Mügeln,
nicht nur eine Handwerker-.
sondern auch eine Ackerbürgerstadt!
Dass die oftmals aufgestellte Behauptung: Mügeln sei keine
Ackerbürgerstadt gewesen – nur eine, durch nichts begründete
Meinung darstellt, erhellen neue an das Licht gezogene alte Akten.
Danach hatte das Städtchen Mügeln noch um die Jahrhundertwende
einen starken landwirtschaftlichen Einschlag.
Auf Grund des großen landwirtschaftlichen Umlandes, die
Mügelner Pflege, waren in Mügeln von jeher viele Handwerker
ansässig. Aber viele Handwerker hatten selbst auch noch Feld
und Vieh. Und in der in Richtung West-Ost verlaufenden, planmäßig
angelegten Siedlungszeile lebten nach wie vor Bauernfamilien, welche
ihrer Arbeit nachgingen. Diese Besiedlung lässt sich in den,
bis in den Hack, bzw. in die Gartenstraße hinauf lang gezogenen
Grundstücken nachweisen. Verschiedentlich lässt sich
auch noch in den Grundstücken, an herrlichen alten, und zum
Teil noch gut erhaltenen, zu Ställen umgewandelten Bauernhäusern
und Bergkellern, die bäuerliche Besiedlung erkennen.
Das wird ein weites Feld für die zukünftige Stadtkernforschung
in Mügeln! Doch nun zu unseren alten Akten!
Da haben wir ein Aktenbündel über Viehzählungen
in Mügeln, von 1897 bis 1918. Sehen wir uns doch einmal an,
was da so u. a. in unserem alten Mügeln so kreuchte und fleuchte,
quiekte und blökte.
Im Jahre 1897 war Mügeln in 5 Zählbezirke eingeteilt.
Die genaue Abgrenzung der Zählbezirke wird man erst an Hand
von bekannten Namen genau definieren können.
So waren laut Zähllisten, im Jahre 1897, von 359 Grundstücken
126 mit Großvieh besetzt, ohne das Kammergut, welches ein
eigener Gutsbezirk war und zu Altmügeln gehörte. Zum
Großvieh zählte man Schweine bis Pferde. Die Zählung
wurde am 1. Dezember 1897 durchgeführt, also nach der allgemeinen „sächsischen
vorweihnachtlichen Schlachtzeit“, in der ganze Schweineherden „ausgerottet“ wurden.
Sicherte dies doch auf lange Zeit die Ernährung der Familien.
In der „Stadt“ Mügeln befanden sich demnach 101
Pferde, 162 Stück Rindvieh, 27 Schafe, 226 Schweine, 25 Ziegen,
174 Gänse (von Gänsemügeln demnach keine Spur),
25 Enten, 776 Hühner, 3 Truthähne und 59 Bienenstöcke.
In über einem Drittel aller Grundstücke befand sich
also vor knapp 100 Jahren mindestens ein Schwein, eine Ziege oder
ein Schaf. Von Geflügel gar nicht zu reden.
Die Viehzählungen wurden immer Anfang Dezember durchgeführt.
Anscheinend um nach dem Ende der „Schlachtzeit“ ein
besseres Bild vom Viehbestand zu erhalten.
Die Viehzählung 1904 brachte folgende Ergebnisse:
100 Pferde, 3 Esel, 214 Rinder, 363 Schafe, 255 Schweine, 21 Ziegen;
Federvieh wurde in diesem Jahre nicht gezählt.
Vergleichen wir die Zahlen mit denen des Jahres 1897, so ist eine
deutliche Zunahme des Viehbestandes zu verzeichnen. Auffallend
ist dies bei Rindern und Schafen. Dies hatte wohl mit der allgemeinen
Zunahme der Milchproduktion zu tun. Hier erschloss sich den Bauern
eine Einnahmequelle, denn am 23. Juli 1898 war die Dampfmolkerei
Mügeln gegründet worden, welche heute auf so schmähliche
Weise „aus dem Verkehr“ gezogen wird. Hier zeigt sich
wieder einmal, wie eng Geschichte und Gegenwart miteinander verknüpft
sind.
Die Viehzählung vom 2. Dezember 1912 brachte im Wesentlichen
die gleichen Zahlen. Das Geflügel war wieder mitgezählt
worden, im Abschlussbericht steht zusammengefasst: 1537 Stück
Federvieh und 72 Bienenstöcke. Die Pferde hatten sich auf
97 Stück verringert. Esel waren noch 3 in der Stadt. (Letztere
müssen sich erst in den letzten Jahren wieder stark vermehrt
haben!)
Vom Jahre 1918, der letzten mir zugänglichen Viehzählung,
noch einige Zahlen. Hierzu muss man aber bemerken, dass diese Zahlen
durch den 1. Weltkrieg stark beeinflusst wurden. Viele Männer
waren gefallen und die zurückgebliebenen Frauen hatten die
Landwirtschaft aufgegeben. Viele Pferde mussten als Militärpferde
gestellt werden und waren gleichfalls „im Felde geblieben“.
