Online-Chronik der Stadt Mügeln
 


Die Parochie Mügeln
(Parochie = Pfarrbezirk, Kirchspiel)


Der Ort „Mügeln“ ist wendischen Ursprungs. Dalemincier, ein Zweig der Sorben, haben ihn im 7. oder 8. Jahrhundert als ein Dorf angelegt und „Mogelin“, d. h. Hügel, genannt. Tatsächlich ist ja der Ort fast auf allen Seiten von Hügeln umgeben, und das ältere Altmügeln liegt gegen Mitternacht am Abhange eines Hügels. Unter den sächsischen Kaisern, zwischen 928 und 984, wurde der Ort zur Stadt erhoben. 1003 wird er als urbs Mogelina, also als eine wirkliche Stadt, in der Geschichte erwähnt. Mügeln braucht sich also seines Altertums nicht zu schämen. Es darf nicht Wunder nehmen, dass die heidnischen Wenden weder ihre deutschen Besieger, welche als Kolonisten oder als Soldaten sich unter ihnen niederließen, noch das mit dem Schwerte ihnen aufgezwungene Christentum mit günstigen Augen ansahen, und daher bald offen, bald geheim sich empörten. Daher kam es, dass christliche Kirchen nur in den wenigen Garnisionsorten erbaut werden konnten. Als aber gegen die Mitte des 12. Jahrhunderts gesicherte Zustände einkehrten, da wuchsen in unserer Gegend die Kirchen empor: 1135 die Kirche zu Altmügeln, 1219 diejenige zu Schweta, 1232 – 1236 die Mügelner Johanniskirche.
Der Erbauer der Mügelner, Johannes Baptista, d. h. Johannes dem Täufer, als Schutzheiligen geweihten Kirche war Bischof Heinrich von Meißen, welcher die Mittel aus den reichen Einkünften des Silber- und Bleibergwerkes zu Scharfenberg bei Meißen hernahm. Den Meißner Bischöfen gehörte seit Mitte des 11 Jahrhunderts die Stadt Mügeln erb- und eigentümlich. Alle Nutzungen und Einkünfte waren an sie abzuführen; aber Gerichtsherren waren die Markgrafen von Meißen und später eine Seitenlinie, die Grafen von Brene, welche zur Ausübung der Gerichtshoheit Vertreter entsandten. Letztere waren die Herren von „Mogelin“.
Diese Herren besaßen in der Nähe von Sornzig ein Schloss, die „ Veste“ genannt, dessen Kapelle als Filial zur Neugegründeten Parochie Sornzig geschlagen wurde, und welches teilweise von einem Gehölz, das „Granunge“ genannt wurde, umgeben war. Noch vor mehreren Jahrzehnten waren Überbleibsel dieses alten Schlosses auf dem noch heutzutage so genannten „Vestenberg“ zu sehen. Jetzt allerdings bearbeiten Pflug und Spaten den Boden, auf dem einst der Jubel ritterlicher Spiele und Feste erklang. Da diese Herren vermöge ihrer trefflichen Eigenschaften dazu in hohem Grade geeignet waren, so übertrug man ihnen die Justizpflege in unserem Orte, und indem sie die mit diesem Amte verbundenen Zugehörigkeit, das Gerichtshaus und ein Stück Land, „die Güldene Hufe“ als Entschädigung für ihre Mühewaltung in Lehn nehmen mussten, nahmen sie nach der Sitte jener Zeit damit zugleich den Namen: „Herren von Mogelin“ an. Diese Herren von Mogelin gehörten zum hohen Adel des Landes. Der letzte, Siegfried von Mogelin, stiftete 1241 das Jungfrauenkloster Marienthal zu Sornzig, wozu der Bischof Konrad I. 1243 die Bestätigung gab.
Nach Siegfrieds Tode wurde die Gerichtshoheit über Mügeln verschiedenen Edelleuten übertragen, deren letzter Konrad von Rochlitz war; aber sie wurden seit 1278 nicht mehr von den Grafen zu Brene – diese Grafschaft liegt zwei Meilen von Halle entfernt – sondern von den Bischöfen belehnt. Im erwähnten Jahre trat nämlich Albert Graf von Brene, die weltlichen Gerichte ab. Die Bischöfe hatten ein lang ersehntes Ziel erreicht und ließen seit ungefähr 1400, als das Gerichtshaus in Mügeln in städtisches Eigentum übergegangen war, durch bischöfliche Beamte Recht sprechen.
Wir wollen auf den letzten Bischof von Meißen, Johannes IX. von Haugwitz, den Mitunterzeichner des Konkordienbuches, der sich um den Ort sehr verdient gemacht hat, hier etwas näher eingehen. Außer dass er mehrere Innungen bestätigte, im Jahre 1571 die hiesige, zur Zeit noch bestehende Kantoreigesellschaft konfirmierte, 1572 das ganz verfallene Schloss wiederherstellen ließ, hatte er ein wachsames Auge auf Kirche und Schule, die er bei Lebzeiten und zuletzt noch im Testamente mit Schenkungen bedachte. Leider ist sein im Testament niedergelegter Wille nicht zur Ausführung gekommen. Zum evangelischen Glauben übergetreten, verzichtete er 1581 auf das Stift Meißen, behielt sich aber das hiesige Schloss, Neu- und Altmügeln, sowie Sornzig auf Lebenszeit zum Leibgedinge vor. Im Schlosse, welches er Rugethal oder Ruhethal nannte, verbrachte er die letzten 14 Jahre seines Lebens, immerdar um Hebung des Kirchen- und Schulwesens, wie auch der städtischen Wohlfahrt besorgt. Im Jahre 1589 erschien von ihm die neue Kirchordnung, nach welcher der Gottesdienst abwechselnd in beiden Kirchen der Parochie, also in Neu- und Altmügeln, gehalten werden sollte. Auf seinem Ruhesitze verschied er nach 13jährigem Ehestande am 26. Mai 1595, nachdem er den Rest seines Lebens „mit allerhand gottseligen Übungen zugebracht hatte und ein löblicher Regent unseres Ortes gewesen war.“
Nach dem Heimgange dieses letzten Bischofs kam Mügeln an das kurfürstliche Haus Sachsen, bis es 1667 von Johann Georg II. dem Geheimen Rat und späteren Oberhofmarschall Hermann von Wolfframsdorff verkauft wurde. Von letzterem erbte es sein Sohn und später sein Schwiegersohn Wambold von Umstadt. Die Erben des Letztgenannten traten es 1734 wieder an die kurfürstliche Familie ab.
Wir haben oben gesehen, dass die St. Johanniskirche in Mügeln von Heinrich, Bischof zu Meißen, erbaut worden ist. In alten Urkunden heißt sie die „Neue Kapelle zu Mogelin“, auch die Pfarrkirche der Stadt Mögeln. Nachdem die Hussiten 1430 diese Kirche wenigstens zum Teil zerstört und ausgebrannt hatten, hat der Bischof Johannes VI. von Salhausen im Jahre 1521 dieselbe „fast aus dem Fundamente“ wieder aufgebaut, wie er selbst in der Beschreibung seiner geführten Administration sagt. Noch heute ist das Bischofswappen mit dem Lamme und der Siegesfahne, als den Bischöflich-Meißnischen Insignien, und dem Drachenhals auch Mohrenkopf, als dem Salhausischen Stamm- und Geschlechtswappen, an einem Pfeiler der äußeren Kirche zu sehen. Der Bau selbst ist mehrere Jahre fortgesetzt und nach des Bischofs Tode erst vollendet worden, wie man aus den am Gewölbe vor dem Singechor in einer Steinrose gehauenen Jahreszahlen 1516 und 1521 ersieht. Zu diesem Bau haben auch einige Innungen von Mügeln das Ihrige beigetragen, deren Zeichen früher auch in den Kirchenfenstern sichtbar gewesen sind.
Nachdem die folgenden Jahrhunderte unwesentliche Wandlungen gebracht, unternahm im Jahre 1802 der Pfarrer Eger eine Hauptveränderung der Kirche. Rings um das Altarchor baute man eine Empore mit mehreren Sitzreihen, darunter brachte man rings um den Altar besondere, zu erhöhten Preisen verlöste Kirchenstände mit Glasfenstern an. Ja zwischen Empore und darunter befindlichen Glasständen hatten später die Seiler-, Wagner- und Schmiedeinnungen Betstübchen eingebaut. Anzuerkennen ist, dass diese Innungen, wie auch die Leineweber, welche aus früherer Zeit im Schiffe ihre besondere Empore, sowie die Schuhmacher- und Schneiderinnung, welche links und rechts von dieser ebengenannten Empore ihre Glasstände hatten, folgend dem Vorgange des Stadtrates, welchem gleichfalls eine besondere Kirchenempore zur Verfügung stand, gelegentlich der Restauration im Jahre 1869 mit rühmlichstem Entgegenkommen auf ihre bisherigen Vorrechte in der Kirche verzichteten, wodurch allein eine Freigebung aller Stände in der erneuerten Kirche möglich wurde. Hinausgeworfen wurden seit 1800 mancherlei geschichtliche Denkmäler, insbesondere die lebensgroßen Bildnisse der Kurfürsten Friedrich des Weisen, johann des Beständigen und Johann Friedrich des Großmütigen, sowie Huffens und Luthers, welche früher den Altarplatz und die Pfeiler des Kirchenschiffes schmückten; als ein „unnützer Gegenstand“ beseitigt wurde in jener Zeit die in Holz kunstreich geschnitzte und von Mathias Krodell, Bürger und Maler in Schneeberg, 1582 vorzüglich gemalte Altarwand mit Doppelflügeln und Türen zur Veränderung in den verschiedenen Festzeiten.

