Online-Chronik der Stadt Mügeln
 
Im Käsewerk nun alles „Müller“?

In der Gerüchteküche Mügelns brodelt es wieder einmal. „Das Käsewerk wird bald dich gemacht“, geht es von Mund zu Mund. In Kurt Dornau Vorstandsmitglied der Milchwerke Mittelsachsen eG fand OAZ einen Gesprächspartner, der für Klarheit sorgen wollte.

Pachtvertrag abgeschlossen

Mit Alois Müller, dem auch in unseren Breiten bekannten Unternehmer aus dem Allgäu, hat die Milchwerke Mittelsachsen eG am 15. November einen Pachtvertrag abgeschlossen. Das Mügelner Käsewerk nennt sich nunmehr Molkerei Alois Müller GmbH & Co, Werk III. Damit ist zwar im Augenblick dem Weiterexistieren der Betriebsstätte materiell die Chance gegeben, alle Arbeitnehmer sind übernommen. Auch wolle Herr Müller in eine sächsische Niederlassung investieren. Aber ob diese in Zukunft jene in Mügeln sein wird, ist noch nicht heraus. Bis jetzt habe Müller noch nicht Präzises zum Produktionsprofil in Mügeln verlauten lassen. Nur soviel: ungefähr noch die Hälfte der Mügelner Belegschaft ist abzubauen. Und am Wochenende wurde beschlossen, H-Milch-Produktion von Oschatz nach Chemnitz zu verlagern.

Existenzgefahr vermindert

Im Vorfeld dieser Partnerschaft gab es durchaus Phasen, in denen an der Existenz der seit 1898 bestehenden Genossenschaft und damit auch an der Mügelner Käsefabrik zu zweifeln war. Eine Genossenschaft wurde nach der Wende ohne westlichen Partner nicht als förderbar befunden. Nicht einmal der Lizenzvertrag mit dem Milchwerk Weideglück aus Schwaben reichte den Banken zur Sicherheit.
Kurt Dornau: „Wir hatten nie etwas mit der Treuhand zu tun. Vielleicht hätten wir dadurch sogar Fördermittel bekommen:“ Auch Südmilch hatte gemeinsam mit Müller um die Milchwerke Mittelsachsen gekämpft. Die Bauern entschieden sich aber nur für Müller. Der jetzige Pachtvertrag gilt bis 1993. Danach soll in einem neuen Werk produziert werden, das zwischen Mügeln und Leipzig auf einer Fläche von Zwanzig Hektar errichtet wird. Herr Dornau sieht dennoch eine Chance, dass sich Müller auch für den Mügelner Käse interessiert.

Glück für einheimische Bauern

Zwei Vorteile bringt der neue Abnehmer aus Aretsried auch für die hiesigen Bauern mit: Sie brauchen keine Anteile in eine Aktiengesellschaft einzubringen wie z. B. bei Südmilch. Außerdem zahlt Müller einen höheren Milchpreis als andere. Anhand der wagen Vorstellungen lassen sich zwar Ängste unter den Mügelnern nicht von heute auf morgen abbauen. Doch zumindest kann für „Müller-Milch“ mit ruhigem Gewissen geworben werden, daran verdienen künftig auch einheimische Bauern.

OAZ 26.11.1991

Freude über Weihnachtsgeschenk ist geteilt

Man könnte annehmen, es war ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk, was die renommierte Molkerei Alois Müller GmbH & Co. Aus Aretsried den Beschäftigten der Milchwerke Mittelsachsen eG im Kreis Oschatz am 15. November bescherte. Seit diesem Tag hat das bayrische Unternehmen den Pachtvertrag über die Betriebsteile Oschatz, Torgau, Mügeln und Dahlen in der Tasche. Doch als die Mehrheit der hiesigen Bauern dieses „Geschenk“ freiwillig entgegengenommen hat, ahnte wohl keiner von ihnen, welchen Umfanges die Bescherung ist. Seit vorigem Samstag, dem 23. November, wird jedenfalls Klartext gesprochen, beiderseitig.
Das heißt, per 25. November verlagerte der neue Pächter die H-Milch-Produktion von Oschatz in die Molkerei nach Chemnitz. Am Donnerstag trafen sich Ansprechpartner und Geschäftsführer der Culina-Spedition aus Aretsried, vor Ort für technische Fragen in Mügeln, Oschatz und Dahlen, um intern mit Belegschaft und Betriebsräten ins Gespräch zu kommen. Was dort geäußert wurde, konnten wir nicht selbst mitverfolgen. Jedoch waren die drei Vertreter zwischenzeitlich in Mügeln bereit für ein erstes Gespräch mit OAZ.

In sachlicher Weise erklärten sie, die Existenz der Erzeuger sichern zu wollen, um in drei bis vier Jahren ein völlig neues Unternehmen zwischen Mügeln und Leipzig errichten zu können. Ansprechpartner J. Hagenow: „Wir wollen das Beste daraus machen, das heißt die bestmögliche Verwertung der Milch erreichen.“ Der Betrieb erzeuge zwar gute Produkte, sei aber damit nur einer unter vielen. Solche Betriebe aufrecht zu erhalten, gäbe es wenig Hoffnung. Ein Sanierungskonzept liege bereits im sächsischen Ministerium vor. Entlassungen wurden und werden vorgenommen, doch könnten einige Betroffene auch in Aretsried beschäftigt oder ausgebildet werden. Auf jeden Fall wolle man der Belegschaft immer in die Augen sehen können. Doch dies scheint während den Informationsversammlungen in Oschatz und Dahlen noch nicht in überzeugender Weise gelungen zu sein. Telefonisch wandte sich Frau Gerlach vom Oschatzer Betriebsrat stellvertretend für alle Betriebsratsmitglieder am Freitagmorgen an uns, um deren Resümee aus den Zusammenkünften gegenüber OAZ zu äußern. Schwarz auf weiß läge seit Donnerstag vor, dass von 267 Beschäftigten alle zu entlassen sind, bis auf die 12 Auszubildenden. Nach Ansicht der Betriebsräte ist die Vorgehensweise gesetzeswidrig, daraus wolle man Konsequenzen ziehen. Noch nicht sicher ist, ob nächste Woche eine weitere Zusammenkunft zwischen Milchwerken und Vertretern der Firma Müller stattfindet. Auf jeden Fall berichtet OAZ weiter über die Vorgänge.

OAZ 30.11.1991