Osterspaziergang
Von Mügeln nach Schrebitz
In den letzten Tagen hat sich nun der Frühling endgültig
durchgesetzt. Viele Menschen treibt es wieder „in die Natur“.
Das man deshalb nicht hunderte Kilometer mit dem Auto fahren muss,
um dann „gestresst“ einige Meter zu laufen, immer mit
dem Gedanken der Heimfahrt im Hinterkopf, möchte ich mit diesen
Zeilen zeigen.
Wir treffen uns auf der Kreuzung Mügeln – Schlagwitz,
Grauschwitz – Gaudlitz. Nun gehen wir die Straße hinab
nach Schlagwitz. In der Kurve, am Fuße des Berges sehen wir
Großöhmes Gasthof „Zu den dreizehn Quellen“.
Dieser Gasthof besteht in dieser Gestalt, außer einigen Metern
Anbau zur Straße, seit 1835. Bis ca. 1932 hieß der
Wirt Geißler, er soll ein „Unikum“ gewesen sein.
Geißler, Max trank selbst gern und grüßte zu jeder
Tageszeit mit „Guten Morgen“ und wurde deshalb allgemein
der „Guten-Morgen-Wirt“ genannt. Er holte jeden Krug
einzeln aus dem heute noch rechts neben dem Gasthof liegenden Bergkeller.
Nach Geißler Max war ein gewisser Ebert Wirt in Schlagwitz.
Und im Jahre 1934 übernahm die Familie Großöhme
den Gasthof, den sie schon vorher gekauft hatten. Sie führten
die schon erwähnte Vergrößerung durch, bauten und
verschönerten den Gasthof und nannten ihn „Zu den dreizehn
Quellen“. Bis dahin hieß der Gasthof „Zur Bremse“.
Zur Einweihung soll es ein riesiges Fest gegeben haben. 1994, wenn
der Gasthof „Zu den dreizehn Quellen“ 60 Jahre von
der Familie Großöhme bewirtschaftet wird und 1995 zum
160jährigen Jubiläum, wird es wahrscheinlich ähnlich
riesige Feste geben.
Rechts neben dem Gasthof, oberhalb des Kellerberges, wo sich das
schmucke Eingenheim erhebt, befand sich früher ein in der
Mügelner Gegend bekannter Kirschberg. Alte Mügelner erinnern
sich, wie sie als Kinder dort manchen „Raubzug“ durchgeführt
haben.
Der Weg in östlicher Richtung führt in den Schlagwitzer
Grund. Für uns als Kinder war es die „Grauschwitzer
Schweiz“. Wenn wir einige Schritte auf diesem Weg gehen,
sehen wir das noch gut erhaltene Bauerngut Kohl. Gegenüber
am Hang stand die Schlagwitzer Mühle. Sie hatte ein oberschlächtiges
Rad, und war für Kinder immer ein Anziehungspunkt. Neben der
Mühle ging ein schmaler Fußweg in den Grund.
Über den Grund fuhr auf „hohem Viadukt“ die Kleinbahn
in Richtung Döbeln. Der Fußweg gabelte sich hinter dem
Grund und führte als Schulweg durch die Felder nach Goseln,
der andere Weg führte durch eine romantische „Hohle“,
unter hohen Bäumen nach Grauschwitz. Vor allem im Frühjahr
ein wunderschöner Weg. Hier kannten wir „unsere Flecken“,
wo wir uns als Kinder Veilchen und Himmelschlüssel holten.
