Online-Chronik der Stadt Mügeln
 
Schweres Autounglück bei Töllschütz


Am Sonnabend fuhr ein mit 10 Personen besetzter Lastkraftwagen aus Rosswein an der Eisenbahnstrecke Oschatz – Döbeln unmittelbar vor Bahnhof Töllschütz die Böschung hinunter, überschlug sich und blieb zertrümmert auf den Gleisen liegen. Sämtliche Insassen wurden verletzt, einer davon schwer. Fünf der Verletzten konnten in ihre Wohnungen nach Rosswein befördert werden, während die übrigen fünf im Krankenhaus Aufnahme finden mussten. Die Strecke war infolge des Unfalls gesperrt, der Personenverkehr musste durch Umsteigen aufrechterhalten werden. Der zuständige Reichsbahnarzt, Sanitätspersonal und ein Hilfsgerätewagen der Reichsbahn waren schnellstens zur Stelle

Soweit der kurze amtliche Tatsachenbericht über einen bedauerlichen Unfall, der innerhalb weniger Tage nun schon der zweite größeren Ausmaßes in unserer Umgegend ist. Ergänzend sei noch mitgeteilt, dass das Unglücksauto von Döbeln kommend links vor der Brücke den 6 Meter hohen Abhang hinabgestürzt ist und sich mit dem Vorderteil in den gegenüberliegenden Hang hineingebohrt hat, wobei es halb umgestürzt ist. Da der Wagen offen war, sind die meisten Insassen herausgeschleudert worden und so mit leichteren Verletzungen davon gekommen. Durch das Amtsgericht Mügeln und die Untersuchungskommission der Kriminalpolizei Leipzig wurden in später Nachtstunde die notwendigen Erörterungen aufgenommen. Erst dann konnte die Strecke frei gemacht werden und der Döbelner Abendzug passieren. Wie verlautet soll der Wagenführer sich geirrt und angenommen haben, die Straße mache eine Kurve; als er diesen verhängnisvollen Irrtum erkannte und bremste – die Bremsspur war auf der Straße deutlich erkennbar – war es bereits zu spät, um das Unglück noch abzuwenden. Der halb umgestürzte, mit dem Rädern nach oben tief unter der Brücke liegende Lastwagen bot in der Dunkelheit, die nur von den Sturmlaternen erhellt wurde, ein unheimliches Bild. Für manchen allzu eiligen Kraftwagenführer dürfte der Unfall eine ernste Mahnung sein, stets vorsichtig zu fahren, vor allem wenn er die Verantwortung für Mitfahrende zu tragen hat.

Unsere Freiwillige Sanitätskolonne vom Roten Kreuz stellte ihre Einsatzbereitschaft und glänzende Organisation bei diesem Unfall wieder einmal unter Beweis. Die Kolonne wurde 8.40 Uhr „zu einem Autounfall“ alarmiert und der Krankenkraftwagen angefordert, der sofort nach der Unfallstelle abging, erst später wurde der volle Umfang des Unglücks gemeldet und die gesamte Kolonne alarmiert; 9.10 Uhr fuhren 25 Helfer und 5 Samariterinnen mit Verbandsmaterial und Tragen mittels Schnelllastwagen zur Unfallstelle, wo sie das inzwischen von Hilfsbereiten Töllschützer Einwohnern begonnene Rettungswerk fortsetzen und vollenden konnten. Schnellstens zur Stelle waren auch Dr. Flur und Reichbahnarzt Dr. Knauf. Die fünf leichter Verletzten, der Schlosser Zschammler, Arbeiter Herbert Müller, Modelltischler Thieme, Arbeiter und Modelltischler Kern wurden nach Anlegen von Verbänden von benachrichtigten Angehörigen ihres Vereins, des Schwimmklubs 1898 Roßwein, mit dem Auto nach Rosswein befördert. Die Schwerverletzten Willi Motzka, Erich Böhme, Erich Simon, der Chauffeur Joh. Kälkert und Gerhard Heinert wurden ins Krankenhaus Mügeln, der letztere sehr schwer verletzte ins Krankenhaus Döbeln transportiert. Die Verletzungen bestanden in der Hauptsache in Brüchen, Quetschungen und Prellungen. Einer der Eingelieferten mußte zu eine notwendigen Operation ins Kranken haus Oschatz geschafft werden.

In schönster Hilfsbereitschaft hatte Baumeister Hönncher in Töllschütz sein Haus für die Aufnahme der Verletzten zur Verfügung gestellt, von wo sie dann nach Anlegung der Notverbände abtransportiert wurden. Der Unfall zeigte, wie notwendig es ist, dass in allen Gemeinden ausgebildete Sanitäter vorhanden sind. Die Freiwillige Sanitätskolonne Mügeln, die ausgezeichnet gearbeitet hat, bittet uns darauf hinzuweisen, dass bei Meldung von Unfällen an die Kolonne ein kurzer Sachstandsbericht gegeben wird, damit der Einsatz in der erforderlichen Stärke erfolgen kann.
Mügelner Anzeiger, 10. Dezember 1934