(Traditionsreiche
Einzelhandelsunternehmen in Mügeln)
„
Jugendmode“ gegen Konsum-Ambitionen verteidigt
In Seifhennersdorf (Oberlausitz) wuchsen zu Ende des 19. Jahrhunderts
in der Weberfamilie Schmidt drei Brüder auf. Der Verkauf
selbst gebleichter und gewebter Stoffe ernährte die Familie.
Der Betrieb ging aber nur an einen Nachfolger, und so zogen zwei
der Brüder mit Pferd und Wagen durch Sachsen und verkauften
die gewebten Stoffe. Adorf Schmidt wurde schließlich in
Mügeln und sein Bruder in Oschatz sesshaft.
Adolf eröffnete am Altmarkt neben dem Mügelner Rathaus
am 10. März 1890 seinen Laden. Anfangs verkaufte er mit seiner
Frau nur selbst gefertigte Stoffe. Erst um die Jahrhundertwende
wurde die erste Konfektion geschneidert und verkauft. Die Frauen
nähten meist Hosen und Berufsbekleidung, und die Männer
verkauften die so genannten „blauen Ware“. Gewebt wurden
die blauen Stoffe von der Verwandtschaft in der Oberlausitz. Hauptsächlich
Herren- und Knabenbekleidung war gefragt. Anzüge und Westen,
Jagdwesten und Hemden rundeten das damalige Sortiment ab. Bis zum
Ersten Weltkrieg fuhr Adolf mit dem Pferdewagen auf Dörfer
und Bauerngehöfte, um dort seine Textilien anzubieten, seine
Frau verkaufte derweil im Laden.
Im Jahre 1920 übernahm Tochter Hedwig das Geschäft.
Verheiratet war sie mit dem Kaufmann Rudolf Remke. Sohn Siegfried
Remke wurde auch im elterlichen Geschäft groß und lernte
später Lebensmittelkaufmann. Seine Frau Herta hatte als gelernte
Damenschneiderin eine eigene Schneiderei und war seit 1951 selbstständig.
Zusätzlich zur Herren- und Kinderkonfektion wurde nun auch
modische Damenkleidung nach Maß gefertigt. Siegfried und
Herta Remke übernahmen Geschäft und elterliches Schneiderei
1959. Anfang der 60er Jahre wurden sie Kommissionshändler
der HO.
Sie führten während der sozialistischen Mangelwirtschaft
einen ständigen „Kampf um die Ware“. Selbst im
Urlaub klapperten sie Produzenten oder Anbieter nach brauchbaren
Sachen ab. Gern kamen die Kunden auch aus den umliegenden Dörfern
zu „Hosen-Schmidt“. Warenangebot und Qualität
stimmten, die Bedienung war kompetent und stets freundlich. Remkes
waren in Mügeln jedoch nicht die einzigen Anbieter von Textilien.
Es gab noch zwei weitere Geschäfte, eins von der HO und eins
vom Konsum.
Zu Beginn der 70er Jahre übernahm der Konsum fast alle Läden
in Mügeln. Ein Sortimentskampf entbrannte – Remkes sollten
den Verkaufsbetrieb „Jugendmode“ abgeben, denn die
gute Lage des Ladens und den guten Umsatz zur Jugendweihe hätte
der Konsum selbst gern gehabt. Mit Unterstützung der HO konnte
die Bedrohung überstanden werden. In den folgenden Jahren
spezialisierten sich Remkes wieder auf Herren- und Kinderbekleidung
und prägten das heutige Antlitz des Geschäfts. Die Familientradition
wird seit 1991 durch Tochter Gabriele Winkler fortgesetzt. Das
Unternehmen befindet sich in guten fachlichen Händen. Herren
und Knaben können sich von Kopf bis Fuß einkleiden.
Nur die Schuhe sollten sie mitbringen, denn die gibt es nicht.
Der Beitrag stammt aus dem Buch „Geschäfte mit Geschichte – Traditionsreiche
Einzelhandelsunternehmen in Westsachsen“; herausgegeben 2001
vom Handelsverband Sachsen e. V.
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