Online-Chronik der Stadt Mügeln
 
100 Jahre Heimatzeitung

Es gibt in unserem Heimatgaue nicht all zu viel Zeitungen, die auf eine hundertjährige Tradi-tion zurückblicken können. Ein hundertjähriges Zeitungsbestehen ist mehr als ein Jubiläum schlechthin, ein hundertjähriges Zeitungsbestehen bedeutet hundert Jahre Dienst für Heimat und Vaterland. Ein hundertjähriges Zeitungsbestehen ist zugleich ein Spiegelbild der Ge-schichte unserer Heimat, unseres Volkes. Die Zeitung ist ihren Weg hundert Jahre lang ge-gangen durch Glück und Glanz, durch Not und Erniedrigung. Sie war und ist Künderin einer neuen Zeitwende. Alles, was in der Heimat und draußen in der großen Welt geschah, wurde festgehalten in den Spalten unserer Zeitung. So ist auch das „Mügelner Tageblatt“ ein Stück Leben von uns allen.

Wenn wir nun unserem Geleitwort zur heutigen Jubiläumsausgabe die Überschrift „100 Jah-re Heimatzeitung“ gaben, so taten wir es mit vollem Bewusstsein. Fest verwurzelt ist das „Mügelner Tageblatt“ mit der Heimat, fest verwurzelt mit seinen Leben. Ihnen und der Heimat dient unsere Zeitung und wirkt für sie. Diese Tatsache ist für uns zur Tradition geworden, und ihr verdanken wir die unverbrüchliche Treue der Leserschaft, die der Heimatzeitung durch Generationen hindurch bewiesen worden ist. Unsere Zeitung fühlt sich darum mit allen aufs engste verbunden, ganz gleich, ob Kopf- oder Handarbeiter, Bürger oder Bauersmann, als und jung. Ihnen allen, der großen Lesergemeinschaft, aber zu danken für die Treue dem „Mügelner Tageblatt“ gegenüber, ist uns gerade heute ein herzliches Bedürfnis.

Das wir nun unser Jubiläum aber in der Zeit eines neuen Volkwerdens begehen können, ist und bleibt die erfreulichste Tatsache in der Chronik des „Mügelner Tageblattes“. Die Zeitung hat heute auch rein gar nichts mehr gemein mit jenem Journalismus einer vergangen Zeit. Und gerade heute, an unserem Jubeltage, verdienen die Ziele, die der Heimatpresse gestellt sind, ganz besonders unterstrichen zu werden.

Wie alles im kulturellen Leben hat auch die Zeitung als wichtige Kulturträgerin neue Wege gewiesen bekommen. Dieses gilt sowohl für die Großstadtpresse, als auch für die Heimat-presse. Nun schien es aber gerade in jüngster Zeit oftmals so, als sollte die Heimatpresse gänzlich überflügelt werden. Überflügelt in der Hinsicht, dass man die Heimatzeitung als et-wa an sich Gegebenes ansah, das aber in heutiger Zeit keine Aufgabe mehr habe. Nunmehr hat aber gerade die Heimatzeitung neue Aufgaben erhalten, Aufgaben, durch die die Erhal-tung und Förderung der ortsansässigen Zeitung nicht nur wünschenswert erscheint, sondern zu einem Gebot der Stunde wird.

Die Heimatzeitung ist das wichtige Bindeglied zwischen bodenständiger Bevölkerung und der Heimat. Was die Heimat interessiert, findet in ihr Widerhall. Alle kleinen Begebenheiten findet der Leser in ihr. Mag auch über sie gespottet werden, weil sie „jede belanglose Ne-bensächlichkeit“ berichtet. Wer aber solche „kleinen“ Nachrichten der Heimatzeitung missbil-ligt, ist weit davon ab, ihr Wesen zu verstehen. Gerade manches scheinbar Nebensächliche interessiert nun einmal den Leser und die Bezieher, zumal in den Orten, wo einer den ande-ren kennt. Die Leser unterhalten sich über solche Meldungen untereinander sehr gern, sie kommen zu einander fragen: „Hast Du das und das schon gelesen?“ Wenn eine Zeitung die-se „Kleinigkeiten“ in gut redigierter Form bringt, dann kann ihr Grad der Volkstümlichkeit nur wachsen. Gerade aus dem Vorhergesagten, aus der Berichterstattung, die in den Ereignis-sen des Tagesgeschehens der engeren Heimat wurzelt, ergibt sich die Daseinsberechtigung der Heimatpresse. Die gute Heimatzeitung beschränkt sich nicht darauf, amtliche und sons-tige Einsendungen wiederzugeben, sondern sie bespricht die Dinge des Heimatgeschehens, so, wie sie der Leser haben will. Sie bringt ihm all die Dinge nahe und nimmt hierzu Stellung. Damit kommt gerade für die Heimatpresse die so viel gerügte „Uniformierung der Presse“ in Fortfall. Sie hat ihr eigenes Gesicht, das Gesicht, das ihr die Heimat gibt.