Von diesem Grund gab es sogar einmal eine Ansichtskarte. Doch gehen
wir die paar Schritte zurück zum Gasthof. Lassen wir uns von
ein wenig Dreck am Anfang des Weges nicht stören. Dann der
gesamte Weg ist einwandfrei sauber. Nur diese paar Meter neben
dem Gasthof sind eigenartigerweise immer etwas verschlammt. Hinter
dem Gasthof befand sich einmal eine Schmiede. Dahinter das kleine
Häuschen war das Gemeindehaus, wo die Gemeinde für minder
bemittelte ein Unterkommen geschaffen hatte. Nur war es eben vor
100 Jahren noch mit Stroh gedeckt.
Nun laufen wir also auf der alten Chaussee Mügeln, Ostrau,
Döbeln. Die parallel verlaufende Straße wurde erst 1865
als Verbindung von Mügeln nach Ostrau erbaut. Zur linken kommt
uns der Schrebitzbach entgegen. Als Kinder fingen wir noch um 1948/49
in ihm Schildkröten und Muscheln. Durch Meliorationsarbeiten
wurde hier vieles zerstört. Auch der gesamte Bewuchs, oberhalb
des Mühlteiches an dem wir nun vorbeigehen, wurde, tatsächlich
sinnlos abgeholzt. Den Mühlteich haben sich vor Jahren die
Mügelner Angler hergerichtet. Einige Schritte hinter dem Mühlteich
kommt von rechts aus dem „Grund“, auf alten Flurkarten
Grundholz, ein kleines sauberes Bächlein. In diesem Grund
fand man im Jahre 1852 Braunkohle. Als nach dem Kriege die Feuerung
sehr knapp war, erinnerte man sich dieser Angelegenheit und baute
Untertage diese Kohle ab. Das Zeug war unglaublich nass. Mit dem
Handwagen haben wir auch solche „Kohle“ geholt. Als
dann einmal die Pumpen ausfielen, ist der ganze Schacht zusammengerutscht.
Nun beginnt unser Weg etwas zu steigen. Der Schrebitzbach, seines
gesamten Baumbewuchses entkleidet, fließt inmitten der Wiesen
dahin, vor vielen Jahren wuchsen auf diesen Wiesen noch Märzenbecher
und Himmelschlüssel. Drüben am Hange der Chaussee kannten
wir große Flecken von Veilchen. Als Kinder legten wir uns
dann immer auf den Hang und atmeten tief den Veilchenduft ein.
Wir gehen den Weg, welcher sich am Hang emporwindet. Gegenüber
von der Höhe grüßt das Grenzholz. Der ganze Hang
darunter ist mit Sauerkirschen bepflanzt. Ein schöner Anblick
zur Blütezeit. Die Gebäude unterhalb des Grenzholzes
waren einmal eine weitbekannte Ziegelei.
Nach wenigen hundert Metern sehen wir rechts in den Feldern ein
Gehölz, das ist „die Lauge“. Dort sieht man zu
fast jeder Jahreszeit Rehe stehen, oder sie sonnen sich in der
Frühlingssaat. Mit einem Fernglas kann man sie im hellen Sonnenlicht
betrachten. Sie scheinen genau zu wissen, dass ihnen auf diese
Entfernung nichts passieren kann. Rehe sieht man hier häufiger
als Hasen, der Hasenbestand hat augenscheinlich in den letzten
Jahren wieder abgenommen.
Nun gehen wir bis zu der Wegekreuzung. Links unten sehen wir Lüttnitz,
rechts führt der Weg über die Höhe nach Gaudlitz.
Auf der Höhe stand die Lüttnitzer Windmühle. Vor
Jahren standen noch die Wirtschaftsgebäude, sie wurden dann
von der LPG geschleift. Die Windmühle ist schon vor vielen
Jahrzehnten dem Sturm zum Opfer gefallen. Der letzte Besitzer des
Anwesens war Kutzken „Männe“. Er war ein allseits
bekanntes und beliebtes Mügelner Original. Bis in´s
hohe Alter brachte er mit seinen „Häbbeln“, so
nannte er seine Pferde, den Leuten Sand in die Stadt. Er grüßte
jeden freundlich zu jeder Tageszeit, mit Guttn Frieh!“ Viele
Mügelner werden sich noch an ihn erinnern. Hatten doch alle
gehofft, dass er den 100. Geburtstag feiern könnte. Aber dann
war er doch plötzlich gestorben.
