Online-Chronik der Stadt Mügeln
 
Orts Gesetz der Stadtgemeinde Mügeln über die Einrichtung einer „Freibank“

§ 1
alle auf Grund §12 Absatz 4 des Gesetzes vom 1. Juni 1898 von dem Fleischbeschauer für nicht bankwürdig (minderwertig) erklärten Fleisch- bez. Eingeweideteile im Gemeindebezirk geschlachtete Tiere sind in Gemäßheit von § 13 Absatz 4 dieses Gesetzes der Freibank (Verkaufsstelle) mit der Beschränkung zu überweisen, dass sie dem Besitzer, welcher nicht selbst Fleischer, Fleischhändler oder Gast, Schank bez. Speisewirt ist, zur Verwendung im eigenen Haushalte nicht vorenthalten dürfen.

§ 2
Auch eingeführtes Fleisch, welches der Beschau unterliegt und hierbei als nichtbankwürdig befunden wird, ist der Freibank zu überweisen.

§ 3

Nichtbankwürdiges Fleisch auswärts, aber im Bezirke der königlichen Amtshauptmannschaft Oschatz geschlachteter Tiere, kann mit Genehmigung der Ortspolizeibehörde in die Freibank aufgenommen werden.

§ 4
Auch die Bewertung herrenlosen Fleisches auf der Freibank ist zulässig.

§ 5
Auch an sich bankwürdiges Fleisch kann auf Antrag des Besitzers mit Genehmigung der Ortspolizeibehörde der Freibank überwiesen werden.

§ 6
Das der Freibank überwiesene Fleisch hat der Besitzer unter Aufsicht eines Polizeiorganes, entweder sofort in ausgeschlachtetem Zustande in den betreffenden Verkaufsraum zu schaffen, oder auf seine Kosten schaffen zu lassen. Ist dies zurzeit untunlich, so ist das Fleisch einstweilen auf Kosten und Gefahr des Besitzers unter polizeilichem Verschluss zu halten.


§ 7

Als Freibank gilt derjenige von der Stadtverwaltung bestimmte Raum oder die von der Ortspolizeibehörde bestimmte Verkaufsstelle, welcher bez. welche durch eine deutliche außen angebrachte Aufschrift mit „Freibank“ bezeichnet ist.

§ 8
Die Freibank steht unter polizeilicher und tierärztlicher Kontrolle. Der Verlauf des Fleisches auf der Freibank findet unter polizeilicher Aufsicht durch den von der Ortspolizeibehörde angestellten Freibankverkäufer statt. Die Ortspolizeibehörde setzt frei, zu welcher Tageszeit und zu welchen Stunden der Verkauf stattfindet. Die festgesetzten Gebühren sind vor dem Verkaufe von dem Besitzer an die Stadthalle abzuführen.

§ 9
Etwaige Bekanntmachungen des Verkaufs erfolgen auf Kosten des Besitzers, Pfundpreis und der Grund der Nichtbankwürdigkeit des Fleisches ist in der Bekanntmachung anzugeben.

§ 10
Bei dem Verkauf des Fleisches darf eine Bevorzugung einzelner Personen, insbesondere die Ausgabe bevorzugter Fleischteile nicht stattfinden.

Ebenso ist dem Freibankverkäufer ein Vorverkauf, sowie ein Zurückhalten bestellter oder Nichtbestellten Fleisches für andere und für sich verboten. Werden mehre Tiere derselben Gattung verpfundet, so darf mit dem Verkauf des zweiten nicht früher begonnen werden, als bis das Fleisch des ersten Tieres vollständig verkauft ist.

§ 11

Der Preis des Fleisches bestimmt die Ortspolizeibehörde nach Gehör des Besitzers und Tierarztes endgültig. Der Preis muss mindestens ¼ unter dem ortsüblichen Verkaufspreis (Ladenpreis) des vollwertigen Fleisches derselben Art bleiben.


§ 12

Falls das Fleisch durch das Lagern oder sonstige Einflüsse minderwertig wird, so kann die Ortspolizeibehörde jederzeit nach Gehör des Tierarztes den nach § 11 festgesetzten Preis herabsetzen und im Falle der etwa eingetretenen Verderbnis jederzeit die Unschädlichmachung des Fleisches vornehmen.

