Online-Chronik der Stadt Mügeln
 
 

Das Mügelner Heimatmuseum

Nachrichten von Maximilian Weber

Wenn Heimatfest zugleich Heimatschau bedeutet, dann gehört es zu den Anstandspflichten der Teilnehmer, dem Heimatmuseum einen Besuch abgestattet zu haben. Wohl ist seine Lage vortrefflich – dort am würdigen, sinnigen Schlageterplatz, ganz in der Nähe der Schule, sodass Führungen und Besichtigungen nie Zeitverlust voraussetzen; aber seine beengten räumlichen Verhältnisse, die ein mehrfaches Übereinander und ein dichtes, gedrängtes Beieinander der Dinge nötig machen, sind weit vom Ideal entfernt. Bald wird eine bessere Zeit anbrechen. Bis dahin wollen die Bewohner die dem Museum zugedachten Stücke fein säuberlich bewahren. Absichtlich ist in dieser Richtung keine Werbung erfolgt. Das Museum muß seine Vorbereitungen auf ein Heimatfest von langer Hand vorbereiten. Da ist in drei, vier Wochen nichts getan. Genau vor Jahresfrist machte sich der Verfasser dieser Betrachtung an die Arbeit, alle vorhandenen Bestände zu sichten und in einen Katalog aufzunehmen. Dieses Werk bekam seinen Wert dadurch, dass die Gegenstände nicht nur mit Namen genannt sondern gemessen, beschrieben und teilweise gezeichnet wurden. Der Beschauer des Kataloges kann sich also beim Lesen von jedem Dinge eine Vorstellung und ein Bild machen.
In 11 Kapiteln ist der Mügelner Museumsschatz untergebracht. Zahlenmäßig beträgt sein Umfang z. Z. über 1300 Nummern mit über 1500 Einzeldingen. Nie wird man des reichen und wertvollen Grundstockes im Museum gedenken, ohne den Namen des überaus fleißigen und verständnisvollen ersten Mügelner Sammlers Richard Hummitzsch genannt zu haben. Er ist auf immer mit ihm verbunden.
Ausstellungsgruppe 1 bringt zahlreiche und wertvolle, auch seltene Belegstücke aus Vor- und Frühgeschichte. Da tritt auf die mittlere Steinzeit (7500 v. Chr.) mit ihrer Feuersteinkultur. Du siehst Absplisse, Abschläge, gestielte und geflügelte Pfeilspitzen, Speerspitzen, Klingenkratzer, Messer, Kernstücke, Klopfkugeln. Die jüngere Steinzeit (4000 bis 2000 v. Chr.) tritt dir entgegen mit Gefäßscherben der Stichband- und Linienbandkeramik, mit flachen, durchbohrten Schuhleistenkeilen, mit Steinhammer, Äxten, Flachbeilen, Pflugscharen, Spinnwirteln, mit Reibe- und Mahlsteinen, Hüttenbewurf. Die Bronzezeit als ganze Periode von 2300 bis 800 v. Chr. Ist belegt durch Amphoren, Terrinen,Armringe. Auch die Germanenzeit, die Sorbenzeit, die frühdeutsche Zeit und das Mittelalter kann mit Fundstücken aufwarten. Ausstellungsgruppe 2 bringt Dinge aus dem finsteren Mittelalter mit seinem eigenartigen Rechtsleben. Du siehst Fuß- und Handschellen, alte Schlösser und ein seltenes Schandsteinpaar. In Austellungsgruppe 3 sind die Funde vom Vestenberg bei Baderitz zusammengestellt. Man sieht Hufeisen, Beile, Hellebarden, Brandpfeilspitzen, handgeschmiedete Nägel, Kettenglieder, Pferdezaum aus Messing, Ziegelreste, gebrannte Tongewichte und wohl hundert Scherben.
Ausstellungsgruppe 4 nimmt Waffen und Uniformstücke auf. Der Beschauer kann die Armbrüste spannen, Gewehre mit Feuersteinschlössern und Pulverpfannen im Gewicht abschätzen; er sieht auch Lanzen, Lanzenspitzen, Säbel, Seitengewehre, Pulverhörner, Erinnerungen aus dem Weltkriege. An den Uniformröcken eines Schützen, eines Bergmannes, eines sächsischen Steuereinnehmers und an den Kopfbedeckungen geht keiner vorüber.