Was für allgemeine Dinge des täglichen Heimatgeschehens für die Ortspresse ausschlagge-bend ist, trifft in besonderem Maße für die Behandlung des kommunalpolitischen Gesche-hens zu. Nur die Ortszeitung kann das Heimatgeschehen – insbesondere das kommunalpoli-tische – so gestalten, wie es im Interesse der Allgemeinheit liegt. Daraus ergibt sich, dass der Leser gerade durch die Heimatpresse auch mit den kommunalpolitischen Dingen vertraut wird, die ihm durch andere Zeitungen nicht nahe gebracht werden können.

Aus dieser Tatsache ersieht man ganz zwangsläufig, dass die Heimatzeitung für jeden wich-tig ist, der die Heimat liebt und sie verstehen will. Selbst das kleinste deutsche Presseer-zeugnis im kleinsten Ort ist bei verständnisvoller Führung für jeden Einwohner eben unent-behrlich.

Und nun noch etwas, was manch einer, der die Heimatzeitung nicht recht verstehen will, ge-gen sie immer wieder ins Feld führt; „Ja, die Heimatzeitung, ganz gut und schön, aber solche Artikel, wie sie die Großstadtpresse bringt, so ausführlich kann die Ortspresse sie ja gar nicht bringen.“ RICHTIG. Das will ja auch die Heimatpresse gar nicht. Sie bringt aber bestimmt das Wichtigste des großen inner- und außerpolitischen Tagesgeschehens. In der Länge liegt nicht immer die Güte des Artikels. Er kann mit wenigen und markanten Sätzen dasselbe sa-gen, wie ein um vieles längerer Aufsatz. Es soll ja auch nicht die Aufgabe der Heimatzeitung sein, sich mit Problemen zu beschäftigen, wie es der Großstadtpresse einzig und allein zu-kommt. Sie „sitzt nicht an der Quelle“, wenn man so sagen darf, und deshalb bleibt sie be-scheiden und bringt kurzweg die Tatsachen. Stellungnahmen und Erörterungen sollen der Großpresse vorbehalten bleiben. Deshalb ist sie nicht minder nationalsozialistisch wie die übrigen Zeitungen der Großstadt, die nationalsozialistisches Gedankengut in ihren politi-schen Leitsätzen und Erörterungen besser gestalten können. Die Heimatpresse aber kann gerade im heimatlichen Teile nationalsozialistisches Gedankengut bestens herausschälen und verarbeiten. Und es ist ja auch anerkannt worden, dass es gerade die kleine Presse z. T. mit war, die in den Jahren des Kampfes ein weit treuerer Mitarbeiter der Bewegung war, als die „Allerweltspresse“. Und auch die Heimatpresse war es, die nach dem Umbruch der Zeit ganz selbstverständlich und freudig das nationalsozialistische Gedankengut aufgriff.

Aus diesen Darlegungen soll der Leser der Heimatzeitung die Erkenntnis schöpfen, dass ihm seine Zeitung, die Heimatzeitung, steter Wegbegleiter für alle Zeiten sein möge. Das Vorur-teil, das man gern gegen die Kleinstadtpresse hegt, soll gebrochen sein. Sie hat ihre Aufga-ben genau so gut wie die Großstadtpresse. Die Richtung ist der Heimatpresse gegeben. Sie hat sich bewährt und wird sich weiterhin bewähren.

Die Schriftleitung unserer Zeitung kann von sich aus behaupten, dass es ihr heiligste Ver-pflichtung ist, in aufrechter, klarer und verantwortungsbewusster Arbeit ihren hohen und schönen Aufgaben nach besten Kräften zu dienen. So soll es auch für die Zukunft sein. Wir wollen mitarbeiten am weiteren Aufbau unseres Vaterlandes, an der geschichtlichen Mission Deutschlands. Und unser Tun soll immer der Grundsatz bestimmen:

Alles für unser Heimat und Vaterland!!!