• Die Sinzsche Chronik beschreibt Altar und Schrein in folgender Weise: „Der Altar stehet vier Stufen hoch, zu beiden Seiten ist ein Geländer und es hat derselbe eine ziemliche Höhe. Der Tisch ist steinern, die Altarwand aber von Holz sehr kunstreich geschnitzt und ganz vorzüglich gemalt. In dem untersten Fache, unmittelbar über dem Altartische, zeigt sich die Einsetzung des heiligen Abendmahls gemalt. Darüber und in dem mittleren Teile der Altarwand sind Doppelflügel und Türen, inwendig und auswendig geschmackvoll gemalt, so dass man den Altar zweimal, nämlich zur Advents- und Passionszeit und zu anderen Zeiten verändern, auf- und zumachen kann, so dass die Ansicht dieser Gemälde wechselt. Auf dem äußersten Teile dieser Flügel sieht man vier Felder, und zwar auf der Mitternachtseite die Verkündigung Mariá, auf der ersten Türe die Geburt Christi, auf den anderen Jesus im Tempel unter den Lehrern sitzend, und auf der Mittagsseite die Taufe Christi im Jordan von Johannes vollbracht, meisterhaft dargestellt. Bei Eröffnung beider Türen oder Flügel erblickt man wieder drei gemalte Felder, nämlich in der Mitte die Kreuzigung Christi, ein Prachtstück voll Leben und Ausdruck, rechter Hand den Kampf des Herrn im Garten Gethsamane, linker Hand seine Auferstehung. Oben darüber in der dritten Abteilung des Altars steht rechter Hand und auf der Mitternachtseite das Wappen Johann IX. von Haugwitz mit vier Feldern, worin statt des vormaligen bischöflichen Lammes sich wechselweise ein Büffelkopf, als das haugwitzische Geschlechtswappen, und ein Adler zeigen. Es hatte nämlich, als dieser Altar erbaut wurde, Johannes von Haugwitz auf das Bistum Meißen schon verzichtet, lebte aber als Domprobst zu Naumburg auf dem Schlosse Ruhethal. Gegenüber linker Hand auf der Mittagsseite befindet sich das Mügelische Ratssiegel: zwei Türme, zwischen welchen das Haupt eines Bischofs und oben darüber das Lamm mit der Siegesfahne steht. Zwischen diesen beiden Wappen ist eine Tafel, worauf mit goldenen Buchstaben steht: „Also hat Gott die Welt geliebt“ )(. Bis „an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes. Joh. 3.“ Darüber ist in der vierten und kleinsten Abteilung das jüngste Gericht gemalt, und oben darüber ragt ein kleines Kruzifix hervor. Diese Altarwand wurde vier Jahreszeiten später, wenn auch arg verstümmelt, aufgefunden und wird jetzt im Museum des Sächsischen Altertumsvereins zu Dresden aufbewahrt.

Mit Recht klagt der letzte Herausgeber der Chronik von Mügeln, dass damals „weder mit gebührender Pietät gegen die Denkmale der Vorzeit, noch weniger mit milder Schonung gegen die Gegenstände der Kunst und des Altertums, welche bis auf wenige Überreste aus dieser Kirche verschwunden sind, verfahren sei“.
Hatte man, um nun zum Äußeren der Kirche zu kommen, vor 1802 leider das fünfte, nach der Mittagsseite zu gelegene Fenster des Altarchors durch den An- und Einbau eines alten hölzernen Treppenturmes, sowie der daneben befindlichen Amtsbetstube gänzlich verbaut, so verunstaltete man später die Kirche durch Anbauten eines Vorhauses zum Kamin der Sakristei, sowie eines hölzernen Aufganges durch den Orgelchor, und störte dadurch den Eindruck der gotischen Fenster und Strebepfeiler.
Um so höher ist das Verdienst des Pfarrers Leonhardi zu veranschlagen, welcher mit dem im September 1868 ins Leben getretenen Kirchenvorstande frisch und fröhlich an die Renovation des Gotteshauses ging. Am 01. Juni 1869 begann das umfängliche Erneuerungswerk, durch welches die stillosen Betstübchen, Emporen und Glasstände im Innern und äußerlich die unpassenden Anbauten beseitigt wurden, und am 02. Januar des unvergesslichen Jahres 1870 konnte die Weihe des in neuer Schönheit wieder erstandenen Gotteshauses vollzogen werden. Kräftige Unterstützung fand der Pfarrer an der aus Stadtgutsbesitzer Stolze, Ratmann Hummitzsch, Stadtverordneten Nitzschke von hier, sowie den Gutsbesitzern Däweritz von Grauschwitz und Claus von Mahris bestehenden Baudeputation, deren – hier seien Leonhardis eigene Worte angeführt – „verständnisvoller, umsichtiger Tätigkeit und Fürsorge in Verbindung mit der gewandten und tüchtigen Leitung des Baues von Seiten des hiesigen Zimmermeisters Grellmann das schöne Gelingen des Restaurationswerkes unserer Kirche besonders zu verdanken ist“. Genannter Grellmann hat in Gemeinschaft mit dem Architekten Pieper in Dresden die Zeichnungen für die Erneuerungsarbeiten – mit Ausnahme der Kanzel – entworfen und das Restaurationswerk zusammen mit dem hiesigen Maurermeister Müller in solidester und gewissenhaftester Weise ausgeführt.
Treten wir nun durch das an der Westseite gelegene Turmportal in die Treppenhalle, aus welcher links und rechts die Treppen nach dem Orgelchore und den Emporen an der Längsseite des Schiffes führen. Gleich rechts an der Tür begrüßt uns das Denkmal Melchiors von Salhausen, welcher in vollem Waffenschmuck auf einem Piedestal (Sockel; kleines Podest) steht. Wir sehen ihn hier in Lebensgröße, in Stein gehauen, mit großem, krausem Bart, in vollem Harnisch, in der linken Hand ein Schwert haltend, woran die unterste Spitze abgebrochen ist. Mit der rechten Hand lehnt er sich auf Schild und Wappen, aus welchem über dem Helm ein Drachenhals und –kopf, mit einem Pfeil durch den Hals, hervorragt, während im Schilde selbst ein feuerspeiender Drachenkopf mit einem Mohrenangesicht am Halse des Drachens sich zeigt. Ringsherum stehen die Worte: „1509 am XXIX. Tage des Monats Mai ist verstorben der Gestrenge Melcher von Salhausen.“

• Zum Verständnis des Salhausischen Wappens müssen wir seines sagenhaften, romantischen Ursprungs gedenken. Der Stammvater des Geschlechtes, Günther von Salhausen, war mit einem sächsischen Herzoge nach Palästina und Afrika gereist. Als er im Mohrenlande weilte, drang ein Drache auf den Herzog ein, ihn zu verschlingen drohend. Doch Günther sprang mit einem gespannten Bogen zur Deckung vor den Herzog und erlegte kühn das geifernde Ungeheuer., indem er ihm den Pfeil mitten durch den Hals schoss. Nach seiner Rückkunft schlug ihn Kaiser Otto III. 995 um dieser tapferen Tat willen zum Ritter. So die Erzählung der Salhausischen Stammchronik. Unschwer erklärt sich die Bedeutung des Mohrenangesichts aus dem Verweilen Günthers im Mohrenlande.

