Online-Chronik der Stadt Mügeln
 

(Traditionsreiche Einzelhandelsunternehmen in Mügeln)
Handel mit Selbstgebranntem


In der heutigen Trinkhalle in Mügeln wurde 1848 von den Kaufleuten Leupold und Lindner eine Branntwein-, Zigarren-, Wein- und Kolonialwarenhandlung eröffnet, die ein erlesenes Sortiment an Lebens- und Genussmitteln sowie Frischwaren führte. Eine Destillerie betrieben sie ebenfalls. Von 1903 bis 1928 kaufte es der Kaufmann Walter Schumann. Zu Leupold & Lindner gehörte dann auch eine Kaffeerösterei. Jede Woche wurden 15 Kilogramm Rohkaffee frisch geröstet – das Viertelpfund für 40 Pfennig. Schnaps wurde längst nicht mehr selbst gebrannt. Der Sprit kam aus Freiberg, Zucker vom Großhändler und Essenz aus Miltitz. Die Flaschen besorgte man sich über den Rückkauf von Gaststätten oder nahm sie im Laden zurück. In reinster Handproduktion wurde gemischt, veredelt und abgefüllt. Selbst die Korkenmaschine betrieb man per Hand.

Die Likörfabrik verließen die verschiedensten Sorten: Branntwein, Liköre, wie Stonsdorfer und natürlich der Leupoldsche Kräuterbitter, aus 17 Kräutern hergestellt und seit 1848 im Handel. Laut Etikett hat er sich während dieser Zeit ohne Zeitungsreklame sehr verbreitet und als höchst Magen stärkend bewährt. Für seine hervorragende Qualität wurde er 1911 auf einer Döbelner Ausstellung ausgezeichnet.

Nach einem eigenen Bestellsystem belieferten Schumanns über 50 Gastwirte in der Mügelner Umgebung mit Schnaps. Die zwischenzeitlich eingeführten Marken- bzw. Lebensmittelkartensysteme stellten das Geschäft vor immer neue Bewährungsproben. In Mügeln gab es 4000 Anmeldungen, meist zu einem Kilo für ein Produkt pro Person und Monat. Zudem kamen die Lieferungen lose an, erst wurden Mehl, Salz, Nudeln, Haferflocken, Graupen, Grieß in verschiedene Bottiche geschüttet und dann wieder abgewogen, einzeln verpackt und verteilt. Jede Hand war gefragt. Hier zahlte sich aus, dass Schumanns immer eine richtige große Familie waren, in der der Spruch: „Einer für alle, alle für einen“ noch etwas galt.

Die „Schu-Männer“ blieben vom Kriegseinsatz verschont. Sie hatten Versorgungsaufgaben in der Region zu bewältigen. Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches mussten sie die russischen Kommandanturen in der Gegend versorgen – jedenfalls mit Schnaps. Der wurde dann mal mit Pferdegespann, mal mit Lastkraftwagen abgeholt. Die Likörfabrik lief noch bis 1953, dann schlug das Finanzamt zu. Außerdem fanden sich die für die Likörproduktion benötigten Kräuter nicht mehr in den erforderlichen Mengen.

Von 1960 bis 1990 war das Geschäft Kommissionshändler der HO und bot sämtliche Lebensmitteln, Getränke und Haushaltwaren an. Im April 1970 hatte der Sohn, Günter Schumann, den Familienbetrieb übernommen. Nach dem Krieg hatte er bei Vater gelernt und seine kaufmännische Gehilfenprüfung abgelegt. Fleißig und umsichtig führte er das Unternehmen auch über die stürmische Wendezeit. Im Januar 1994 übergab Günter die Firma an seine Tochter. Maritta Auerbach hatte bislang in Oschatz als Verkäuferin gearbeitet. Die Trinkhalle mit Verkauf versorgte die Mügelner mit Bier, Spirituosen und alkoholfreien Getränken. Leider verstarb Günter Schumann, für alle unerwartet, im November 1999.

Der Beitrag stammt aus dem Buch „Geschäfte mit Geschichte – Traditionsreiche Einzelhandelsunternehmen in Westsachsen“; herausgegeben 2001 vom Handelsverband Sachsen e. V.