Juni 1838 Wochenblatt – Gründung

Mit der Inbetriebnahme der Leipzig – Dresdner Eisenbahn im Jahre 1837 entstand der erste bedeutende Schienenweg in Deutschland. Das war eine revolutionierende Tat! Wie alles Neue im Leben bekrittelt zu werden pflegt, so traf dieses auch auf den Bahnbau zu. Und doch welch ein Segen. Insbesondere war es natürlich des Wirtschaftleben Sachsens, das mit dem Bahnbau eine ungeahnte Belebung erfuhr. Handel und Wandel blühten auf, ein neuer Zeitabschnitt war angebrochen.
In dieser Zeit tauchte der Gedanke der Gründung eines Wochenblattes – wie damals im All-gemeinen die Zeitungen sich nannten – auf. Auch in Mügeln hatten sich Handel und Wandel gehoben, im Fortschritt der Zeit und der Kultur erkannte man schon damals, dass eine auf-wärtsstrebende Stadt nicht mehr ohne Zeitung sein kann. Freilich, für einen Herausgeber einer Kleinstadtzeitung war ein derartiges Unternehmen nicht ganz ohne Risiko. Wir wissen, dass gerade in jener Zeit so manche Verleger von Zeitungen, sogar solche in größeren Städ-ten, Sprichwörtlich „vor Hunger nicht in den Schlaf kommen“ konnten. Aber wie es immer Menschen gibt, die das Schicksal bestimmt, Pionierarbeit zu leisten und die mit dem unbän-digen Glauben an ihre Sendung erfüllt sind, so war ein Gustav Strahmer dazu bestimmt, in Mügeln die erste Zeitung herauszugeben. Gustav Strahmer, ein Mann von ungewöhnlicher Tatkraft und zäher Energie war voll Vertrauens zu seiner Aufgabe. Zudem wusste er ja auch, dass Mügeln schon damals ein äußerst reges Städtchen mit lebhaftem mit Handel und Wan-del war, dessen Einwohnerschaft sich dem Neuen nicht verschloss. Ferner kam hinzu, dass Mügeln auch schon damals – was für eine Zeitung mit ausschlaggebend sein soll – ein gutes Hinterland mit einer recht zufriedenen stellenden Bevölkerungsdichte hatte. Das alles hatte Strahmer in die Waagschale geworfen, denn er war ein viel zu kluger Kopf, als dass er mit erheblichen Mitteln einen guten Zeitungsverlag gegründet hätte, der über kurz oder lang zu-sammenbrechen musste.

So erschien am 23. Juni 1838 die erste Nummer des jetzigen „Mügelner Tageblatt“ dem da-maligen „Wochen- und Intelligenzblatt der Stadt Mügeln und Umgebung“. Verantwortlicher Redakteur und Verleger war Strahmer. Dieser Tag war der Sonnabend nach dem 26. Ge-burtstag des jungen und mutigen Zeitungsgründers und Verlegers Strahmer, der seine Dru-ckerei im ersten Stockwerk des Hauses Grimmaische Gasse Nr. 63 eröffnet hatte. Damit nahm das jetzige „Mügelner Tageblatt“ seinen Weg in die Öffentlichkeit. Die Stadt Mügeln hatte ihre Zeitung.

Nach kaum mehr als einem Jahr, es war die Nr. 20 des zweiten Jahrganges, tauchte in den Spalten des „Wochen- und Intelligenzblatt“ eine neue Rubrik auf: „Politische Umschau“. So war der Weg vom reinen Unterhaltungsblatt zur für damalige Zeit modern gestalteten Zei-tung, die sich nunmehr auch mit der Politik befasste, beschritten. Dieser Weg aber war wahrscheinlich nicht unbeschwerlich. Das damalige Pressegesetz, das jede journalistische Gestaltungskraft in ihrem Aufkommen hemmte, wirkte sich recht lähmend auf den Inhalt aus. Die hohe Obrigkeit wachte mit wahren Argusaugen darüber, dass ja nicht irgendetwas ge-druckt wurde, was nicht der Zensur vorgelegen hatte.

Das hemmende Gesetz fällt

Hoch schlugen die Wogen der Freiheitsbestrebungen des Jahres 1848. Manches alte stürz-te, neues trat an seine Stelle. Auch das bisherige Pressgesetz, das sich lähmend auf die Entwicklung der Zeitung auswirkte, fiel. Ein neues, freies Pressegesetz trat am 16. März in Kraft, das als wichtigsten Kernpunkt die Aufhebung der Zensur mit sich brachte. Dieses neue Gesetz wirkte sich günstig auf die inhaltliche Gestaltung des Blattes aus. So konnte vor al-lem der politische Teil besser ausgebaut werden und auch zu brennenden politischen Tages-fragen Stellung genommen werden. War ein offenes Wort bislang nicht erlaubt, so konnte der „Redakteur“ jetzt seinem Herzen Luft machen.

