Online-Chronik der Stadt Mügeln
 

Über Mügelner Straßennamen

Als die Siedlungen unserer Vorfahren größer wurden, begannen sie die Gassen und Straßen zu benennen.

Ein Beispiel aus der Geschichte Mügelns ist die Aufzählung der Mügelner Bürger im Jahre 1652 durch Fiedler in seiner Chronik, der “Müglischen Ehren- und Gedächniß-Seule“. Er schreibt da u. a.: „In der Stadt“, das waren die Bürger, welche innerhalb der Stadtmauern lebten. „In Vorstädten sind / als vor dem Lommatzscher Thor“; „Im Hirten Hack“; „Vor dem Grimmaischen Thor“; „Vor dem Schloß-Thor“; „Auff dem Churf. Schloss und Ampthauß Rugethal“.

Im „Wochenblatt für die Stadt Mügeln und Umgegend“ aus dem Jahre 1858 lesen wir folgende Straßenbezeichungen: „An der Stadtmühle“ Schlossgasse, in den Schlosshäusern, im Hack, am Markt, am Altmarkt, an der Kirche, Entengasse, Lommatzscher Gasse, Lommatzscher Vorstadt, Grimmaische Gasse, Grimmaer Vorstadt, die Pforte“.

Die Bezeichnungen sind ja allen Mügelnern geläufig, man müsste vielleicht nur noch ergänzen, dass die heutige Schulgasse die Entengasse war, „die Schlosshäuser“ nannte man die Häuser zwischen dem Mühlgraben und dem Schloss. Die Lommatzscher und die Grimmaische Gasse, das war die Hauptstraße vom Markt bis zum jeweiligen Stadttor. Vor den Stadttoren wurden die Straßen dann als die jeweilige Vorstadt bezeichnet.

Dabei muss man wissen, dass Mügeln an der alten Handelsstraße Meißen, Lommatzsch, Mügeln, Grimma, Eythra, Merseburg lag, die Straße, welche vor allem von den Bischöfen und ihren Beamten benutzt wurde. Deshalb die Bezeichnung Richtung Lommatzsch, Richtung Grimma, über viele Jahrhunderte, soweit wir nur Aufzeichnungen über Mügeln finden können.

Jede politische Wende der Neuzeit brachte eine Umbenennung der Straßennamen mit sich. Viel kulturelles Erbe ging dabei verloren.

Gehen wir doch in Mügeln wieder dazu über, historische Straßennamen zu verwenden.

Die Dr.-Friedrich-Straße könnte man wieder Lommatzscher Straße oder Bahnhofstraße nennen. Die Ernst-Thälmann-Straße würde zur Grimmaischen oder Hauptstraße, wie sie ja auch schon einmal geheißen hat. Die Franz-Mehring-Straße hatte schon einmal den Namen Fabrikstraße.

Die Straße des Friedens könnte man in Dorfstraße oder Altmügelner Dorfstraße umbenennen. Umbenennungen sind immer mit Kosten verbunden. Doch unsere Stadtverordneten sollten sich behutsam mit einigen diskreditierenden Straßennamen befassen.

Im Heft 3 des „Mügelner Anzeigers“ lesen wir u. a. die Bezeichnung „die Pforte“, darüber nun noch einige Anmerkungen.

Bis zum 12. November 1891 war die Südseite des Marktes zwischen der Stadtbibliothek und dem Haus Hummitzsch bebaut. Ein Haus mit einem Durchgang, gerade breit genug, um mit einem kleinen Handwagen hindurch zu fahren und nicht einmal so hoch, dass ein Reiter hindurch reiten konnte, wie Zeitzeugen berichteten. Durch diesen Durchgang kam man auf einen kleinen Weg, den Röhrrain. Dies war der kürzeste Weg aus der Stadt, durch den Hack, in die anschließenden Felder. Den Röhrrain herunter kam vom „Heiligen Born“ Die Röhrleitung – das Wasser – in die Stadt. Den obersten Teil dieses Jahrhunderte alten Weges können wir heute noch vom Kino bis zum Gaudlitzer Weg verfolgen. Wo dieser Fußweg in den Gaudlitzer Weg mündet, sehen wir auf dem schräg gegenüber liegenden Feld drei noch nicht vergiftete Bäume. Dieser kärgliche Rest eines ehemals kleinen Gehölzes ist Stadteigentum und umgibt die gefassten Quellen des „Heiligen Born“. Noch vor wenigen Jahren lief Wasser von dort, durch die alten Holzröhren, bis nach Schlagwitz und in den alten Hochbehälter an der Gärtnerei Georgi, übrigens auch städtisches Gelände.

Doch zurück zum Pfortenhaus.