Dieser Melchior von Salhausen hat 1494 unterm König Karl VIII. in Frankreich Kriegsdienste genommen und erwarb sich in dem siegreichen Feldzuge gegen Neapel und Sizilien große Reichtümer, die er glücklich nach Hause brachte. Wie kommt aber das Denkmal dieses reisigen Mannes in die St. Johanniskirche? Aus dem Überfluss seiner außerordentlichen Schätze, stiftete er 1502 das Lehn Corporis Christi oder des heiligen Fronleichnames. Noch in demselben Jahre bildete sich ein besonderer kirchlicher Verein in Mügeln, die Brüderschaft Corporis Christi, deren Vorsteher Melchior ward. Von jeher hat die katholische Kirche es verstanden, das Interesse an der Kirche in die weitesten Kreise zu tragen. Die Zugehörigkeit zu solch einer Brüderschaft bot für ein geringes Entgelt die Sicherheit, dass der Leib ein anständiges Begräbnis, die Seele einen Platz im Himmel finden werde. Für jedes gestorbene Mitglied wurden ja Seelenmessen gelesen. Diesem oben genannten Zwecke diente ein eigener Altar, Altar Corporis Christi genannt, an dem ein Altarist oder Messpriester amtierte, der von dem Erträgnis des Lehns bezahlt wurde. Mindestens drei Altäre müssen zur katholischen Zeit in unserer Kirche gewesen sein: außer dem Hauptaltar noch zwei Messaltäre. Große Opfer hatten die Mitglieder der Brüderschaft nicht zu bringen. Ihnen lag es ob, „Bücher, Kelche, Leuchter und andere zum Gottesdienst nötige Ornate“ anzuschaffen, sowie den Altar selbst in baulichem Wesen zu erhalten. Man sieht, dass hier für geringe Opfer große Vorteile versprochen waren, zumal wenn man bedenkt, dass auch für die Lebenden durch die Verheißung eines 100tägigen Ablasses gut gesorgt war.
Aus der Turmhalle kommend, im Schiffe stehend, empfangen wir vom Kircheninnern einen erbaulichen Gesamteindruck. Vor uns haben wir den Altar, hinter und neben ihm drei gemalte Fenster: ein das empfängliche Herz bewegender Anblick. Ungehemmt schweift der Blick durch das Gotteshaus, kein hässlicher Einbau, keine das Auge verletzende Stillosigkeit stört uns in der Betrachtung. Rechts und links von dem das Schiff in zwei gleiche Teile trennenden Mittelgange breiten sich die Frauenbänke (nach Zeichnungen des erwähnten Grellmann vom hiesigen Tischler Otto angefertigt) aus, welche gleich wie die Brüstungen des Orgelchores (die treffliche Orgel ist von der Firma Schmeißer in Rochlitz im Jahre 1871 geliefert worden) und der vier Sitzreihen fassenden Emporen, von denen je eine an der Langseite des Schiffes sich hinzieht, in gotischem Stile gehalten sind. Genügendes Licht fällt durch die zweistäbigen gotischen Fenster in Rautenverglasung (Arbeiten des Glasermeisters Fink von hier, sowie des Glasermeisters F. A. Schubert in Chemnitz, welcher letztere die Glasmalereien bei C. Claus in Nürnberg hat anfertigen lassen.), welche mit ihrem durch Arabesken und Blumen in Glasmalerei ausgefüllten Maßwerk in dem verständnisvollem Beschauer einen stimmungsvollen Eindruck bewirken und hinterlassen. Eine schöne Farbenharmonie ergeben der eichenartige Anstrich der Emporen, der graue Ton der Wandflächen und die fast gilbliche Farbe der Gewölberippen und mächtigen Pfeiler, welche die Emporen tragen. Besonderer Erwähnung wert ist das Netzgewölbe im Schiff und hoher Chor, dessen Spitzbogen kühn und leicht in die Höhe streben, dessen Rippen sich kunstvoll zu Rosetten zusammenschließen. Unter dem Triumphbogen, an der Mittagsseite, steht die steinerne Kanzel aus Pirnaer Sandstein. Auf zierlichem Schafte springen gotische Bogenfelder vor, deren mittlere die goldene Inschrift tragen: „Das Wort sie sollen lassen stahn.“ Wir haben hier ein in den Rahmen des Kircheninnern durchaus sich fügendes würdiges Werk vor uns, das der Bildhauer Engelhard in Döbeln nach der Zeichnung des Architekten Mothes in Leipzig in sauberster Ausführung geliefert hat. Von der Stätte der Wortverkündung begeben wir uns zur Stätte der Sakramentsspendung. Der sehr einfache Altar ist in Felder mit gotischen Bogen eingeteilt; etwas reicher sind die Brüstungen mit ihren in Pirnaer Sandstein hergestellten durchbrochenen Rosetten konstruiert. Auf dem Altar steht, von vier messingenen Leuchtern umgeben, ein vergoldetes gotisches Kreuz, das an seinen Enden die Sinnbilder der vier Evangelisten, in seiner Mitte das Lamm mit der Siegesfahne trägt. Die Sinnbilder sind auf mattvergoldeten Holzplatten von Franz Schneider in Leipzig geschnitzt. Dieses Kreuz und das davor befindliche silberne Kruzifix bilden den einzigen Schmuck des Altars. Um so reicher sind die hinter dem Altar befindlichen drei Fenster (die beiden anderen im Altarchore vorhandenen Fenster gleichen denjenigen im Schiff) ausgestattet, von denen das mittlere Ersatz für das fehlende Altarbild bietet. Letzteres die „heilige Nacht“, gerade hinter dem Altar, ist von Claus in Nürnberg nach eigenen Zeichnungen und Kartons in meisterhafter Vollendung gefertigt. Sein Beschauen regt des Herzens Tiefen an. Grüße der Ewigkeit tönen herein in die Zeit. Wir hören das Gloria der Engel in den Lüften., während andere Engel, die das Geheimnis der Erlösung zu schauen gelüftet, mit heiliger Freude durch das Fenster schauend, das Kind in der Krippe, betrachten. Maria beugt sich in seliger, keuscher Mutterfreude über das Kind, während Joseph in sinnendem Ernste dabeisteht. Himmel und Erde sind in dieser sternenleuchtenden Nacht in Bewegung. Neben dem beschriebenen Bilde, rechts und links vom Beschauer, sind die in reicher Architektur gehaltenen Gemälde der Apostel Paulus und Petrus mit ihren Bekenntnissen (Paulus: 1 Timoth. 3, 16; Petrus: Apostelgesch. 4, 12). – (Diese drei Glasgemälde sind durch freiwillige Beiträge und Liebesgaben früherer und gegenwärtiger Mitglieder der hiesigen Parochie beschafft worden, deren Sammlung und Verwendung zum künstlerischen Schmuck der Kirche von einem dazu gebildeten Kunstkomitee – bestehend aus den Herren Dr. med. Becker, Gerichtsamtmann Buchner, Gutsbesitzer Däweritz in Grauschwitz, Schuldirektor Francke, Pastor Leonhardi, Assessor Prüfer, Rathmann Thieme (1872 – 1876) – beraten und geleitet wurde. Nicht nur die Engel des Himmels, sondern auch die Apostel, die Verkündiger des Wortes, bekennen sich zum Mensch gewordenen Gottessohne: eine eindringliche Mahnung für die versammelte Gemeinde festzuhalten und dem uralten Evangelium: Joh.1, 14: Das Wort ward Fleisch. Aus dem hohen Chor schreiten wir auf der Mitternachtsseite durch eine gotische Tür in die lichte und freundliche Sakristei. Ihr schön gemaltes Gewölbe führt in der Mitte ein vergoldetes Kreuz mit der Umschrift: In hoc signo vinces (d. h. „In diesem Zeichen wirst du siegen“). Rechts von der Tür steht ein aus der früheren Kanzel gefertigter Altar in musivischer Arbeit, auf ihm ein wertvolles Kruzifix; über ihm hängt ein in Öl gemaltes Bild des Gekreuzigten (ein Geschenk des Kirchenvorstehers und Tuchhändlers Engelmann), neben dem rechts und links vom Beschauer die Marmorbüsten Luthers und Melanchthons angebracht sind. So ist die Sakristei mit einfachem, aber würdigem Schmuck versehen.
Ehe wir vom Gotteshause Abschied nehmen, müssen wir noch einige Altertümer erwähnen. Wir beginnen im Altarchore. Auf der Mittagsseite grüßt uns von einer Konsole herab das steinerne Standbild Johannis des Täufers, ein Geschenk des Ministeriums des Innern. Ihm gegenüber auf der Mitternachtsseite ist das bei der Restauration 1869 wieder aufgefundene Denkmal des Johannis von Haugwitz aufgestellt, des letzten Bischofs von Meißen, dem Mügeln viel zu verdanken hat. In in Lebensgröße in Stein gehauen, mit einem länglichen Gesicht, großem Bart, angetan mit einem langen Priestertalar ohne Ärmel, trägt er in der rechten Hand ein großes Buch, in der linken einen Hut mit einer Schleifrose. Die Umschrift des Denkmals lautet: „Der Hochehrwürdige, Edle, Gestrenge Herr Johann von Haugwitz aus Rugenthal, Thum – Probst zu Naumburg, ist in Gott selig verschieden, den 06. Mai 1595. Seines Alters 70 Jahre, 8 Monate, 13 Tage, den Gott gnade!“
Ü ber diesem Denkmal befindet sich das reichverzierte, steinerne Epitaphium (Grabmal mit Inschrift) der Frau Sophie Magdalena von Wolfframsdorff, gestorben den 17. November 1691. Es ist dies die Tochter des Hermann von Wolfframsdorff, Besitzers von Mügeln, wie wir früher gesehen haben. Die Inschrift lassen wir weg, da die Verstorbene für unsern Ort keine Bedeutung gewonnen hat.
Rechts von dem Haugwitzschen Denkmale sehen wir das nach seiner früheren Verstümmelung möglichst stilgemäß wieder hergestellte Sakramentshäuschen (Ciborium) mit altertümlicher Bildhauerarbeit. Solch ein verschließbares Ciborium war in katholischer Zeit der Aufbewahrungsort für die oft kunstreich gestaltete, wertvolle Monstranz (Gefäß zum Tragen und zeigen der geweihten Hostie).
Ü ber der Sakristei, in der mit Deckengewölbe und geschmackvoller Fensterbrüstung (aus Cottaer Sandstein) versehenen Amtskapelle, zu welcher der Aufgang in der äußeren Wendeltreppe des früheren Turmes führt, nehmen wir ein hervorragendes Denkmal des Kanzlers Dietrich von Wolfframsdorff, ein Brustbild aus Marmor und Alabaster gehauen, in Augenschein. Es kostet 500 Taler. Dieser Wolfframsdorff, auf der Reise nach Dresden am 16. Juli 1696 gestorben, ist nicht mit dem Besitzer Mügelns zu verwechseln.
In der Außenwand der Amtskapelle, in welcher die Familien des Kammergutspächters und Amtsrichters ihre Kirchensitze haben, über der Empore, erblicken wir ein schönes geschnitztes Kruzifix. Die früher darunter angebrachte Tafel wies die Jahreszahl 1659 auf.
Wir nähern uns dem Ende der Beschreibung der Kirche und betreten nur noch die Vorhalle an der Mittagsseite. Es ist dies der einzige Anbau, welcher im Jahre 1869 stehen blieb und stehen bleiben musste, weil er, im ursprünglichen Bauplane begründet, sich als dienendes Glied in den gotischen Bau wohl einfügte. Verschlossen ist er durch ein vom hiesigen Amtsschöffen Abraham Grundmann 1648 geschenktes Gittertor aus Schmiedeeisen, welches noch heute von Sachverständigen viel bewundert wird. Im Innern der Halle sehen wir an der Wand das Grabdenkmal des treuverdienten Diakonus Stein (gest. 24. Dezember 1612), „welcher seine Verlassenschaft zu einem Stipendio für die studierende Jugend Mügelns verordnet hat“.
Eine wertvolle Bereicherung erfuhr das Gotteshaus im Jahre 1890 durch Beschaffung einer Dampfheizungsanlage. Im Jahre 1900/1901, wurde es nach Beschluss des bereitwillig entgegenkommenden Kirchenvorstandes durch Gasglühlicht beleutet. Durch Verweisung der um
13Uhr ungünstig gelegenen und daher sehr wenig besuchten Nachmittagsgottesdienste auf eine spätere Nachmittagsstunde hofft man, nach dem ermunternden Vorgange anderer Städte, diesen Nachmittagsgottesdiensten neue Lebenskraft einzuflößen. Gott gebe es!
Wechselvoll sind die Schicksale des Kirchturmes. Ursprünglich stand er, mit langer hoher Spitze versehen, über dem Chore des Altars. Auf der an der Mitternachtsseite angebauten, noch jetzt vorhandenen steinernen Wendeltreppe gelangte man hinauf. Als aber am 11. August 1693 zur Nacht ein Blitz diesen Turm zerschmetterte, ist derselbe abgetragen und 1710 der jetzige hohe Turm an der Westseite der Kirche über dem Gewölbe aufgeführt worden. Leider ist die schöne innere Räumlichkeit der Kirche dadurch beeinträchtigt und um zwei Pfeiler, auf welchen jetzt der imposante, freilich nicht stilgemäße Turm ruht, geschmälert worden. Im Jahre 1814 wurde eine Reparatur notwendig. Ein Stück Helmstange wurde angesetzt, das Turmdach geschalt und mit Schiefer beschlagen, sowie der ganze Turm abgeputzt und geweißt. Eine lange Dauer war dem so wiederhergestellten Turm nicht beschieden. Schon 1843 mußte mit seiner Abtragung bis auf das Mauerwerk begonnen werden, da die Haube herabzustürzen drohte. Am 24. Oktober 1844 war das Wiederaufrichtungswerk so weit gediehen, dass Knopf und Fahne aufgesetzt werden konnten. Am Reformationsfeste des selben Jahres bewegte sich nach Schluss des Vormittagsgottesdienstes ein feierlicher Zug, gebildet von den Geistlichen, hiesigen Beamten, Mitgliedern des Gemeinderates und den Lehrern mit den Schulkindern, aus der Kirche auf dem Marktplatz, woselbst Pfarrer Fritsch von einer Tribüne herab den Weiheakt vollzog, indem er dem Höchsten für Schutz und Hilfe während des Baues dankte und Gottes ferneren Segen über Kirche, Stadt und Gemeinde herabflehte. Die Absingung des Liedes: „Nun danket alle Gott“ beschloss die würdige Feier des Tages.
Das alte Geläut bestand aus vier Glocken; jedoch konnte von einer Harmonie der Töne keine Rede sein, da die beiden kleineren Glocken zu den beiden größeren in grellem Missverhältnis standen.