Wenn man über die Höhe geht, kommt man in den Alchergrund
und von dort hinauf nach Gaudlitz. Entgegengesetzt wo der Weg auf
die Döbelner Chaussee trifft, war der Lüttnitzer Bahnhof. Über
dem Hang des Grenzholzes kreist ein Roter Milan und über dem
Tal beobachten wir die Flugspiele einiger Bussarde, aber wir gehen
nun etwas bergab in das Tal des Bielbaches. Tief eingeschnitten
in seinem Bett kommt hier der Bielbach aus seinem Tal herab. Bei
starkem Regen muss er ein tüchtiges Hochwasser führen.
Hat er es doch vor Jahren geschafft, die uralte gewölbte Straßenbrücke
zu zerstören. Nun führt eine eiserne Fußgängerbrücke über
den Bach. Wie bleiben ein wenig auf der Brücke und sehen in
das Tal des Bielbaches. Da die Bäume nicht belaubt sind, sehen
wir die Gebäude der ehemaligen Bielmühle, welche romantisch
und zerfallen im Tale liegt und den Kroppach. Der Kroppach ist
ein Kirchgut, welches die Zeiten überdauert hat. Der Bielbach
mündet in Lüttnitz in den Schrebitzbach. Bevor wir nun
den schnurgeraden Weg den Nussberg emporgehen, sehen wir noch über
das verfallende Gut nach dem Schrebitzbach, welcher sich von uns
endgültig trennt und im weiten Bogen entlang der Straße
den Nussberg umgeht.
Wir aber gehen die uralte Straße, welche hier von riesigen
Apfelbäumen begleitet wird, den Berg hinauf. Man kann gar
nicht glauben, dass sich unter dem wunderbaren Wiesenweg eine befestigte
Straße befindet.
Oben angekommen, sehen wir auf das in einem wunderschönen
Tale liegende Schrebitz herab. Bis hierher sind wir ungefähr
2,5 Kilometer gelaufen. In der Mitte des Dorfes auf einem Geländesporn
befindet sich auf dem Burgberg die Kirche. Die Laterne ihres Turmes
hatte uns auf unserem Weg schon einige Male über dem Nussberg
gegrüßt. Schrebitz, wird vom Kiebitzberg und dem Sandberg
vor den rauen Ostwinden geschützt. Eigenartig, wie sich die
Kirche auf ihrem Berg inmitten des Dorfes erhebt. Sie soll sich
auf dem ehemaligen Burgward befinden, zu dem vor fast 1000 Jahren
unser Mügeln gehörte. Serebez, war einer der Burgwarde
im Gau Deleminzie. In einer Schenkungsurkunde vom Jahre 1064 hat
die Kaiserin Agnes ein 50-Hufengut im Gau Serebez an die Stiftskirche
zu Meißen zum Nutzen des Domkapitels geschenkt. Da der einzige
bischöfliche Besitz in diesem Gebiet das spätere Mügelner
Kammergut ist, vermutet man wohl zu recht, das dies die damalige
Schenkung war. Die Straße welche wir hierher nach Schrebitz
gekommen sind, ist demnach einer der ältesten Wege unserer
Heimat und die alte belegte Verbindung von Schrebitz nach Mügeln.
Wir gehen nun den Berg hinab durch den Ortsteil Görlitz nach
Schrebitz. Vorbei an schmucken Eigenheimen und einigen liebvoll
hergerichteten Fachwerkhäusern gelangen wir in d das Zentrum
des Ortes. Wo wir von Görlitz auf die Straße kommen,
treffen wir auf einen alten Bekannten, den Schrebitzbach, welcher
hier Krebsbach heißt. Der Weg gegenüber führte
zum Bahnhof Döbeln Nord. Oberhalb im Birkenholz befindet sich
ein ehemaliger Kalkofen. Nun aber die Dorfstraße entlang
zur Dorfmitte. Der freie Platz, rechts der Straße, bevor
wir an das schöne Fachwerkhaus der Pfarre kommen, war der
Standort der Brauerei. Sie musste abgerissen werden, das sie drohte,
die Leute auf der Straße zu erschlagen, was ja wahrlich kein
schöner Tod ist. In einer Brauerei zu ertrinken, na ja, aber
von einer Brauerei erschlagen zu werden?
Nun stehen wir inmitten des Dorfes vor dem Kirchberg. Wir haben
jetzt drei Möglichkeiten uns im Dorf „umzusehen“.
