Online-Chronik der Stadt Mügeln
 
Unwetter über unserer Heimat

Schweres Gewitter – Überschwemmung – große Schlammmassen in der Stadt
„ Gewalzte“ Getreidefelder


Brennend heiß sandte die Sonne am gestrigen Tage ihre Strahlen auf unsere Erde nieder, die nach der Trockenheit und Hintze in den letzten Tagen nach Regen lechzte. Gespannt sah man gestern Mittag schon zum Himmel: wird heute endlich das ersehnte Nass kommen? Das Wetterglas hatte ferner schon eine abwärts sinkende Kurve beschrieben, der Wetterbericht sprach von örtlichen Gewittern. Zudem herrschte eine drückende Schwüle in den gestrigen Mittagsstunden. Gegen 1 Uhr zogen dann hohe Gewitterwolken am Horizonte auf. „Werden sie uns erreichen?“ Das war die Frage! Gegen 3 Uhr schon verriet ein fernes Grollen ein nahendes Gewitter, und die Sonne verzog sich hin und wieder hinter den Wolken. Und dann – ziemlich schnell – war das Gewitter herangekommen. Um 4 Uhr vernahmen wir den Donner schon aus ziemlicher Nähe. Eine halbe Stunde später zuckten bereits die ersten Blitze am fast völlig bedeckten Himmel. Und nun brach das Unwetter vollends an…

Blitz folgte auf Blitz, Donnerschlag auf Donnerschlag,
Schläge von seltener Heftigkeit,

die oftmals die Fensterscheiben klirren ließen. Und dann öffnete der Himmel seine Schleusen. Ein Wolkenbruchartiger Regen ging hernieder. Es dauerte nicht lange, da glichen die Straßenrinnen kleinen, reißenden Bächen, die sich ihren Weg suchten. Unaufhörlich strömte der Regen nieder. Die Schleusen versagten ihren Dienst. Einmal waren sie einfach nicht in der Lage, die unerhörten Wassermassen aufzunehmen und z.a. führte das Wasser derartig viel Straßenschmutz und Heu, dass beim Einfahren von den Fuhren gefallen war, mit heran, dass in wenigen Augenblicken die Schleusen verstopft waren. Ohne Fußbekleidung wateten nun die Hausbewohner im Wasser, räumten die Schleusen, um das Wasser, das immer weiter heranströmte, abzuleiten. In östliche Stadtteile gelang es. Anders im westlichen Stadtteile.

Trostlos sah es in der Adolf-Hitler-Str. vom Grundstücke Merzdorf bis zur Kreuzung aus. Im Nu war dieser Straßenzug völlig überschwemmt. Unaufhörlich drangen Wassermassen aus der Friedhofstr. – von „Schuhmanns Tal“ her – in diese Straße ein. Damit aber nicht genug: auch vom Biehler her ergossen sich die Wassermassen unaufhörlich in die Adolf – Hitler – Str. Die reisenden Wasser führten ungeheure Schlammmassen mit sich, so dass die Schleuse restlos verschlammt waren und das Wasser ganz bedrohlich in diesem Straßenzuge anstieg. Teilweise erreichte es dort eine Höhe von 40 bis 50 cm. Die Folge war, das die zum teil wenig über der Straßenoberfläche liegenden Erdgeschoße der Häuser das Wasser aufnahmen.

Darüber hinaus dang das Wasser in die auf der südlichen Straßenseite belegenen Grundstücke von der Hofseite aus ein und nahm seinen Lauf durch die Hausflure, diese Grundstücke, soweit sie nur wenig über der Straßenhöhe lagen, völlig im Erdgeschoss überschwemmend. Auf das heftigste wehrten sich die Anwohner gegen das anströmende Wasser. Vergeblich. Jede Selbsthilfe war umsonst. Da schrillten die Glocken der Schleife.

Die Feuerwehr musste eingreifen. Sie tat es mit dem ganzen Einsatz ihrer Kräfte. Zunächst räumte sie unter Leitung des Bürgermeisters Albrecht, der umsichtig und tatkräftig die Hilfsaktion leitete, die Schleusen, sodass das Wasser dann, nachdem der Regen nachgelassen hatte, seinen Abfluss durch die Schleusen fand. Und schließlich – nachdem die Sirene ihren dringenden Hilferuf über die Stadt gesandt hatte – waren sämtliche Züge der Wehr am Werke, um das gemeinsame Werk der Hilfeleistung zu voll bringen. Die Motorspritze säuberte die Straße von den Schlammmassen. Mit Karen und Wagen wurden sie sogleich abgefahren. In mehrstündiger angestrengter Arbeit war dann die Wassersnot beseitigt. Für die Anwohner der westlichen Adolf – Hitler – Str. gab es freilich bis in die Nacht hinein noch zu tun. Die Keller mussten vom Wasser befreit werden, desgleichen die Erdgeschosse. Und schließlich mussten auch noch erhebliche Schlammassen aus den Häusern geräumt werden.

