Online-Chronik der Stadt Mügeln
 
Mügelns neuer Krankentransport

16. Januar 1936! Dieser Tag wird für das Deutsche Rote Kreuz, Sanitätskolonne Mügeln, für alle Zeiten ein denkwürdiger Tag in der Geschichte steten Fortentwicklung sein. Schon seit langem reifte ein Plan heran. Beschaffung eines neuen modernen Krankentransportwagens. Zwar hat die Kolonne bereits einen Krankentransportkraftwagen, aber dieser ist schon 6 Jahre alt. Das dieser Wagen einmal durch ein modernes Fahrzeug ersetzt werden musste, lag auf der Hand. Zwar verrichtete er noch treu seine Dienste, aber vom Standpunkt einer Zeitgemäßen Krankentransportbeförderung aus, genügte er nicht mehr den Ansprüchen. Und schließlich ist es ja ein ebenso erstrebenswertes wie segenreiches Ziel, auch die Sanitätskolonne mehr und mehr zu motorisieren. Die Mittel, die für diesen Zweck freigemacht werden mussten, sind ja nicht für ehrgeizige Zwecke der Kolonne aufgewendet, sondern einzig und allein im Interesse des Wohles der Allgemeinheit. Mit diesem neuen Transportwagen ist die unbedingte gewähr für eine außerordentlich schonende und schnelle Transportierung von Kranken und Verletzten geboten. Das wird sich im Ernstfalle zeigen! So ist Mügelns Einwohnerschaft von Herzen dankbar all den Männern, die sich für die Beschaffung des Wagens eingesetzt haben und manchen Anfeindungen zum Trotz das Ziel erreicht haben. So gebührt an erster Stelle dem Kolonnenführer Rasch und unserm Bürgermeister albrecht Dank. Beide haben in dieser Hinsicht ihr gestecktes Ziel erreicht. Wie Kolonnenführer Rasch sich um den Ausbau der Kolonne unermessliche Verdienste erworben hat und diese mit der Beschaffung des neuen Krankenwagens erneut unter Beweis gestellt wurden sind, so hat unser Stadtoberhaupt andererseits seine Bemühungen um das wohl seiner Mügelner Einwohnerschaft zu einer erneuten Tatsache werden lassen. Ferner gebührt herzlicher dank denjenigen Volksgenossen, die durch teilweise Namhafte Spenden mit dazu beitrugen, dass die Anschaffung des Wagens alsbald zur Möglichkeit werden konnte.

Gestern Abend kurz nach sieben Uhr traf der neue Krankentransportkraftwagen in unserer Stadt ein. Fürwahr, ein schmuckes Fahrzeug, dass der Herstellerin – Phänomen – Werke in Zittau – alle ehre macht. Bei aller Zweckmäßigkeit hat man auch auf ein gefälliges Äußere Wert gelegt. Die Einrichtung des Wagens zeugt von planvoller Ausnutzung des Raumes: 2 übereinander eingebaute Tragbahren, die mit einem Handgriff leicht heraus zu nehmen sind, vor diesem Bahren ein eingebauter Sessel für leichtere Verletze oder Kranke. Somit können 3 Kranke oder Verletzte zugleich befördert werden. Außerdem weist der Wagen im inneren noch zwei Klappbare Sessel für das Begleitpersonal auf, ohne dass der Raum aber dabei beengt würde. Unauffällig ist ein Medikamentenschrank und ein weiterer Schrank für Schalen, Becken und dergleichen untergebracht. Wesentlich ist auch die Heizung des Wageninnern.

Der Wagen selbst ist – wie schön vorerwähnt – ein Fabrikat der Phänomen – Werke, gebr. Hille A. – E., Zittau. Es handelt sich hierbei um ein rein deutsches Erzeugnis, dass sich seit Jahrzehnten schon im Dienste der Reichspost, Reichsbahn, des Heeres usw. glänzend bewehrt hat. Wesentlich für die Betriebssicherheit dieses Fabrikates ist die Luftkühlung der Maschine, so dass nie Gefahr des Einfrierens und schweren Anspringens des Motors besteht. Geliefert wurde der Wagen von der Firma Walter Jähnig in Lommatzsch, die bereits vor kurzem erst auch mit der Beschaffung des Mannschaftswagens für unsere Feuerwehr betraut wurde. Auch mit dieser Lieferung hat die Firma Jähnig erneut ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt.

Auf dem Marktplatz hatte das neue Fahrzeug Aufstellung genommen, um sich gleichsam der Bevölkerung vorzustellen. Die Sanitätskolonne mit den Helferinnen des Albert-Zweig Vereins sowie das Kommando der Feuerwehr waren angetreten. Ferner wohnten der Übergabe des Wagens außer den Mitgliedern des Gemeindeverbandes zur Unterhaltung des Bezirkskrankenhauses „ König Albert-Stiftung“, die Stadträte und zahlreiche Volksgenossen bei.

In seiner Ansprache zur Übergabe des Wagens hob Bürgermeister Albrecht zunächst den Wert des Wagens im Interesse des Wohles aller hervor und streifte hierbei die Bemühungen derer, die sich um die Beschaffung des Wagens verdient gemacht haben, ihnen zugleich herzlichen Dank abstattend. Er übergab sodann den Wagen mit dem Wunsche, dass er der Allgemeinheit viel Segen bringen möge, in getreue Obhut der Sanitätskolonne.

Kolonnenführer Rasch versprach, dass die Kolonne gute Sachwalterin des neuen Fahrzeuges sein werde. Er erinnerte sodann an den früheren Krankentransport mit Siechenbahren, Tragbahren usw. Wenn man nun heute dieses Fahrzeug übernommen habe, so könne die Kolonne von Stolzer Freude erfüllt sein, dass alle Schwierigkeiten, die in Hinblick auf die Beschaffung des neuen Wagens bestanden haben, überbrückt worden sind und der Gedanke zum neuen Wagen in die Tat umgesetzt wurde. Mit den besten Hoffnungen auf dieses neue Fahrzeug und dem versprechen des steten Einsetzens der Kolonne für die Allgemeinheit, übernahm Kolonnenführer Rasch den Wagen in Obhut der Kolonne.

Nachdem alle Teilnehmer dieser öffentlichen Übergabe des Wagens denselben näher in Augenschein genommen hatten, trat er seine erste Fahrt von Mügeln aus an. Die Mitfahrer hatten so Gelegenheit, sich von den vorzüglichen Fahreigenschaften zu überzeugen.

Im „Ratsheeren und Stadtkaffee“ fand anschließend ein geselliges Zusammensein der Kolonnenmitglieder, des Feuerwehrkommandos und sonstig Beteiligter Volksgenossen statt. Bei Gesang und froher Unterhaltung, bei der die Kameraden Willi Winkler und Karl Schulze durch Vorträge überraschten, war ein Abend schönster Kameradschaft nur zu schnell dahin.

Eine Ehrung wurde dem scheitenden Kameraden Willy Schneider zuteil, der in folge Versetzung aus den Reihen der hiesigen Kolonne tritt. Kolonnenführer Rasch hob in seiner Ansprache des Kameraden Schneider stete Pflichterfüllung im dienste für das Rote Kreuz hervor und übermittelte ihm die besten Wünsche für seine Zukunft.


Mügelner Tageblatt 17. Januar 1936