Amtsblatt des Amtsgerichtes und des Stadtrates zu Mügeln

Ein bedeutungsvoller Tag für die Zeitung sollte der 30. März 1862 werden. An diesem Tage wurde das Wochenblatt lt. einer Verordnung der königlichen Kreisdirektion zum Amtsblatt für das damalige Gerichtsamt Mügeln und den Stadtrat zu Mügeln erhoben. Was dieses für das Blatt bedeutete, das lesen wir in der Nummer, in der die Verordnung veröffentlicht wird. Der Verleger schrieb hierzu: „Diese Erhebung mit gebührenden Danke würdigend, wird es des Unterzeichneten aufrichtiges Bestreben sein, die Tendenz des Blattes auf eine dem Amts-blatte entsprechende Weise zu leiten“.
Diese Ernennung des Blattes zum Amtsblatt des Amtsgerichtes und des Stadtrates beweist besser, als es Ausführungen an dieser Stelle tun können, die Bedeutung des damaligen Wo-chenblattes.
So geht es immer weiter vorwärts. Der 8. April 1863 ist wieder ein besonderer Tag in der Geschichte der Zeitung: Die Zeitung erscheint im vergrößerten Umfang. Außerdem wird jetzt der amtlichte Teil, wie auch der Anzeigen zweispaltig gesetzt, anstatt wie bisher einspaltig über die ganze Breite.

Wöchentlich zweimaliges Erscheinen

Anfang des Jahres 1870 beschloss der Verlag, das Blatt nunmehr Mittwoch und Sonnabend um 8 Uhr erscheinen zu lassen. Die Leser freuten sich nunmehr wöchentlich zweimal über das neueste politische und heimatliche Geschehen unterrichtet zu werden.
Das darauf folgende Jahr, das Jahr 1871, brachte eine wichtige Veränderung im Verlag. Der am 4. September 1849 geborene Alwin Fedor Strahmer trat in en Verlag als Mitinhaber ein. Der Druck des „Wochenblatt“ erfolgte nunmehr von der Firma G. Strahmer und Sohn. Aber noch immer war Gustav Strahmer der geistige Führer der Zeitung, denn er allein zeichnete für die Gestaltung der Zeitung verantwortlich. Leider aber rief ein herbes Schicksal am 9. Juli 1872 den unermüdlichen und zielstrebigen Gustav Strahmer für immer ab. Mit Gustav Strahmer ging nicht nur ein befähigter Zeitungsmann heim, sondern ein Diener an der Hei-mat, der er mit seiner erfolgten Zeitungsgründung ein wichtiges Instrument in die Hand ge-geben hatte, das ein wesentlicher Faktor im öffentlichen Leben geworden war. Zudem war Gustav Strahmer der Mann, der nicht nur den Eigennutz im Auge hatte, sondern durch die Tat bewies, dass er seinem Volke zu dienen hatte. So war er lange Jahre Ratsmann und man wusste seinen Rat wohl zu schätzen. Ein Pionier für die Heimat hatte seine Augen für immer geschlossen.
Nun übernahm die Witwe Strahmer in Gemeinschaft mit ihrem Sohn Fedor den Verlag, wäh-rend als Redakteur Bürgermeister a. D. Carl Schurig verantwortlich zeichnete, bis dann 1873 auch die Schriftleitung Fedor Strahmer übernahm.

Weiterer Ausbau der Zeitung

Es sollte sich erweisen, dass das „Wochenblatt“ unter der neuen Leitung des jungen Fedor Strahmer einen außerordentlichen Aufschwung nahm. Richtig erkannte Fedor Strahmer, dass das Wesentliche bei einer Zeitung einer Kleinstadt die Pflege des örtlichen Teiles ist. So baute er diesen Teil der Zeitung ganz erheblich aus. Ab 1. März 1873 erfolgte unter der Gesamtüberschrift „Lokale und sächsische Mitteilung“ eine für damalige Zeit schon recht ansehnliche Berichterstattung über all die Dinge, die die engere und weitere Heimat betra-fen. Das war abermals ein Schritt, um der Zeitung eine immer weitere und sichere Basis zu schaffen. Im Jahre 1875 erkannte auch die Amtshauptmannschaft zu Oschatz das „Wochen-blatt“ besonders an und erhob es zum Amtsblatt.

Mügelner Tagesblatt 23. Juni 1938