• Die Umschrift der größten Glocke lautet:

NACH . MEINEM . KLANG, ; RICHT ; DEINEN GANG, ; ZUR ; KIRCH ; DES HERRN ; VND ; SEWM ; NICHT LANG.
ANNO M.D.XCIII (1593) WOLFF HILGER ZV FREIBERGK GOS MICH. I. S.

• Auf der zweiten Glocke standen die Worte:

Sanctus lucas marcus matteus johannes anno domini cccclrrvi
lenhard
machte mich.

• Auf der kleinen Glocke stand :

XVCX A . IHS . MARIA. Das ist: a. 1510.
Jesus. Maria.

Hatte schon der Pfarrer Hasse die Anregung zur Abhilfe des Missklanges gegeben, so war es erst seinem zweiten Nachfolger, Pfarrer Kretzschmar, im Lutherjubiläumsjahre 1883 beschieden, das schon längst in der Gemeinde gefühlte Bedürfnis eines harmonischen Geläutes dadurch zu befriedigen, dass die größte Glocke erhalten blieb, während die drei anderen von der Firma Große in Dresden – Neustadt zu zweien zusammengegossen wurden. So haben wir jetzt das schöne Es – dur – Geläute. Das die im Jubiläumsjahre gegossenen beiden Glocken Luthers Porträt aufweisen mussten, war ein nahe liegender Gedanke, der auch verwirklicht wurde.

• Die Inschrift der mittleren Glocke lautet:

„Geschenk des Karl Gottlob Wolf in Mügeln zum 10. November 1883“ auf der einen, auf der anderen Seite: „Ein feste Burg ist unser Gott“.

• Die kleine Glocke trägt auf der einen Seite die Inschrift:

„Zum 10. November 1883 gestiftet von der Gemeinde“, auf der anderen Seite: „Wenn ich rufe, höre meine Stimme“.

