen
und Rufen, wenn der Schlitten zu Tale sauste, war natürlich
ganz schön weit zu hören. Ich habe dabei noch die Achtungsrufe
der kleinen Fahrer in den Ohren, die während der Fahrt riefen: „Bahne
frei – Kartoffelbrei“ oder „Bahne – saure
Sahne“. Der Viehgraben war im Winter eben unser Spielplatz
für groß und klein.
Walter Schwurak, OAZ 1999
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