Dazu kam die durch die Notzeit bedingt Schlachtung von Vieh. So
wurden gezählt: 51 Pferde, 137 Rinder, 69 Schweine, 6 Schafe,
140 Ziegen, 1133 Stück Federvieh und 1437 Kaninchen.
Die letzten drei Zahlen sind eindeutig durch die Kriegszeiten
bedingt. In Notzeiten war ja von jeher die Bevölkerung auf
dem Lande den Städtern im Vorteil, da die immer noch vorhandenen
Stallanlagen und Gärten die Aufzucht vom Kleinvieh und damit
die Bereicherung des heimischen Küchenzettels begünstigte.
Die gleiche Erscheinung hatten wir ja nach dem 2. Weltkrieg nach
1945.
Blättern wir nun noch einmal in den Akten von 1912, um uns
anzusehen, wer denn nun in unserem Städtchen das Viehzeug
hielt.
So hatten u. a. in der Hauptstraße Martin Striegler 2 Schweine;
Josef Hurth 1 Esel; Hermann Wilhelm 2 Pferde, 1 Ziege und 7 Hühner;
Bruno Herzog 1 Pferd; Richard Schedler 1 Schwein; Karl Hetze und
Otto König hatten jeder nur Hühner; Paul Zaspel hatte
11 Hühner und Max Söldner besaß 1 Pferd und 5 Schafe;
Max Kerl 2 Pferde, 8 Schweine, 2 Hühner; Karl Grundmann 1
Pferd, 1 Schaf, 14 Hühner; Gustav Pilz 5 Hühner; Köpping
1 Pferd.
In der Gartenstraße besaß Robert Schumann 9 Pferde,
14 Rinder, 21 Schweine, 219 Hühner, Gänse und 11 Bienenstöcke;
Gerhard Leuschner besaß 1 Pferd und 11 Schweine; Heinrich
Dähnert 2 Schweine, 1 Ziege und Heinrich Rödel 3 Pferde.
In der Grimmaer Straße (heute Ernst-Thälmann-Straße)
hatte Emil Colditz 2 Schweine; Arthur Risse 2 Pferde, 2 Schweine;
Hermann Möller 1 Pferd, 13 Hühner, Friedrich Rödel
1 Pferd, 1 Schwein, 26 Hühner, Otto Grundmann 4 Pferde, 6
Rinder, 29 Stück Federvieh, 2 Bienenstöcke; Hugo Köhler
2 Pferde; E. Schönherr 1 Ziege, 210 Stück Federvieh;
Frau verw. Klingner besaß 4 Pferde, 3 Schweine. Und dann
quer durch die ganze Stadt:
Da hielt u. a. ein Richard Beckert 2 Pferde; Fr. Stange 1 Pferd,
2 Schweine; E. Bergmann 1 Pferd; Richard Gerstenberger 2 Pferde,
2 Schweine; Paul Thomas 1 Pferd, 1 Schaf; O. Lippe 2 Pferde, 22
Rinder, 15 Schweine, 80 Stück Federvieh; Richard Kleeberg
2 Pferde, 11 Hühner; R. Rostig 1 Pferd; K. Burkhardt 2 Pferde
und 3 Schweine; Karl Oehmichen 1 Pferd, 12 Hühner; Paul Weber
1 Pferd, 9 Hühner; L. Rauschenbach 2 Pferde, Robert Grundmann
4 Pferde, 10 Rinder; Paul Stephan 1 Pferd; Franz Müller hatte
ein Pferd und 10 Stück Federvieh; P. Clausnitzer 2 Schweine
und die Dampfmolkerei hielt 2 Pferde.
In der Döbelner Straße gab es bei Hermann Höhme
1 Schwein, 6 Hühner und bei August Bock 1 Schwein.
In der Feldgasse gab es 4 Grundstücke, da hielten Paul Stein
1 Schwein, 1 Ziege, 5 Hühner und Frau verw. Hofmann 1 Esel.
Sie war als Botenfrau mit ihrem Eselgespann vor allem nach Oschatz
unterwegs.
Im Hack wurde in jedem Haus Viehzeug gehalten. Schweine, Ziegen,
Hühner, außer bei Fritzsche und Berta Nicolaus, welche
nur Hühner hielten, wobei wir aber nicht wissen, ob sie vorher
geschlachtet hatten. Zur Zählung waren im Hack bei 17 Besitzern
noch 17 Schweine und 5 Ziegen vorhanden. Auch in der Hauptstraße
und der Grimmaer Straße war am Tage der Zählung in jedem
Hause Vieh vorhanden und wenn es nur Hühner waren! Fürwahr
eine tolle „Stadt“!
Das meint Günter Thiele
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