In den frühesten Zeiten, bis kurz nach der Einführung der Reformation in der Stadt Mügeln, lag der Kirchhof, wie schon das Wort sagt, wie ein Hof um die Kirche herum und erstreckte sich bis an den Markt. Die jetzt zwischen Markt und Kirche stehenden und letztere verdeckenden Häuser sind erst später erbaut worden. Als aber der Kirchhof nicht mehr ausreichte, verlegte man, wahrscheinlich 1556, den Gottesacker außerhalb der Stadtmauer ans Ende der Grimmaischen Vorstadt, während jetzt die Häuserreihe weit darüber hinaus gewachsen ist. Auf diesem Gottesacker stand vor Erbauung einer Gottesackerkirche eine Tafel, auf welcher die beiden Schächer abgemalt gewesen sind. Aber „weilen hiebevor die Leichen-Predigten auf dem Gottesacker von den Diaconis unter freien Himmel im Winter, Frost, Schnee und Regen haben müssen verrichtet werden, welches beiden, dem Prediger und Zuhörer, sehr beschwerlich und verdrießlich gewesen“, ward im Jahre 1611 ein Kirchlein zu bauen angefangen. Es ward am 10. Juli 1614 geweiht und Kapelle „zur Auferstehung Christi“ genannt. Während die ganze Grimmaische Vorstadt am 23. Mai 1742 abbrannte, blieb die Kapelle stehen und wurde 1751 durchgehends repariert. 1813 ward sie als Magazin benutzt und musste später wegen Baufälligkeit bis auf die Grundmauern abgetragen werden. Leider errichtete man beim Wiederaufbau, wahrscheinlich durch das Bestreben, die Grundmauern zu benützen, geleitet, die jetzt namenlose Gottesackerkirche auf der alten, sehr feuchten Stelle. Am 11. August 1823 geweiht, steht sie, innen und außen schmucklos, am äußersten Ende des in den letzten Jahrzehnten wiederholt, durchgreifend aber im Jahre 1899 und zwar um 45,2 ar vergrößerten Gottesackers. Die Weihe des vom Holzhändler Schumann neu hinzugekauften, mit einer Ziegelmauer eingefriedeten Teiles fand am Himmelfahrtsfeste des genannten Jahres in Gegenwart einer zahlreichen Gemeinde durch den derzeitigen Ortspfarrer statt. Die Gottesackerkirche wird wenig gebraucht, bietet auch für eine größere Trauerversammlung nicht genügend Raum. Die an den Gottesacker grenzende Pfarrscheune ist 1881 abgebrochen worden.
Das jetzige Pfarrhaus, bis zur Trennung Mügelns von Altmügeln Wohnung des Diakonus, ist in den Jahren 1739 bis 1745 erbaut worden. Infolge mancherlei Misshelligkeiten und dadurch hervorgerufener Verzögerungen währte der Bau mehrere Jahre. Die „klagende Vorstellung“ des damaligen Diakonus Händtschky, welche er im Februar 1739 dem Rate und der Bürgschaft Mügelns unterbreitet, beweist, dass zu jenen Zeiten solch ein Bau keineswegs zu den Annehmlichkeiten des Lebens gehörte. Nachdem er auf den bekannten „desperaten Zustand des in den letzten Zügen liegenden Diakonathauses“ hingewiesen, fährt er fort: allein es will niemand das Elend recht zu Herzen nehmen, noch einen erfahrenen Arzt und dienliche Mittel, den Schaden zu heben, verschaffen. Zwar hat sich schon einige Jahre her bei der löblichen Bürgerschaft ein Wille zu helfen spüren lassen, aber dann soll es genug sein, in Hoffnung, der Schöpfer aller Dinge werde durch seine Wunderhand diesen gänzlich verdorbenen Patienten (d. i. das Diakonat) von Grund aus heilen, und daher wartet man von Jahr zu Jahr auf die erwünschte Zeit“. Auf vieles Drängen wurde dann der notwendige Bau ausgeführt, jedoch in wenig befriedigender Weise. Die vom Rate zur Begutachtung des Baues ernannte Sachverständigenkommission erhebt in ihrem schriftlich erstatteten Bericht neun Einwendungen, zum Teil sehr schwerwiegender Natur. Unter anderem tadelt sie, nachdem das Gebäude noch nicht ein Jahr gestanden hatte: „Befindet sich solches Gebäude nicht so, wie es sein soll, weil in solchem das Holz nicht von guter Dauer, sondern weil es darinnen jetzt schon verfault und angelaufen und verstockt“. Viel ist im Wandel der Zeiten an dem Patienten herumgedoktert worden, damit ihm das Lebenslicht nicht ganz ausgehe.
Eine Scheidung in Alt- und Stadt oder Neumügeln hat in den ältesten Zeiten nicht bestanden. Obwohl die Stadt am rechten Döllnitzufer schon 1003 begründet, ja selbst durch einen Hack befestigt war, so gehörte doch der Teil am linken Döllnitzufer, welcher das alte Mogelin war und heutzutage Altmügeln genannt wird, dem Namen und der Tat nach dazu. Die jetzt vorhandene Trennung in Alt- und Stadt Mügeln ist erst seit Anfang des 15. Jahrhunderts urkundlich nachweisbar.
In den ältesten christlichen Zeiten besuchten die Einwohner Mügelns die Burgwartskirche in Schrebitz, nicht als wenn sie damals dorthin eingepfarrt gewesen wären, sondern weil diese Kirche die nächstliegende war. Von einem Parochialzwang, wie wir ihn heute haben, konnte damals keine Rede sein. Unter „Burgwarten“ versteht man befestigte Garnisonorte, welche von einem Burggrafen befehligt wurden, der gleichzeitig Gerichtsherr über einem ihm zugeteilten Bezirk war. In diese befestigten Plätze zogen sich die innerhalb des Bezirkes wohnenden deutschen Ansiedler zurück, wenn von den aufrührerischen Wenden Gefahr drohte. So gehörte Mogelin in die Burgwart Schrebitz. Bald jedoch mag sich das Bedürfnis nach einer eigenen Kirche in Mügeln fühlbar gemacht haben. So entstand die alte Mügelner Kirche, im Gegensatz zur neuen Mügelner, um hundert Jahre später erbauten St. Johanniskirche so genannt. Beide Kirchen gehörten jedoch zu einer Parochie, der Parochie Mogelin, wie sie in der Stiftsmatrikel (Verzeichnis der Kirchenmitglieder) von 1346 genannt wird, doch so, dass die hiesige Stadtkirche und der an ihr angestellte Kaplan unter dem Pfarrer der alten Mügelner Kirche, welche Marienkirche hieß, stand. Nach und nach wurde die Stadtkirche zu größerer Selbstständigkeit erhoben, daher sie auch 1502 und 1522 als „Pfarrkirche der Stadt Mogelin“ Erwähnung findet. Wenn sie nun auch in den Visitationsakten von 1556 als ein „Filial“ der alten Mügelner Kirche bezeichnet wird, allerdings mit dem Zusatze: „werden aber beide vor eine Kirche gerechnet“, so kann sie doch nur darum als „Tochterkirche“ bezeichnet werden, weil sie die jüngere ist. Im übrigen waren beide Kirchen gleichberechtigte „Schwesterkirchen“, da sie gemeinschaftliche Geistliche und Kirchendiener, und zwar an beiden Orten wohnhaft, hatten. Auch hatte die Stadt ihren eigenen Gottesacker, und alle in ihr vorkommenden geistlichen Amtshandlungen wurden in der Stadtkirche vollzogen. So fehlte eigentlich zur vollen Selbstständigkeit der Stadtparochie nur wenig. Es wäre vielleicht schon im 16. Jahrhundert dazu gekommen, wenn nicht durch das kluge Verhalten des letzten Bischofs von Meißen, Johannes von Haugwitz, dem vorgebeugt worden wäre. Durch seine Kirchenordnung von 1589 wurden die Hauptgottesdienste nach Zahl und Wichtigkeit in die Stadtkirche verlegt, so dass in der Altmügelner Kirche nur wenig Frühgottesdienste gehalten wurden. Es hatte nämlich der Pfarrer von Altmügeln fast allsonntäglich vormittags in der Stadtkirche zu predigen und mit dem Diakonus zusammen das heilige Abendmahl zu spenden, wogegen letzterer alle vierzehn Tage nachmittags in Altmügeln zu predigen hatte.
Wir haben aber schon gesehen, dass Bischof Johannes IX. von Haugwitz zum Protestantismus übertrat. Allein schon viel früher hatte sich die evangelisch – lutherische Lehre in der Stadt Bahn gebrochen. Wahrscheinlich schon 1539 wurde der Grund zur Reformation hier gelegt. Der erste evangelisch – lutherische Diakonus Wolf Walber hielt am Pfingstmontage 1542 die erste evangelische Predigt über den schönen Text: „Also hat Gott die Welt geliebt“.
Die Haugwitzsche Neuordnung der Dinge hielt Stand bis zur Trennung beider Parochien. Der Trennungsgedanke ist nicht etwa erst im 19. Jahrhundert aufgetaucht. Er ist mehrere Jahrhunderte alt und nur durch kluge Vermittlung entscheidender Faktoren immer wieder in den Hintergrund gedrängt worden. Für immer ließ er sich aber nicht aus der Welt schaffen. Es hatten sich ja ganz eigentümliche Verhältnisse herausgebildet. So hatten die sieben so genannten Oberdörfer, welche jetzt zur Parochie Mügeln gehören, ihre Fuhren, Frohnen, Handdienste in die Altmügelner Kirche zu tun, waren also dorthin eingepfarrt, wohin sie auch ihre Toten beerdigten, während sie ihre Taufen und Trauungen in der Stadtkirche vollziehen zu lassen gehalten waren. Wir haben gesehen, dass in der Johanniskirche die Hauptgottesdienste, mit wenigen Ausnahmen, und zwar für die eingepfarrten beider Parochien gemeinsam, gehalten wurden. Trotzdem musste die Stadt sie allein in baulichem Stand und Wesen erhalten. Wenn auch rühmend anzuerkennen ist, dass bei solchen Baulichkeiten die freiwillige Hilfe der nicht verpflichteten Gemeindemitglieder bereitwillig eingriff und etwa entstehende Zwistigkeiten wieder ausgeglichen wurden, so wurde doch der Wunsch einer Trennung immer reger. Auch die Stellung beider Geistlichen zueinander bot Anlass zu mancherlei Disharmonien. Den Mügelner Diakonus berührte es unangenehm, wenn der Altmügelner Pfarrer in der Stadt Amtshandlungen verrichtete, wozu er nach seiner Matrikel ein Recht hatte; letzterer fühlte sich in seiner Ehre gekränkt, wenn der Diakonus Selbständigkeitsgelüste durchblicken ließ. Wahrscheinlich nicht gegen den Willen der beiden Geistlichen trat die Kircheninspektion mit dem Antrage einer Trennung hervor. Ein Teil der Betroffenen war dafür, ein anderer dagegen. Anträge und Gegenanträge tauchten auf und wurden wieder verworfen. Berühmte Sachwalter mussten Gutachten abgeben, konnten aber bei allem juristischen Scharfsinn für das Geschichtliche, worauf es doch schließlich ankam, wenig bieten. Bei diesem Durcheinander der Meinungen hatte das Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts keinen leichten Stand. Vorsorglicherweise hatte es jedoch schon bei Erledigung der beiden geistlichen Stellen; des Pfarramtes und des Diakonats Rücksicht auf die zu regulierende Gehaltsfrage genommen. Selbstverständlich musste der Diakonus als künftiger Pfarrer in Stadt Mügeln und diejenigen Verpflichtungen mit übernehmen, welche bislang dem Altmügelner Pfarrer in der Stadtparochie obgelegen hatte. Für diese Mehrarbeit musste er naturgemäß entschädigt werden. Durch Beschluss des Ministeriums des Kultus und öffentlichen Unterrichts wurde die Stadt Mügeln mit den sieben Oberdörfern am 01. April 1856 von der Parochie Altmügeln getrennt. Ein Rekurs der Landgemeinden wurde von den in Evangelicis beauftragten Herren Staatsministern verworfen. Im selben Jahre, wurden Schloss und Kammergut Mügeln, jedoch mit Ausschluss der Vorwerke Klein-Schlatitz und Groß-Schlatitz mit Berntitz, zur Parochie Mügeln geschlagen.
Mügelns Geistliche seit der Reformation:
1. Diakonen.