§ 13

Der Fleischpreis muss durch eine deutlich beschriebene, in dem Verkaufsraume oder an der Verkaufstelle angebrachte und leicht sichtbare Tafel mit Angabe der Tiergattung, von welcher das Fleisch stammt und des Grundes der Überweisung des Fleisches zur Freibank bekannt gemacht werden. Desgleichen ist in der Freibank bez. an der Verkaufsstelle ein Anschlag anzubringen, in welchem das Publikum aufgefordert wird, hier gekauftes Fleisch, soweit dasselbe im rohen Zustande angegeben wird, vor dem Genusse gut durchzukochen.

§ 14

Der Verkauf des Fleisches und Fettes und aller Eingeweidteile auf der Freibank erfolgt hinsichtlich des Fleisches in Mindermengen von 250 Gramm, im Übrigen von 100 Gramm, und darf nur zum eigenen Gebrauche des Käufers und nur in Gewichtmengen bis höchstens 3 Kilogramm stattfinden.

§ 15

Dem Fleischkäufer werden das frische Freibankfleisch und das Fett (nicht die Eingeweide) zugewogen und zwar nur in vollständigen Ausgefühltem Zustande.
Auch die Gewichtsbestimmung der der Freibank überwiesenen Fleisch- und Eingeweideteile im gekochten, gedämpften oder ausgeschmolzenen Zustande erfolgt nur nach vollständiger Auskühlung. Bei gekochtem Fleische kann die Brühe zugegeben werden. Bei abgemagerten Tieren können nach Gehör des Tierarztes die Röhrenknochen entfernt und von dem Gesamtgewicht in Abzug gebracht werden. Bei der Preisbestimmung der Eingeweide als Herz, Lunge, Milz, Magen, Euter, ferner Kopf ohne Zunge, welche wie die Leber, dem Fleische zuzurechnen ist, wird bei den Rindern ein Drittel, bei den Eingeweiden (mit Ausschluss der Leber), dem Kopfe und den Füßen der Schweine und des sonstigen Kleinviehs die Hälfte des für das Tier nach § 11 festgesetzten Fleischpreises berechnet.

§ 16

Dem Besitzer wird bei dem Auspfunden von rohem Fleisch und Fett (auf Eigeweideteile wird nichts zurückgerechnet) als Gewichtsverlust bei Rindern und Schweinen 7% vom gekochten Fleische 10%, bei Kälbern und Schafen der Wert eines Kilogramms für das Stück gekürzt.

§ 17

Für jedes verkaufte Kilogramm Fleisch, Fett oder Eingeweide hat der Besitzer 4 Pfennige Gebühr an die Stadtkasse zu entrichten. Außer diesen Gebühren sind bei der Benutzung der Bank bez. Verkaufstelle noch zu berechnen und in Abzug zu bringen:
für ein Stück Großvieh 5 Mk. – Pfg.,
für ein Schwein 2 Mk. – Pfg.,
für ein Stück sonstiges Kleinvieh - Mk. 75 Pfg.,
für einzelne Tierteile und Fett für
jeden angefangenen Zentner (50
Kilogramm) - Mk. 50 Pfg.,
für das erforderliche Kochen
(Sterilisieren) eines Rindes, 5 Mk. – Pfg.,
eines Schweins 1 Mk. – Pfg.,
eines sonstiges Kleinvieh 1 Mk. – Pfg.

Straßenbestimmungen


Zuwiderhandlungen werden mit Geldstrafe bis 75 Mark – Pfg. oder bis zu 8 Tagen Haft geahndet, soweit nicht nach allgemeinen Strafgesetzten härtere Strafen einzutreten haben.

Dieses Statut tritt am 1. Juni 1900 in Kraft.
MÜGELN, am 30. April 1900.

gez.: Theodor Börngen, Bürgermeister
(L. S.) gez.: R. Liesche
gez.: Dr. Klinger.

Nr. 647e II. M.
Zu Nr. II E 933.

Das vorstehende Ortsgesetzt wird genehmigt.
DRESDEN, am, 12. Juli 1900-
Ministerium des Innern,
(L. S.) gez.: v. Metzsch.