Reichlich ausgestattet ist Gruppe 5 mit Gebrauchsgegenständen aus Haus und Wirtschaft. Zinn-, Kupfer-,Messing- und Porzellangefäße sind zusammengestellt. Wen fesseln nicht die Formen zum Lichterziehen, die Ölfunzeln, die Lichtputzscheren, die Laternen und Leuchter.Hast du schon das Nudelholz, die Handmangel, die Kartoffelquetsche, die Flachspresse, die Weifen (wei|fen [V.1, hat geweift; mit Akk.] auf die Weife wickeln, haspeln; Garn w.) probiert? Wenn sich das Museum erst weitet, dann erhält die große Kinderwiege einen schönen Platz; davor kommt der geschnitzte Stuhl, auf einem Tischchen steht das Gestell mit dem Klöppelsack, der eine angefangene Spitze zeigt und zum Nachmachen anregen soll. Ein duftiges Kleid aus der Biedermeierzeit mit Ledergürtel und Tasche und einem Schleppenträger nimmt die Aufmerksamkeit gefangen. Holzspaten, Holzschlittschuhe, seltsame Spazierstöcke, Schnupftabaksdose und Fruchtmesseraständer (1796), ein handgeschmiedeter Rauchständer rufen allerlei Erinnerungen an Mügelns vergangene Tage wach.
Mügelns Handwerke sind erst zu einem Teile durch beigesteuerte Gaben in Gruppe 6 vertreten. Das allgemeine handwerkliche Brauchtum ist durch Fahnen, Laden, Felleisen und Knotenstock betont. Achte auf den Wanderburschen im Festzuge! Er trägt Museumsstücke zur Schau. Im übrigen repräsentierten das Schuhmacherhandwerk, die Lein- und Wollenweber, die Stoffdrucker, der Handtöpfer, die Maurer, die Zimmerleute, die Schlosser, die Hufschmiede, der Dachdecker und die Böttcher. Gar viele der bestehenden Gewerbe warten mit noch keinem Handwerszeug im Museum auf. Und doch liegt dort eine alte Holzzwinge, ein ausgedienter Hobel, da ein Fleischerbeil, ein Hackstock oder Schablonen.
Besonderes Interesse und eine besondere Einstellung erfordert die Ausstellungsgruppe 7. Allein 600 Nummern sind hier an Büchern und Akten zusammengetragen und beschrieben. Eine Kartothek allein für diese Bestände ist angelegt worden. Hier stauen sich Werke für allgemeines Wissen, religiöses Wissen, Zeitschriften, fremdsprachliche Bücher, Heimatdichtungen, Schulhefte, Noten, Rechtswissenschaft, Geschichte, Erdkunde und dazugehörige Atlanten und Einzelkarten, Naturkunde, Literatur und eine Abteilung Verschiedenes, darunter eine Sammlung aller Plakate des erwachten deutschen Reiches. Die 8. Gruppe schließt in sich den Bilderreichtum aus Gebieten, wie Ortsgeschichte, Religion, Gesellschaft, Handwerk. Die Hundert ist bereits erreicht. Es fehlt ein gro0es Album zur Aufnahme von Personen, alter stiller Winkel, von Portalen und Hauseingängen. Freiwillige vor!
Reichlich ausgeweitet hat sich Dank vieler Spenden die Gruppe 9 mit Versteinerungen, Verkieselungen und Abdrücken. Gruppe 10 zeigt die Gesteine der engeren und weiteren Heimat mit etwa 50 Belegstücken.
Der Besucher des Mügelner Museums tut gut, nicht mit der Absicht, sich einen Totaleindruck zu verschaffen, hineinzugehen, sondern sich durch Teilbesuche allmählich mit dem Heimatgut, das durch die Jahrtausende und Jahrhundertemit der Müglischen Scholle eng verwachsen und verkettet ist, vertraut zu machen. Empfehlenswert ist eine systematische Belehrung in der Schule und eine heimatgeschichtliche Schulung der Blockbewohner in unserer Stadt. Die Kenntnis der schollegebundenen Brauchtümer ist ein wesentlicher Teil der Allgemeinbildung des deutschen Menschen. Sie legt Grund für ein Verständnis, wenn „Kraft durch Freude“ in die Weite ruft und heimatliche Dinge anderer Gegenden dem Auge vorgestellt werden. Der Vergleich und das daraus entstehende Werturteil regen dann an, Lücken im Museum der Heimatstadt auszufüllen, und Hände offen zu machen zu Gaben für das zuständige Heimatmuseum. „Aus der Heimat kommt der Schein, ‚s muss lieblich in der Heimat sein!“
(Maximilian Weber, Beilage zum Mügelner Tageblatt und Anzeiger – Nr. 149 v. 29.06.1939)