• 1542 – 1548 Wolf Walber
• 1548 – 1549 Blasius Hofmann
• 1550 – 1555 Georg Eringk
• 1555 – 1558 Peter Nicolai oder Clajus
• 1558 – 1563 Georg Buchbach
• 1563 – 1570 Johann Tilich
• 1570 – 1594 Peter Leimbach
• 1594 – 1597 Balthasar Böhme, war seit 1589
Substitut des Vorigen
• 1598 – 1601 Tobias Vincenz
• 1601 – 1611 David Krüger
• 1611 – 1612 Georg Stein, gestorben hier am
24. Dezember samt Weib, Kindern
und Gesinde an der Pest, hat ein
Legat hinterlassen.
• 1613 – 1622 Abraham Posern
• 1622 – 1627 Gabriel Merbing
• 1628 – 1630 Wolfgang Mamphras, gestorben
hier am 26. Februar
• 1630 – 1637 Christoph Heinrici, gestorben hier
am 11. September an der Pest samt Weib,
Mutter, 4 Kindern und Gesinde
• 1638 – 1653 Johann Fiedler, erster Chronist des Ortes
• 1653 – 1683 Johann Conrad Goldschad, gestorben
hier 02. März, Substituten des Goldschad
Waren.
• 1676 – 1677 Ambrosius Hofmann
• 1677 – 1680 Salomo Wilcke
• 1680 – 1683 David Schmidt
• 1683 – 1693 David Schmidt, gestorben am 24. Oktober
• 1694 – 1710 Daniel Otto Zießler, hat die Fiedler`sche
Chronik fortgeführt.
• 1710 – 1725 Gottfried Schieritz
• 1725 – 1755 Georg Gottlieb Händtschky
• 1755 – 1763 Johann Gottlieb Hederich, seit 1752 Substitut
des Vorigen
• 1763 – 1792 Johann Daniel Sinz
• 1792 – 1801 Christian Gottlob Wild
• 1801 – 1817 Karl Gottfried Cnobloch, gestorben am 05. August
• 1818 – 1833 Karl Friedrich Köpping, gest. 16. November
• 1834 – 1853 Gustav Adolf Nicolai
• 1853 – 1854 Friedrich Ämil Dittrich, gest. 15. Oktober
• 1855 – 1856 Heinrich Bodo August Hütter

Am 01. April 1856 Trennung der Parochien Mügeln und Altmügeln und Erhebung des hiesigen Diakonats zum Pfarramte.

2. Pfarrer

• 1856 – 1859 Heinrich Bodo August Hütter, gest. 21. Juni 1859
• 1860 – 1865 Lic. theol. et Dr. phil. Hermann Gustav Hasse
• 1866 – 1873 Lic. Theol. Gustav Leonhardi
• 1874 – 1897 Paul Hermann Kretzschmar, gest. 11. Oktober
• 1898 Emil Gustav Siegert.

Die Kirchenchronik ist zu Ende, doch fügen wir einige Nachrichten über die Stadt und die eingepfarrten Ortschaften an, welche auf allgemeines Interesse rechnen dürfen.