Als im Juni 1881 die Armenschule abbrannte war diese dann im Pfortenhaus untergebracht. In dieser Armenschule wohnte übrigens auch der letzte Mügelner Röhrmeister namens Schönfeld. Der letzte Lehrer der Armenschule, welcher in der Pforte unterrichtete, hieß Drescher. Ein Zeitgenosse erinnert sich: „Er trug seinen Namen zu Recht!“ In der Armenschule wurden vor allem Kinder aus dem Hack unterrichtet. Es waren wahrscheinlich die Kinder, deren Eltern das Schulgeld für die Allgemeine Bürgerschule nicht entrichten konnten und deshalb dort das Notwendigste an „Bildung“ vermittelt bekamen. Nach dem Abbruch der Pforte wurde nun eine Straße, die Pfortenstraße, nach dem Hack gebaut. Denn der „Umweg“ um mit dem Pferdegeschirr in den Hack zu kommen ging ja über die Friedhofsstraße oder über die heutige Döbelner Straße.

Alte Mügelner sagten noch um 1950: „Mir gehn die Pforte ruff!“ Ein Mügelner schreibt in seinen Erinnerungen u. a.: „Wer aber den Markt mit der alten Pforte gekannt hat, möchte das fast bedauern… im übrigen hätte ich mir eine Bismarckstraße anders vorgestellt. (Man hatte die Pfortenstraße inzwischen umbenannt.) Wäre es nicht richtiger gewesen, man hätte die alte Bezeichnung „Pforte“ beibehalten?“ Ich schließe mich der Meinung dieses Mügelners aus dem Mügelner Tageblatt vom Jahre 1934 an.

Im Ortsteil Crellenhain, daran erinnerte mich übrigens der Karli Pötzsch, gab es einmal eine Sommerseite und eine Winterseite. Eine Südstraße im Norden einer Stadt hat man auch nicht überall…

Was sagen denn die Crellenhainer dazu?

Günter Thiele


Nochmals Straßennamen …

Wenn man in Mügeln teilweise neue Straßennamen einführen will, so sollte man auch daran denken, dass man nicht nur alte historische Namen wieder hervorkramt, sondern auch Persönlichkeiten berücksichtigt, die hier geboren wurden. Ich denke dabei an einen Mann, der als Mediziner eine Kapazität war und heute noch für angehende Mediziner ein Begriff ist. Es handelt sich um den Mügelner geborenen Prof. Dr. med. vet. H. c. Georg Schmorl.

Christian Georg Schmorl wurde am 2. Mai 1861 als 4. Kind des hier ansässigen Bürgers und Advokaten Ernst Adolf Schmorl und seiner Ehefrau Clementine Franziska Louise geb. Mogk aus Oschatz, hier in Mügeln geborgen. Im Taufregister der St.-Johannis-Kirche in Mügeln, Nr. 27 vom Jahre 1861, ist der nähere Geburtsort nicht vermerkt, aber nach Forschungen unseres verstorbenen Heimatforschers Fritz Thomas wurde Georg Schmorl in der heutigen Dr.-Friedrich-Str. 62 geboren. Das Haus wurde im August 1984 mit drei anderen wegen Baufälligkeit abgerissen. Der Vater war beim hiesigen Amtsgericht tätig und wurde nach wenigen Jahren nach Oschatz versetzt, wo er sich ebenfalls Verdienste erwarb und ein angesehener Bürger wurde. Die Familie Schmorl gehörte zu den angesehensten im Territorium und Georg Schmorl wuchs in der Familientradition heran, in der Bildung und Erziehung eine wichtige Rolle spielten.

Im Jahre 1875 wurde er auf die Fürstenschule St. Afra in Meißen geschickt, die er mit einem sehr guten Reifezeugnis mit 20 Jahren verließ. Anschließend studierte er Humanmedizin in Leipzig und Freiburg im Breisgau. Nach Abschluss seiner Studien ging er zurück nach Leipzig, wo er im Pathologischen Institut der Universität zum Pathologen ausgebildet wurde. Im Jahre 1887 promovierte er zum Doktor der Medizin und im Jahre 1894 zum Doktor der Wissenschaften.

Am 3. Oktober 1894 verheiratete er sich in Oschatz mit Maria geb. Marthaus. Aus dieser Ehe gingen zwei Töchter und ein Sohn hervor. Noch im gleichen Jahr wurde er zum Direktor des Pathologisch-Anatomischen Instituts am Stadtkrankenhaus Dresden-Friedrichstadt berufen. Hier entwickelte Dr. med. Schmorl eine intensive wissenschaftliche Tätigkeit, die ihn in Fachkreisen bald bekannt werden ließ. Schon im Frühjahr 1897 wurde ihm vom König der Titel „Medizinalrat“ verliehen. Im Jahre 1903 wurde er zum Professor ernannt.

