Online-Chronik der Stadt Mügeln
 

Ofen- Porzellan- und Tonwarenfabrik Mügeln GmbH

Am Westrande von Mügeln, angrenzend an die Schützenwiese erheben sich, leicht zu erken-nen an den zahlreichen größeren und kleineren Schornsteinen, die langgestreckten Gebäude der Ofen-, Porzellan- und Tonwarenfabrik Mügeln GmbH. Begründet im Jahre 1895, hat sich dieses industrielle Unternehmen im Laufe der dreißig Jahre immer weiter ausgebreitet und beschäftigt heute gegen 300 Angestellte und Arbeiter. Der größte Teil von ihnen ist schon seit vielen Jahren im Werke tätig und eng mit ihm verwachsen; 21 Jubilare können auf eine 25jährige und längere Tätigkeit in der Ofenfabrik zurückblicken.
In zwei Hauptbetriebszweige gliedert sich heute das Unternehmen, in die Ofenabteilung, aus der Kachelöfen aller Arten von künstlerisch gestalteten Luxusofen bis zum einfachen Sied-lungsofen und Küchenherd hervorgehen, und in die Wandplattenabteilung die farbige und weiße Steingutplatten und vielgestaltige Baukeramiken herstellt.
Die aus der Mügelner Ofenfabrik hervorgegangenen Öfen haben sich heute ganz Deutsch-land als Absatzgebiet erobert Wie in unserem engeren Vaterland spenden Mügelner Kachel-öfen heute in Bayern und am Rhein, in Schleswig-Holstein wie in Oberpreußen behagliche Wärme als Mittelpunkt häuslichen Glücks. Schon seit Jahrhunderten ist der Kachelofen in Deutschland geschätzt als künstlerischer Schmuck des Hauses, dem Geschmack der ver-schiedenen Zeiten ist seine äußere Gestaltung gefolgt und, um seinem Zweck als Wärme-spender zu entsprechen, ist seine innere Einrichtung technisch immer weiter vervollkommnet worden.
Die Erzeugnisse der Wandplatten-Abteilung dienen ebenfalls der künstlerischen Ausschmü-ckung des Hauses. Wundervolle Farbenwirkungen lassen sich in Fluren und Hallen, in Ver-kaufsläden und Geschäftsräumen mit den sogenannten Kunstglasuren erreichen. Immer mehr bürgert sich die Verwendung keramischer Platten zur Bekleidung von Wänden ein, die die großen Vorzüge der fast unbegrenzten Haltbarkeit mit der außerordentlichen Sauberkeit bei künstlerischer Wirkung vereinen. Bäder und Küchen, Krankenhäuser und viele ähnliche Räume sind heute ohne die glänzenden, schneeweißen Platten kaum noch denkbar. Die Mü-gelner Wandplatten sind heute ein wichtiger Exportartikel geworden und tragen so ihren Teil mit bei zum Wiederaufbau unseres Vaterlandes. Nach allen Erdteilen werden sie heute ver-sandt. In den meisten europäischen Ländern erfreuen sie sich großer Beliebtheit. Die Hallen prächtiger Bankgebäude in Brasilien, große Schwimmbäder in Argentinien, Bahnhofshallen in den Vereinigten Staaten, kühle Klubräume im heißen Indien und moderne Geschäftshäuser im fernen China sind mit Mügelner Wandplatten geschmückt.
Die mannigfachen Erzeugnisse erfordern zu ihrer Umwandlung aus dem Rohstoff umfang-reiche Betriebseinrichtungen und das Ineinandergreifen gar vieler Hände. Kaolin und Ton sind die Hauptrohstoffe der keramischen Industrie. Die Fabrik besitzt in unmittelbarer Nähe, in Poppitz, eine eigene Kaolingrube, in der in bergmännischem Betriebe eine vorzügliche und weitgeschätzte Porzellanerde gewonnen wird. Andere Rohmaterialien rollen von der Staatsbahn auf Schienensträngen, die überall bis in die entlegensten Gebäude führen, direkt bis an ihre Verwendungsstelle. Durch die verschiedenartigen Maschinen und Apparate er-folgt die Aufbereitung und Verfeinerung der Rohmaterialien. Die so vorbereiteten Rohstoffe gelangen nun zur eigentlichen Formgebung, sei es als weicher knetbarer Ton, aus dem die geschickte Hand des Töpfers mittels Formen und Schablonen die einzelnen Teile des Ka-chelofens formt, oder sei es die zu seinem Pulver gemahlene Steingutmasse, aus der in zahl-reichen Pressen unter großem Druck auf maschinellem Wege die Wandplatten entstehen. Hieran schließt sich das Brennen der Ware. In 16 Brennöfen verschiedener Bauart werden die getrockneten Formlinge bis auf Temperaturen von 1000 bis 1300 Grad Celsius erhitzt und erhalten dadurch Härte und Festigkeit. Nach dem ersten Brande werden sie noch mit dem sogenannten Glasurüberzuge versehen und einem zweiten Brande ausgesetzt, der die-sem Überzug die Bekannte glänzende und in den verschiedensten Farbtönen leuchtende O-berfläche verleiht. Weitere Verzierungen werden durch Bemalen von Hand, durch Bedrucken oder mittels Abziehbildern und Schablonen hergestellt und müssen zum Teil noch einen drit-ten Brand durchmachen. In den verschiedenen Pack- und Lagerräumen werden die Waren nun zur Reise in die weite Welt fertig gemacht.
Zahlreiche Nebenwerkstätten erfordert noch der umfangreiche Betrieb, da ist die Schlosserei, Schmiede, Tischlerei, Modelleur- und Formengießerwerkstatt, Kesselanlage und Dampfma-schine erzeugen die erforderliche Antriebskraft für die Arbeitsmaschinen, und in einer Gas-erzeugungsanlage wird aus Braunkohlenbriketts Gas zur Beheizung der Brennöfen gewon-nen. Aufenthalts-, Wasch- und Baderäume dienen dem Wohle der Arbeiterschaft. (aus dem Heimatbuch von 1925)