Mügeln

In der vorbischöflichen Zeit war Mügeln mit einem Hack (Gehege) umgeben. Man warf zwei tiefe Gräben aus, zwischen denen man einen hohen Wall, mit dichten Heckenzäunen bestanden, errichtete. Diese Befestigung war, unter Berücksichtigung der damaligen primitiven Angriffswaffen, immerhin nicht zu verachten. Der eine Teil des Hacks – der so genannte Hirtenhack, weil in dieser Gegend die Hirten ihre Herden zu hüten pflegten – erstreckte sich von der Ecke hinter der Baderei bis zum späteren Lommatzscher Tore, der andere vom Hospital bis zur Gottesackerkirche, im gegenwärtig noch so genannten Hack. Nachdem die Stadt in den Besitz der meißnischen Bischöfe übergegangen war, wurde eine Mauer rings um die Stadt gebaut. Von welchem Bischof ist leider nicht nachweisbar.Diese Mauer hatte vier Tore, von denen drei auf unserem Stadtbilde zu sehen sind: das Schlosstor an der Brücke über den Mühlgraben, in der Nähe das Mühlentor und nicht weit von der Gottesackerkirche das Grimmaische Tor. Das Mühlentor, welches den Zugang zur Stadt-, auch Schlossmühle genannt, öffnete, war dicht bei dieser Mühle. Das Lommatzscher Tor spannte sich in der Nähe der Einmündung der jetzigen Feldgasse über die das letztgenannte mit dem Grimmaischen Tor verbindende Straße. Wie aus der Fotographie ersichtlich, standen die Häuser der Lommatzscher und Grimmaischen Vorstadt vor den gleichnamigen Toren, so dass das Gebiet der mit einer Ringmauer umhegten Stadt nicht eben sehr groß war. Das gegen Morgen gelegene Lommatzscher Tor, von dem wir eine Ansicht bieten, war mit einem Torhause überbaut, in welchem der Ratsdiener wohnte und die Ratsfrohnveste (Festung) sich befand, welche die Grete hieß, wie leine Männermörderin mit dem Vornamen „Margarete“ im Jahre 1571 darin gefangen war und sich erhenkt hatte. Am 06. Juni 1834 wurde das Tor abgerissen. Auch das Grimmaische und das Schlosstor waren mit einem Überbau versehen. In ersterem wohnte der Nachtwächter. Diese vier Tore wurden in der letzten Hälfte des 18. und im 1. Drittel de 19. Jahrhunderts abgetragen. Jedenfalls bietet die Stadt jetzt einen viel freundlicheren Anblick als früher. Aufgefüllt sind der in alten Zeiten an der Stadtmauer vom Mühlen- bis zum Grimmaischen Tor sich erstreckende Ratsteich und der früher erwähnte Hellenteich, aufgefüllt die mancherlei Gräben. Urbares Land lohnt jetzt des fleißigen Menschen Mühe und Arbeit mit reichem Ertrage. Grünende Gärten zieren die Stellen, wo einst trotzig Gemäuer stand, das doch den modernen Kriegswaffen keinen Widerstand bieten konnte. Auch der Hack ist bis auf wenige Reste spurlos verschwunden. Überall dehnt und streckt sich die Stadt und strebt einem gesunden Fortschritt entgegen. Wir haben im Eingange der Chronik gesehen, dass ein Konrad von Rochlitz Mügelns Gerichtsherr war. Durch Erbanfall oder Kauf in den Besitz der vor dem lommatzscher Tore gelegenen „güldenen Hufe“ und des in der Stadt befindlichen „Gerichtshauses“ gelangt, vermachte er 1350 beides der bischöflichen Schlosskapelle, damit daselbst ein eigener Kaplan unterhalten wiürde, der seiner und seines Weibes in der Messe gedenken sollte. Das adelige Gerichtshaus wurde sonach,
wenn auch nur für einige Jahrzehnte, eine Kaplanswohnung. Im Jahre 1395 vererbte der Bischof Johannes III. von Kittlitz das Haus der Stadt als ein Rathaus und legte damit den Grund zum Ratskollegium. Wenn im Eingange der Chronik unser Ort schon im Jahre 1003 eine „Stadt“ Mügeln genannt wird, so haben wir darunter nicht ein Gemeinwesen mit städtischer Verfassung, wie wir sie in späteren Jahrhunderten finden, sondern nur einen befestigten Platz zu verstehen. Erst seit 1395 werden der Stadt gewisse Gerechtsame verliehen. Johannes der III. von Kittlitz ist es, den das im städtischen Wappen sichtbare Brustbild vorstellt. Mügeln allein hatte das Vorrecht, das Meißnische Stiftswappen: „Lamm mit der Siegesfahne“ zu führen. Mit den bischöflichen Stiftsstädten Bischofswerda und Wurzen hat es mit schwarzem Wachs gesiegelt, während andere Städte sich des grünen bedienten. Die zugehörige Lehnhufe vor dem Oschatzer Tore nebst noch anderen zum Schlosse gehörígen Äckern und Wiesen wurde von Bischof Kaspar von Schönberg 1453 an die Stadt gegen einen jährlichen Zins verkauft. Durch diesen Bischof kam Mügeln zu ansehnlichen Grundbesitz. Am 22. Juli 1718 brach im Rathause Feuer aus, wodurch es fast gänzlich eingeäschert wurde. Dieser Brand zerstörte auch die alten Akten und Urkunden. Der dreißigjährige Krieg brachte große Verheerung über Mügeln. „Eine böse Sieben“ nennt der Chronist Fiedler das Jahr 1637. Nachdem am 07. Januar plündernde schwedische Soldaten viel Pferde und Kühe hinweggeführt , auch das im Rauthause vorgefundene Geld geraubt, schlug der Oberst Töbitz sein Hauptquartier in der Gegend Leisnig – Mutzschen – Mügeln auf. Öfter wurde in dieser Zeit Mügeln heimgesucht, und niemals verließen die Feinde die Stadt mit leeren Händen. Trotzdem legten sie der Stadt und dem Amte Mügeln zu guterletzt noch eine Kontribution von 3500 Talern auf. Diese Summe aufzubringen, war der erschöpften Stadt und dem wohl nicht minder gestraften Amte unmöglich. 1400 Taler erlegten Rat und Bürgerschaft. Als nun der Rest beim Abzuge der Schweden nach Leipzig nicht in klingender Münze abgeliefert werden konnte, nahmen sie als städtische Geißeln den Stadtschreiber Daniel Cunad, den Viertelsmeister Georg Tämmig und den Rechtskonsulenten Christian Böhme mit fort, während Hans Gatterd von Schlagwitz als Geißel des Amtes dienen musste. „Diese Männer haben sie an Ketten geschlossen und an die Wagen gebunden und sie wie die Hunde durch Wasser und Kot in Wind, Frost und Schnee mit fortgeschleppt, welches von Türken und Tartaren wäre viel gewesen.“ Cunad starb in Torgau. Da die Unholde aus „toten Körpern nicht würden haben können Geld schneiden“, So entließen sie die drei anderen Geißeln mit dem Befehle, das Geld dem Obersten nachzusenden. Die drei Geißeln erreichten noch ihre Heimat, starben aber bald darauf an den Folgen der unmenschlichen Behandlung. Dies war jedoch erst der Anfang der Leiden, welche noch im selben Jahre in gehäuftem Maße über Mügeln kommen sollten. Eines Sonnabends kehrte eine Patrouille von 12 schwedischen Reitern ein. Man empfing sie freundlich. Als sie jedoch in einem Hause, wo gerade Kindtaufsfeier war, ungezogen auftraten, lief den Bürgern die Galle über. Sie scharten sich zusammen und vertrieben die Reiter, deren einer, der sich verspätet hatte, unterwegs sein Leben lassen musste. Das unschuldige Mügeln sollte für das Verschwinden des Reiters büßen. Am nächsten Tage, als der Geistliche oben mit der predigt beginnen wollte, nahte die Rache in Gestalt von vier Trupps schwedischer Reiter. Aber die Bürger ergriffen furchtlos zur Verteidigung der gut befestigten Stadt die Waffen. Auf der einen Seite war der Ratsteich und der Hirtenhack, auf der anderen, wie wir gesehen haben, auch ein Hack, welcher für die Reiter natürlich unpassierbar war, so dass sich nur zwei Angriffspunkte boten, welche gut verteidigt wurden. „Die Bürgerschaft war eben stark, hatten fein Gewehr, auch war viel erwachsene Jugend fürhanden, die Tag und Nacht zu wachen.