Online-Chronik der Stadt Mügeln
 
1.8.1914

Am 1. August erfolgte die Kriegserklärung an Frankreich und die Einberufung der Reserven. Herr Hilfslehrer Damm wurde am 4. August einberufen und die Schule mit 3 Lehrern und sieben Klassen am 17. August, nach den großen Ferien, eröffnet: Zusammenlegung der Klassen V und VI, Aufteilung der Klasse IV.

Der Ausbruch des großen Völkerkrieges brachte einschneidende Veränderungen für die Organisation und den Unterrichtsgang unserer Schule, sowie für das gesamte Schulleben mit sich.

Der Unterrichtsstoff selbst erfuhr Abänderungen durch Einreihung der Ereignisse. Die Handarbeitsstunden der Mädchen wurden vermehrt für Scharpiezupfen und Wollsachenstricken (Strümpfe, Kniewärmer, Handschuhe, Müffchen usw.). Auch die Erwachsenen wurden durch Pfarrer Seyfert und Ökonomierat Uhlemann zu Strickabenden aufgerufen, die auf den Sälen in Crellenhain und Schlatitz stattfanden. Anmerkung: Scharpie (franz.), früher für zerzupfte Leinwand als Verbandsmaterial.

Während die Frauen und erwachsenen Mädchen fleißig strickten, tagten einstweilen in den Gaststuben bei Kartenspiel usw. die männlichen Förderer der guten Sache und lieferten den Gewinn an die Strickgarnkasse ab. Die Lehrer traten in mehrfacher Hinsicht in den Dienst der Kriegshilfe: Sammlungen in der Gemeinde für das Rote Kreuz, Sammlungen in den Schulen für: Metall (Kupfer, Messing, Eisen, Aluminium, Silbersachen, Goldgegenstände usw.). Außerdem wurden gesammelt: Kürbiskerne, Sonnenrosenkerne, Nesseln, Kirsch- und Pflaumenkerne, Laubheu.

Die Schule Altmügeln veranstaltete eine Eiersammlung und lieferte 1380 Eier an das Lazarett des Karolahauses in Dresden ab. (Durch Frau Dr. Weber, Mügeln)

Eine begeistere Stimmung beherrschte Lehrer und Schüler, angeregt durch erhebende Siegesnachrichten und Zeitungsberichte. Täglich wuchs die Spannung, die beispiellosen, noch nie erlebten Vorgänge innen und draußen erregten Lehrer, Schüler, die ganze Umwelt, körperlich und geistig. Für ruhige, planmäßige Schularbeit waren die Vorraussetzungen nicht mehr vorhanden. Trotzdem wurde in der ganzen Kriegszeit fleißig gearbeitet. Es war das heiße Bemühen, die Kinder einzuführen in die jäh geschaffenen, hereingebrochenen Verhältnisse, sie zum Erkennen und Erfassen der großen patriotischen und geistigen Strömungen zu befähigen, sie zum Erleben des großen deutschen Wesens zu bringen, an dem die Welt genesen sollte!

Das Bemühen, im Unterrichte Kenntnisse und Fertigkeiten anzueignen, erlitt arge Stöße. Hierzu fehlte die Ruhe und Stetigkeit. Dafür: Unruhe, Überraschungen, Siegesfeiern, Grauen und Entsetzen. Versäumnisse seitens der Kinder kamen öfter vor, da oft Beurlaubungen zu landwirtschaftlichen Arbeiten begehrt wurden.

Schule und Gemeinde organisierten Maßnahmen zu regem Briefverkehr mit unseren Feldgrauen und zu Abfertigung von Postpaketen ins Feld. Die Schulkinder fertigten oft Berichte über Befinden und Stimmung in der Heimat und beförderten sie an die Ihrigen draußen.

Die Antworten darauf erfolgten prompt. Gemeindevorstand Hänsel ließ mit Zustimmung und Hilfe des Gemeinderates Weihnachten 1914 ein Schwein schlachten und jedem Feldgrauen ein Weihnachtspäckchen mit Fleisch, Wurst und Fett zusenden.

1915 begann die Rationierung der Nahrungsmittel. Die Brot-, Fleisch-, Kartoffel-, Milch-, Buttermarken wuden von den 3 hiesigen Lehrern in den Orten des Schulbezirks zur Unterstützung der Gemeindevorstände besorgt, ebenso die hierzu erforderlichen Listenanfertigungen und –führungen, sowie die Viehzählungen, Bestandserhebungen und Volkszählungen.

Sehr lückenhaft war der Fortbildungsunterricht, der für den Sommer 1917 und 1918 ganz ausgesetzt wurde.

Das Verhalten der Kinder in und außerhalb der Schule ließ nach und nach sehr zu wünschen übrig. Der Krieg, die Abwesenheit der Väter, die Gleichgültigkeit und Nachsicht der öffentlichen Menge, sogar der Aufsichtspersonen in Stadt und Land, insbesondere aber der Mütter haben vielerlei Unfug, Ausschreitungen und grobe Vergehen, besonders außerhalb der Schule zur Folge gehabt. Die Polizei hatte vielfach in der Schule zu tun, um Nachforschungen über Diebstähle und groben Unfug anzustellen. Die Lehrer hatten vielfach durch Nachsitzenlassen und körperliche Züchtigungen zu strafen.