Vom kirchlichen
Leben
Um 1840 gehörte Mügeln mit den sieben Oberdörfern
noch zur Gesamtparochie Altmügeln, seine Kirche war nur Schwesterkirche
von der Altmügelnschen. Der Pfarrer hatte zwar fast alle Sonntage
in der Stadtkirche zu predigen, wohnte aber in Altmügeln,
während umgekehrt der Mügelner Diakonus aller vierzehn
Tage in Altmügeln Nachmittagsgottesdienst hielt. Der damalige
Pfarrer von Alt- und Neumügeln, Carl Christian Fritzsch, war
eine eigenartige Persönlichkeit. Auf ihn und seinen Amtskollegen,
Diakonus Gustav Adolph Nicolai in Mügeln, können sich
unsere Gemeindeglieder noch gar wohl besinnen. Von Pastor Fritzsch
wird noch heutigen Tages mancher originelle Zug berichtet, und
seine Predigten, die 1850 im Verlag von G. A. Schurig in Mügeln
erschienen und ziemlich weite Verbreitung fanden, werden noch immer
in alteingesessenen Familien unseres Niederlandes geschätzt
und gelesen.
Das kirchliche Leben scheint damals ziemlich rege gewesen zu sein.
Die Kommunikantenzahl betrug im Jahre 1838 in Mügeln und den
sieben Oberdörfern 3167, im Jahr zuvor noch 341 mehr, 1912
dagegen, trotzdem dass die Parochie Mügeln jetzt ca. 1000
Seelen mehr zählt, nur 1213! In der alten sächsischen
Kirchengalerie schreibt Fritzsch selber: „Zu rühmen
ist die Kirchlichkeit in hiesiger Parochie; denn an Sonn- und Festtagen
ist der Tempel des Herrn von großen Scharen Hörern besucht.“ Nicht
bloß die eignen Gemeindeglieder kamen fleißig zum Gotteshause,
sondern auch Auswärtige fanden sich vielfach ein, um den kraftvollen
und originellen Prediger zu hören. Freilich wehe, wenn einer,
vom langen Weg ermüdet, in sanften Kirchenschlaf versank:
Er musste gewärtig sein, von dem Mann da oben auf der Kanzel
etwas unsanft aus seinen Träumen aufgerüttelt zu werden. „Weckt
mir mal den Schläfer auf!“ Das hat Fritzsch mehr als
einmal in die Gemeinde hineingerufen. Auch sonst konnte er ziemlich
persönlich werden und scheute sich nicht, offenbare Sünden öffentlich
zu geißeln, ohne Rücksicht auf Stand und Person. Einem
Kirchen- und Abendmahlverächter, der trotz ernstlicher Vermahnung
der Kirche bis an sein Lebensende fernblieb, sollte er einst die
Grabrede halten. Ja, was sollte er sagen? „Der Mann hat gelebt
und ist gestorben; mehr weiß ich nicht zu sagen.“ Das
war seine ganze Grabrede!
Das bedeutendste kirchliche Ereignis während Fritzsch’s
Amtstätigkeit war die Jubelfeier am 31. Oktober 1839 zur Erinnerung
an die vor 300 Jahren erfolgte Einführung der Reformation
in Sachsen. Es muss ein großartiges Fest gewesen sein! Schade,
dass wir die Predigt von Pastor Fritzsch über 1. Könige
8, 56-60 nicht in seiner Predigtsammlung haben. Wie mögen
die Gemeindeglieder, die die Kirche bis zum letzten Platz füllten,
gelauscht haben! Und eine tiefe Bewegung ging durch die vielhundertköpfige
Menge, als nach der Predigt das heilige Abendmahl feierlich begangen
ward. Zwar mutet es uns seltsam an, dass während des Gesanges
der Einsetzungsworte: „Das ist mein Leib … das ist
mein Blut“ draußen vor der Kirche das Schützen-
und Jägerkorps eine dreifache Salve abgab, aber es galt die
Bedeutung des Sakraments in beiderlei Gestalt nach evangelischem
Ritus äußerlich zum Ausdruck zu bringen. Die Kirche
selbst prangte in festlichem Schmuck. An sich sah sie freilich
damals bei weitem nicht so schön aus wie heute. Gleichwohl
aber mag die Kirche sich damals beim Reformationsjubiläum
ganz nett ausgenommen haben. Kanzel und Altar trugen eine neue
Festbekleidung von rotem Tuch mit Goldbesatz. Auf dem Altar stand
das große Kruzifix, das nach Fritzsch’s Angaben gerade
200 Jahre alt wurde und als Jubiläumsgabe aus dem Kirchenärar
(Etat) ein neuer Kelch und zwei neue silberne Altarleuchten. An
Stelle des alten Taufsteines war ein neuer gestiftet worden, von
Tischlermeister Frommann in Mügeln entworfen und gefertigt.
Die Orgel mag dem damaligen Kantor und Organisten Gast einige Schwierigkeiten
bereitet haben, denn infolge „fehlerhafter Temperatur konnte
sie zur Begleitung der Kirchenmusik kaum gebraucht werden“,
aber doch brausten die alten Reformationslieder mächtig durch
den hohen Hallenbau. Alles in allem eine erhebende Jubiläumsfeier,
die die Herzen höher schlagen ließ. (Pastor Michael)
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