Auch andere Straßenzüge hatten nicht unerheblich unter dem furchtbaren Regenguss zu leiten gehabt. So liefen in der Schlossstraße einige Keller voll. Auch in der Albrechtstr. Wurden aus einem verhältnismäßig kleinem Keller mehr als 50 Eimer Wasser geschöpft.

Recht arg sah es auch in dem Garten der Frau Gasch, hinter dem Merzdorschen Grundstück gelegen, aus. Um die gewaltigen Wassermassen, die durch das Gässchen, dass von dem Kammerchen Grundstücke zur Adolf – Hitler – Str. führt, abzuleiten, musste die Feuerwehr den kleinen Damm, der den garten der Frau Gasch vom Gässchen aus begrenzt, durchbrechen. Dadurch musste dieser Garten vollkommen unter Wasser gesetzt werden. So wurde verhindert, das immer mehr Wasser in die Hauptstr. Eindrang. Die beiden Motorspritzen nahmen am Kammerchen Grundstück Aufstellung und pumpten dann den Garten wieder frei. Das Wasser wurde durch die Motorspritzen wieder in die Döllnitz geschleudert.

Auch unsere Vogelwelt wurde hart von dem Unwetter betroffen. Durch den furchtbaren Regen, der unsere Gefiederten Freunde so urplötzlich überraschte, wurden viele von ihnen flügellahm und stürzten bei ihrem Fluge zu irgendeiner schützenden Stätte ab und ertranken in den strömenden Wassermassen. Überall sah man tote Starre, Finken und andere Singvögel von den Wassern fortgerissen werdend. Ein jammervolles Bild, das man mit Wehmut in sich aufnahm.

Doch dieses waren nur geringere Schäden im vergleich zu dem, was das Unwetter, das im südwestlichem teile von Mügeln mit Hagelschlag begleitet war, angerichtet hat. Trostlos sieht es teilweise auf den Getreidefeldern aus. Wie gewalzt liegen die Halmfrüchte. Der Hagelschlag – so kurz er auch nur war – hat strichweise ganz verheerende Wirkungen gehabt. Und wo der Hagel das Getreide nicht glatt gebrochen hat, tat der Regen sein übriges. Er legte große Strecken des Getreides um. Auch die Kartoffeln wurden arg in Mitleidenschaft gezogen. Das Kraut liegt wie gemäht am Boden und zeugt von der Gewalt des Unwetters. Teilweise, besonders an Hängen, sind die Kartoffeln aus dem Boden heraus gespült worden. Dieses trifft in besonderem Masse für die Gegend von Gallschütz zu. Dort ist die Ernte auf manchen Acker vollkommen vernichtet, zumindest erleidet sie schwere Einbussen.

Blitzschläge

In Altmügeln schlug der Blitz auf dem Grundstück der dortigen Mühle in eine sich nicht mehr in Betrieb befindliche große Esse. Auch hier lief der Einschlag einigermaßen glimpflich ab. Lediglich am Sockel rief der Einschlag Beschädigungen hervor.

In Großpelsen schlug der Blitz in einen Mast der Hochspannungsleitung und sprang von dort auf das Transformaturenhaus über. Es verschmorten einige Isolatoren und wurde der dortige Stromkreis für kurze Zeit außer Betrieb gesetzt. Im Übrigen entstand weiter kein Schaden.

So erlebten wir nach langer Zeit wieder ein Unwetter von ganz seltenem Ausmaße. Es betrug die stündliche Regenmenge 28 mm. Mögen wir künftig hiervon verschont bleiben, denn was es heißt, ein Unwetter in vielleicht noch größerem Ausmaße zu erleben, davon bekamen wir gestern eine nicht zu geringe Kostprobe. Wertvolles Volksvermögen steht stets hierbei auf dem spiele, und dieses zu erhalten, ist unsere Aufgabe. Freilich, gegen die Naturgewalten sind wir machtlos. Wir können uns schützen, und wenn sie sich dermaßen entfalten, dann sollen und müssen wir zusammen stehen und helfen einander, wo es nur geht. Und das dieses der Fall am gestrigen tage war, dass sei hier festgestellt. Insbesondere verdient unsere Feuerwehr Lob und Annerkennung. Sie stand restlos ihren Mann als sicheres Instrument der Bekämpfung von Gefahr und Not.

Mügelner Tageblatt 24. Juni 1936