Aus der Vielzahl seiner wissenschaftlichen Arbeiten nenne ich hier nur seine Erkenntnisse über die Entstehung des „Schneeberger Lungenkrebses“, über die Ursachen der Schwangerschaftskrämpfe, die Tuberkulose der menschlichen Nachgeburt und über verschiedene Erkrankungen des menschlichen Knochensystems. Seine Arbeiten über die Krankheiten der menschlichen Wirbelsäule wurde weltweit anerkannt. In seiner fast 40jährigen Tätigkeit in Dresden haben rund 1000 Arzte unter seiner Leitung gearbeitet.

Die wissenschaftlichen Leistungen und das ärztliche Wirken und Professor Schmorl wurden national und international gewürdigt. So verlieh ihm die Universität Leipzig im Jahre 1930 die Ehrendoktorwürde für seine Verdienste um die Veterinärpathologie. Nach seinem Ausscheiden aus dem Berufsleben arbeitete er in seinem Institut weiter. Dabei wurde ihm seine geliebte Tätigkeit tragischerweise zum Schicksal. Bei der Arbeit an einer menschlichen Wirbelsäule zog er sich eine Vergiftung zu, die nach 14 Tagen, am 14. August 1932, zu seinem Tode führte.

Mit seinem Tode verlor die Medizin einen hervorragenden Arzt und Wissenschaftler, der mit seinen Leistungen noch bis in unsere Zeit wirkt.

Anlässlich seines 50. Todestages würdigte man in Dresden die Leistungen von Prof. Dr. Schmorl durch die Umbenennung des Pathologischen Instituts des Bezirkskrankenhauses Dresden-Friedrichstadt in „Institut für Pathologie Georg Schmorl“.

Dieser kurz gefasste Lebenslauf soll anregen, darüber nachzudenken, ob es nicht angebracht wäre, eine Straße nach ihm als Mügelner Kind zu benennen. Ich denke, seine Leistungen rechtfertigen das.
Walter Gießmann

Ein anscheinend nie versiegendes Thema in unseren Zeitungen, solange wir denken können: „Der Zustand unserer Straßen“.
Beim Blättern in alten Zeitungen fand ich folgenden Artikel vom 11.03.1857, den ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Ein gewisser Heinrich Holzhausen machte seinem Ärger über den Weg von Nebitzschen in folgendem Artikel Luft.

„Da ich den von Mügeln nach Nebitzschen und darüber hinaus bis an die Poppitzbrücke führenden Kommunikationsweg fast täglich zu Fuß als mit Geschirr passieren muss, mir also der Zustand desselben hinreichen bekannt ist, so will ich auch diejenigen, welche die jetzige Beschaffenheit desselben nicht kennen, darauf aufmerksam machen, dass derselbe nur noch mit langbeinigen Pferden und ganz hochrädrigen Wagen befahren werden kann. Mit meinen kleinen Schimmeln muss ich auf diese Promenade verzichten, weshalb ich auch von Glossen wegziehe. Zur Warnung sollten wenigstens an den Endpunkten des Weges Querstangen angebracht werden, damit des Weges Unkundige nicht ohne vorher ihr Testament gemacht zu haben, in die Unterwelt gelangen.“

Dass man in den Amtsstuben auch damals schon keine Kritik vertragen konnte, und wie man auf diesen Artikel reagierte, das lesen wir schon in der folgenden Nummer des „Mügelner Wochenblattes“.

„Jeder vernünftige Mensch verlangt die Kommunikationswege nach einem solchen Winter und in jetziger Jahreszeit nicht besser, als sie sein können und muss daher manches übersehen. Die Rücksicht nehmen sogar hochgestelltere Männer als der Herr „Raisonneur“. Sein insolenter Aufsatz hat selbst solche, dieser Weg auf keine Weise interessieren und tangieren kann, indigniert. Mügeln ist doch wahrhaftig nicht befugt, ihm seine Promenade, zumal bei jetziger Jahreszeit, in bestem Stande zu erhalten. – Mügeln und Glossen wird es jedenfalls ganz gleichgültig sein, wenn er auch deshalb fortzieht, denn beide Orte werden von ihm, obgleich er mit zwei Pferden fährt, wenig Fett abgeschöpft haben. Darum, viel Glück auf den Weg!“

Dies war nicht die „normale“ Sprache damaliger Zeit. Dieser Artikel ist Ausdruck der personifizierten Überheblichkeit in den Amtsstuben. Nur dass man eben die Intelligenz und die Initiative zur sofortigen Reaktion hatte.
Günter Thiele