“ Der Sturm wurde abgeschlagen. Unverrichteter Sache mussten die Feinde abziehen; aber sie kamen noch zweimal in immer größerer Zahl wieder, zuletzt sollen es genau 1000 gewesen sein. Doch ohne Fußvolk ließ sich die Stadt nicht nehmen. Trotz aller Wehrhaftigkeit wäre die Stadt endlich dem von schwedischer Kavallerie und Infanterie am 20. Februar 1637 geplanten Angriff erlegen, wenn nicht rechtzeitig kaiserliche Hilfe gekommen wäre. Von da an wechselte kaiserliche und kurfürstliche Einquartierung ab. Die viele Einquartierung belästigte die Einwohner nicht übermäßig, da die Soldaten ausreichende Lebensmittel bei sich hatten – nur der Salzmangel wurde bitter beklagt - ; wohl aber stellte sich ein anderer, viel gefährlicherer Feind ein. Der Zusammenfluß wilden Kriegsvolkes, unter dem schon manche Kranke waren, die Ausdünstungen der achtlos hingeworfenen Eingeweide des geschlachteten Viehes, welche man liegen ließ, wo sie lagen, verbunden mit der hohen Wärme des Sommers, verursachten große Epidemien, welche man mit dem Sammelnamen Pest belegte. An ihr starb am 11. September der Diakonus Heinrici, welcher bis zur Erschöpfung und treu bis an den Tod seines Amtes waltete. Am 02. Juni hatte der Altmügelner Pfarrer das Zeitliche gesegnet. Drei Monate lang hörte man keine Predigt, da benachbarte Geistliche teils der Kriegsunruhen wegen nicht in die Stadt konnten, teils der Seuche wegen zu betreten nicht wagten. Endlich am Weihnachtsheiligenabend konnte wieder Gottesdienst gehalten, der Trost geistlichen Zuspruchs von neuem geboten werden. Fiedler, der erste Chronist unseres Ortes, hielt ihn, wenn er auch erst mehrere Wochen später als Diakonus eingewiesen wurde. Glänzend bewährte sich in dieser Zeit unsagbarer Not die christliche Liebe. Die wenigen von der Pest Genesenen versorgten, pflegten die Kranken, bestatteten die Gestorbenen.Sie waren, nicht bloß durch die Not, sondern durch den die Not überwindenden Geist Gottes geeint, eine Gemeinde von Brüdern und Schwestern. Traurig sah es in der Stadt aus. Kein Haus ohne wenigstens einen Todesfall; manche Häuser ganz ausgestorben, nicht wenige vom Feinde niedergerissen. Über 1.000 Personen wurden von der Pest hinweggerafft. Waren im Jahre 1581 in der Stadt 147 „besessene Mann- und Feuerstätten“, wonach sich ja die damalige Einwohnerzahl ungefähr schätzen ließ, so waren mit Ablauf des Epidemiejahres nur noch 41 Ehepaare übrig geblieben: 25 in den Vorstädten und im Schlosse, 16 in der Stadt selbst. Noch öfter wurde Mügeln in dieser bösen Zeit von den verwilderten und teilweise entmenschten Kriegsscharen – Freund und Feind trieben es gleich arg – heimgesucht. Eine gedeihliche Entwicklung während des grausamen Krieges war unmöglich. Eine Schilderung der weiteren Stadtschicksale führte in einer Kirchenchronik zu weit. Wir brechen daher ab und gehen zu der lichtvolleren Geschichte über.
An dem wirtschaftlichen Aufschwung, der durch den Milliardenregen der französischen Kriegsentschädigung begünstigt und beschleunigt wurde, nahm auch unser Sachsen, speziell unser Mügeln teil. Ist unser liebes Heimatland zu einer weitläufig gebaute Stadt geworden, wo die rauchenden Schlote der industriellen Werkstätten einander zuwinken, so öffneten auch in unserer Stadt größere Etablissements ihre Pforten. Das erste war die am 06. Dezember 1872 dem Betriebe übergebene Schuhwarenfabrik Schurig und Prüfer, welche 1899 bedeutend vergrößert wurde. Noch fehlten die Träger und Vermittler des Verkehrs, die Eisenbahnen. Sie kamen. Am 01. November 1884 wurde die Strecke Mügeln – Döbeln, am 07. Januar 1885 die Strecke Mügeln – Oschatz, am 01. November 1888 die Strecke Mügeln – Nerchau – Trebsen eröffnet. Da sonstige Vorbedingungen hier gegeben waren, so zogen die Eisenbahnen naturgemäß Fabrikanlagen nach sich. Am 01. Oktober 1895 wurde die Ofen, – Porzellan – und Tonwarenfabrik, am Anfange des Jahres 1900 die chemische Fabrik „Lipsia“ dem Betriebe übergeben. Nicht zu vergessen ist die hiesige Gasanstalt, welche, ein Werk Mügelner Bürgersinns, im Juni 1891 eröffnet wurde. Eine Ölgasanstalt hatte schon Mitte der Sechziger bestanden. Sie ging ein, als das neue Aktienunternehmen ins Leben trat. Der steigende Wohlstand spornte auch die Unternehmungslust der vorwärts strebenden Stadtverwaltung an. Neue Straßen wurden angelegt und teilweise bebaut, durch Beschleußung (1890 und 1892) und Wasserleitung (1. September 1892 eröffnet) für die sanitäre Wohlfahrt gesorgt, kurz überall Rührigkeit. Recht deutlich tritt die Entwicklung vor Augen, wenn man erwägt, dass seit 1882 nicht weniger als fünf neue Straßen angelegt worden sind: Albertstraße 1882/92 (heute: Karl-Liebknecht-Straße, an der Buchdruckerei), Lindenstraße 1885/86 (Goethestraße), Schlosszugangsstraße 1890 (Schlossstraße),
Bismarckstraße 1893 (Rudolf-Breitscheid-Straße) und die Karolastraße ebenfalls 1893 (Clara-Zetkin-Straße). Das ist für eine kleine Stadt eine sehr bedeutende Leistung. Wer, zur Rosenzeit vom Bahnhof her kommend, die Bahnhofstraße mit ihren schmucken Villen und gutgepflegten Vorgärten entlang schreitet und dann in die Lindenstraße einbiegt, welche in ihrem größten Teile eine Zierde der Stadt ist, da Villa an Villa sich reiht, der wird sein Auge gern auf dem neuerbautem Schulhause ruhen lassen. Mancherlei Schwierigkeiten mußten überwunden werden, ehe der Bau beginnen konnte, ein bedeutendes Opfer mußte der Bürgerschaft zugemutet werden; doch am 26. Oktober 1886 konnte die Weihe des Hauses vollzogen werden, an dem von 12 Lehrern jetzt 564 Kinder unterrichtet werden.
In unserer verkehrsreichen Zeit müssen wir auch desjenigen Instituts gedenken, welches in reger Wechselbeziehung den Verkehr befruchtet und von ihm wieder befruchtet wird: der Postanstalt, welche in einem vom Reiche gemieteten Gebäude untergebracht ist. Am 01. Juli 1828 errichtet, hat sie manche räumliche Wanderung und manche Wandlungen nach Art und Umfang ihrer Tätigkeit durchgemacht, ehe sie das geworden ist, was sie jetzt ist. Ihr neuestes Entwicklungsstadium bezeichnet die am 20. Juli 1899 erfolgte Eröffnung der Telefonverbindung.
Hinsichtlich der Einwohnerzahl in den verschiedenen Jahrhunderten kann man aus der folgenden Zusammenstellung Schlüsse ziehen. Im Jahre 1571 waren 146 Feuerstätten, 10 Jahre später 147 „besessene Mann- oder Feuerstätten“, ums Jahr 1760 dagegen ohne Rathaus, Diakonat, Schulhaus und Schlosshäuser 188 Feuerstätten vorhanden. Im Jahre 1843 zählte man 301 Brandstätten, darunter 268 Wohnhäuser, einschließlich des Schlosses, der Schloßhäuser und der öffentlichen Gebäude. Im Jahre 1900 ist die Zahl der Wohnhäuser auf 343 angewachsen. In ihnen befinden sich 692 Haushalte. Die Einwohnerzahl ist von 2265 nach der Zählung im Jahre 1843 auf 2655 im Jahre 1895 gestiegen, um aller Wahrscheinlichkeit nach die 3000 im Jahre 1900 erreicht zu haben, oder wenigstens in kurzer Zeit zu erreichen. In der Himmelfahrtswoche vom 20. – 24. Mai 1900 (verlängert bis 27. Mai) fand eine Altertümerausstellung im Gasthof „Hirsch“ statt, welche den Anlaß hatte, der weiteren Verschleuderung von Altertümern vorzubeugen. In der Ausstellung waren prähistorische Zinn- und Schmuckgegenstände, alte Urkunden und Münzen, Hausgeräte, Möbel und v. m. zu besichtigen. Das Austellungskomitee setzte sich zusammen: aus dem damaligen Bürgermeister und Vorsitzenden Herrn Börngen und dem Bäckermeister und Vorsitzenden des Gewerbevereins Herrn E. Striegler. Interessant waren die damaligen Eintrittspreise:
• Erwachsene: 30 Pfennige
• Kinder. 15 Pfennige
• Schulklassen je Kind: 5 Pfennige.
Ein weiteres Ereignis fand vom 21. – 24. Juli 1900 statt, „Das Mügelner Heimatfest“. Das schöne Wetter begünstigte die Feierlichkeiten und ließ die reiche Dekoration von Häusern, Markt und Festplätzen noch schöner erscheinen. Konzerte auf allen Festplätzen, ein Festgottesdienst in der Johanniskirche, Tanz, ein Kinderfest, Übungen der Feuerwehr sowie ein Feuerwerk rundeten das schöne Fest ab.


Quellen: Johann Fiedler, Müglische Ehren- und Gedächtnissäule
M. Daniel otto Zießler Historische und andere Begebenheiten der Müglischen Ehren- und
Gedächtnissäule
M. Johann Gottlob Zins Geschichte der Stadt Mügeln und Umgegend
Pfarrer Siegert vorliegendes Manuskript, welches von seinem Sohn Prof. Schneider
Freundlichst überlassen wurde
Lic. theol. Gedenkschrift an die Restauration und Einweihung der
Gustav Leonhardi St. Johanniskirche in Mügeln.