Geradeaus auf den Kirchberg, wir können uns die Kirche ansehen.
Sie soll ein wunderbares Rippengewölbe haben. Gehen wir auf
der gegenüberliegenden Seite die Stufen ins Dorf hinab, so
kommen wir zur Vogtsgasse.
An der Ecke der Gasse wohnte der letzte Gerichtsvogt von Schrebitz,
Christian Friedrich Warnatz. Er starb 1835 mit 86 Jahren. Das war
in der damaligen Zeit ein biblisches Alter. Der Gerichtsvogt von
Schrebitz unterstand dem Schulamt Meißen und ihm wiederum
unterstanden 16 Dörfer. Als er sein Amt niederlegte, kam das
Gerichtsamt Schrebitz zum Justizamt Mügeln. Das war dann sozusagen
der letzte Akt unserer ehemaligen „Hauptstadt“. Mügeln
hatte sich in den Jahrhunderten doch immer mehr zu einem kleinen
politischen und wirtschaftlichen Zentrum „emporgearbeitet“.
Und Schrebitz war zu absoluter Bedeutungslosigkeit herabgesunken.
In der Geschichte unserer Heimat gibt es viele ähnliche und
noch viel gravierendere Beispiele. Wenn wir im Pfarrhaus nachfragen
und uns die Kirche zeigen lassen, werden wir wohl auch erfahren,
warum der Kirchturm auf uns einen so „gedrückten“ Eindruck
macht. Der Kirchturm war wieder einmal baufällig geworden.
Und dam man 1972 absolut nicht das Holz dazu auftreiben konnte,
wurde der Turm eben so wie er jetzt ist. Vorher war er 36 Meter
hoch.
Wären wir vor dem Kirchberg, welcher in der „Alten
Kirchengalerie“ noch Burgberg genannt wird, nach rechts abgebogen,
so gelangen wir nach wenigen Metern zu einem Sühnekreuz, in
der Form eines Andreaskreuzes. Von ihm geht die Sage, dass unter
ihm ein Schmiedemeister mit seinen zwei Gesellen begraben wäre.
Sie sollen zu den Mügelner Schützen gehört haben,
welche im Dreißigjährigen Krieg die Schweden bis Kiebitz
verfolgt haben, und dann hier erschlagen wurden. Linker Hand des
Sühnekreuzes ist das Lorenzsche Gut. In diesem Gut befindet
sich eine sehr gut erhaltene Kumthalle. Mir wurde gesagt, man könne
ruhig ein paar Meter in den Gutshof hineingehen, um sich diese
Kumthalle anzusehen, der Besitzer würde nicht beißen!
Wenige Meter weiter befindet sich der „Gasthof Schrebitz“.
Er hat Sonnabend und Sonntag geöffnet und soll einen sehr
guten und preiswerten Mittagstisch anbieten.
Gehen wir aber die Dorfstraße wieder zurück bis an
das untere Ende des Dorfes, so kommen wir an die „Bachschenke“,
eine neu eingerichtete Gaststätte im rustikalen Stil. Hier
ist täglich geöffnet ab 16 Uhr, zusätzlich Mo – Frei
9 – 13 Uhr und es gibt schmackhafte Speisen und preiswerte
Biere. Wenn man mehr trinkt, als ein guter Fußgänger
verträgt, so fährt einen der Wirt nach Hause. Aber wir
wollen doch noch einen kleinen Spaziergang machen und gehen unseren
Weg zurück. Man kann auch durch den Archengrund über
Zävertitz und Gaudlitz zurückgehen.
Besonders Mutige können auch von Görlitz über die
Straße nach dem Grenzholz emporsteigen und von dort nach
Mügeln zurückkehren. Einen Vorteil hat unser Wanderweg
nach Schrebitz, wir haben keinerlei Belästigung durch Kraftfahrzeuge
und das ist ja auch mal sehr schön.
Der Heimatverein Mügeln wird bald einmal zu einer Wanderung
nach Schrebitz einladen. Wenn Sie nicht allein gehen wollen, kommen
Sie mit uns mit, das wünscht sich
Günter Thiele
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