Online-Chronik der Stadt Mügeln
 
Programm zum Heimatfest in Mügeln

21. bis 24. Juli 1900

Sonnabend, den 21. Juli:

Empfang der Gäste, abends 8 Uhr Begrüßung auf dem Schützenhause.

Sonntag, den 22. Juli:

Empfang der Gäste, Allgemeiner Zug vom Markte aus mit den Ehrengästen, Korporationen und Gäste unter Festgeläute zum Festgottesdienst in der Stadtkirche. Konzerte auf dem Marktplatze und im Ratskellergarten. Abholung der Gäste.
1 Uhr Nachmittag: Gemeinschaftliches Mittagessen mit den Ehrengästen und Gästen im Saale des Ratskellers.
3 Uhr: Festumzug. Ansprache auf dem Markte. Konzerte auf dem Festplatze (Schützenhaus) und im Ratskellergarten.
8 Uhr abends: Festkommerse in den Gasthöfen zum „Hirsch“ und zum „Thüringer Hof“. Gesangs- und andere Aufführungen.

Montag, den 23. Juli:

Reveille, ½ 9 Uhr vormittags Übung der Freiwilligen Feuerwehr mit Sturmangriff, Besichtigung der Sehenswürdigkeiten der Stadt, Konzert auf dem Marktplatze und im Ratskellergarten.
1 Uhr nachmittags: Allgemeines Kinderfest mit Auszug der Kinder nach dem Festplatze. Konzerte und Aufführungen.
Abends: Zapfenstreich unter Fackelbegleitung durch die Straßen der Stadt und großes Feuerwerk auf dem Festplatze. Gemütliches Beisammensein und Tänzchen für die Festteilnehmer im „Thüringer Hof“.

Dienstag, den 24. Juli:

Ausflüge in die Umgebung von Mügeln.

Das Festkomitee glaubt auf einen zahlreichen Besuch auswärtiger lieber Freunde und Gäste in unserem Mügeln zu diesem Feste rechnen zu dürfen und gibt sich der angenehmen Hoffnung hin, dass die Bewohnerschaft von Mügeln und Umgegend in altbewährter Treue und Anhänglichkeit zur Feststadt einmütig und aus vollstem Herzen sich an den geplanten Festveranstaltungen beteiligen wird. Allen sei ein herzliches

WILLKOMMEN

hiermit zugerufen,

Mügeln, am 17. Juli 1900.

Das Komitee

Das Heimatfest unserer Stadt Mügeln

Ist begünstigt vom herrlichen Wetter bis jetzt aufs vorzügliche verlaufen. Die ohne Unterbrechung in langen Reihen gesetzten Fichten, die reiche Dekoration der Käufer, des Markt- und Festplatzes, sowie die vielen wehenden Fahnen bewiesen, dass dieses seiner Zeit im Gewerbeverein angeregte Heimatfest in allen Schichten unserer Bewohnerschaft freudige Aufnahme gefunden hat und dass keiner zurückstehen wollte, um zum ganzen und guten Gelingen dieses Festes sein Teil beizutragen. Bereits am Sonnabendnachmittag nahm unser Mügeln den Charakter einer echten Feststadt an. Die mit den Bürgern ankommenden ehemaligen Mügelner wurden vom Empfangskomitee nach erfolgter Begrüßung unter Musikbegleitung nach dem Marktplatze geleitet. Den Hauptpunkt des Sonnabends bildete jedoch unbestreitbar der Begrüßungskommers im Schützenhausgarten. Drohende Gewitterwolken schienen anfangs das gute Gelingen des Kommerses in Frage zu stellen, doch hatte auch hier der Himmel ein Einsehen. Bald füllte sich der geräumige, von den Weitausgedehnten Kronen herrlicher, alter Kastanienbäume überdachte Garten mit Festpublikum. Eröffnet wurde der Kommers mit einer zu Herzen gehenden padenden Ansprache des Herrn Bürgermeister Börngen, welche auf die Veranstaltung dieses Festes, die Liebe zur alten Heimat zu erhalten und zu wecken Bezug nahm. Mit einem von den zahlreichen Anwesenden mit Begeisterung aufgenommenen Hoch auf das Wohl und weitere gedeihliche Blühen und Wachsen unseres Mügelns endete genannter Redner. Gemeinschaftliche Gesänge wechselten nun in bunter Reihe mit Ansprachen, sowie Vorträgen der Liedertafel und des Männergesangvereins. Auch führten Mitglieder des Turnvereins mit vielem Beifall aufgenommen Gruppen unter bengalischer Beleuchtung auf. Herr Höhme, ein sehr altes Mügelner Kind, das im Jahre 1824 und 1834 hier Kurentaner war, erfreute die Anwesenden durch den Gesang eines Verses. Im Anbetracht des hohen Alters des Sängers ist dieses eine gewiss nicht zu unterschätzende Leistung. Im Laufe dieses Abends wurde manche alte Freundschaft erneuert. Rührend waren sehr oft die Szenen des Widererkennens alter Schulkameraden und Bekannter. Doch nach und nach in vorgerückter Stunde fand auch dieses sein Ende. Langsam leerte sich der Garten des Schützenhauses. Die Festteilnehmer besuchten zum Teil andere Restaurants, um im engeren Kreisen die Gedanken auszutauschen und sich längst vergessener Vorkommnisse zu erinnern. Wie manches alten guten Freundes, Verwandten oder Bekannten, der schon jahrelang unter dem Rasen ruht, wird auch hier in Wehmut gedacht worden sein. Die größere Anzahl wird jedoch bald nach Schluss des Kommerses ihr Lager aufgesucht haben, um am ersten Hauptfesttage, dem Sonntage, frisch und munter zu sein. Der Sonntag, als der Haupttag des Festes, wurde durch Empfang der sehr zahlreichen eintreffenden Gäste eingeleitet. In der neunten Stunde versammelten sich eine große Anzahl Teilnehmer, Innungen und Korporationen auf dem Marktplatze, um in gemeinschaftlichem Zuge nach der Kirche zum Festgottesdienst zu ziehen. Dieselbe war durch Mügelner Damen sehr schön geschmückt worden. Herr Pastor Siegert hielt eine zu Herzen gehende Festpredigt über das Thema: „Suchet der Stadt Bestes.“ Später fanden gut besuchte Frühschoppenkonzerte auf dem Marktplatze und im Ratskellergarten statt. Um 11 Uhr erfolgte ein kleiner festlicher Akt im „Hirsch“, indem durch Herrn Buchhändler Böhme, Leipzig, seitens der in Leipzig bestehenden Vereinigung Mügelner unter entsprechender Ansprache der Stadt und Schule ein in Ausführung und Ton sehr schönes Harmonium übermittelt wurde. Herr Bürgermeister Börngen dankte im Namen der von ihm vertretenen Stadt- und Schulgemeinde für dieses wertvolle Geschenk. Auch sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass sie in den Städten Dresden und Chemnitz bestehenden Vereinigungen ehemaliger Mügelner gemeinschaftlich unserer Stadt Mügeln ein Geschenk von 400 Mark überreicht haben. Die Verwendung des Geldes ist unserer Stadtvertretung überlassen worden. In dem vom 1 Uhr an im Ratskellersaale abgehaltenen gemeinschaftlichen Mittagessen beteiligten sich eine größere Anzahl Ehrengäste und Mügelner Herren. Eine schwungvolle Ansprache hielt der 81 Jahre alte Her Pastor Emerit. Hader, welcher in den Jahren 1847 – 1857 dem Mügelner Knaben- und Mädcheninstitut vorstand und dasselbe damals zu hoher Blüte brachte. Unter anderem trug ein 1828 geborenes Mügelner Kind, der Herrn Privatus Karl Hermann aus Dresden folgendes hübsche von ihm verfasste und von Heimatliebe zeugende Gedicht vor:

Man schrieb es an, man sagt es all den Treuen,
Der ganzen Erdenrund tat laut man´s kund,
Im Rosenmonat will köstlich sich erfreuen
Zum Heimatfest, der wackre Heimatsbund,
Man weit und breit den Ruf ergehen lässt,
kommt alle her zu unserm Heimatsfest.
Und seine Ruh´ ließ mir´s, ich musste ziehen
Zu meiner trauten lieben Vaterstadt,
Wo Freundschaft, Liebe, Einigkeit stets blühen,
Wo man so vieles, gute Schöne hat.
Wo stets man im geselligen Verein
Sich´s angenehm und wohlgemut lässt sein.

Zur Vaterstadt! Du alte, gute traute,
Wo einst mein Elternhaus, auch meine Wiege stand,
Wo Mutterliebe und ach Treue,
Wo wackre Lehrer führten mich an treuer Hand,
wo ich erlebte die wonn´ge Jugendzeit,
Die Kinderjahre, voller Freud und Leib.

Auch als ich dann, mit frohem Jugendmute
Zog weit hinaus in´s fremde, ferne Land,
Dacht ich stets dein, du alte, liebe gute –
Du traute Vaterstadt im lieben Sachsenland,
Der trauten Heimat, aller Lieben mein,
Drum will ich dir ein volles Glas jetzt weih´n.

Der Vaterstadt! Stets mög sie grünen, blühen,
Gott schätze sie von allem Sturm und Graus,
Nur Liebe, Glück und Wohlfahrt möge ziehen
In die Gemeinde, jedes Bürgerhaus.
Sie grüne und blühe, auf Freundschaft gestützt,
Und bleibe in Eintracht vor Stürmen geschützt.

Nachmittags in der 3 Stunde stellte sich auf dem Schulplatze der Festzug. Derselbe wurde von Mitgliedern des hiesigen Radfahrervereins, welche ihre Räder prächtig dekoriert hatten, eröffnet, diesen folgten im Zuge eine Abteilung der Freiwilligen Feuerwehr, der Militärverein, die Schützengesellschaft, die ehemaligen Mügelner aus den Städten Leipzig, Dresden und anderen Orten, der Turnverein, der Männergesangsverein, die Liedertafel und es bildete den Schluss die Freiwillige Feuerwehr. Vom Schulplatze aus setzte sich der Zug durch die Hauptstraße nach dem Marktplatze in Bewegung, woselbst die Aufstellung nahm. Herr Bürgermeister Börngen richtete von der mit zahlreichen Ehrengästen und Festjungfrauen besetzten Tribüne aus, markige Worte der Begrüßung und herzlichen Dankes an die Festteilnehmer. Nachdem die Ehrengäste, sowie Festjungfrauen und Komiteemitglieder sich dem Zuge einrangiert hatten, passierte derselbe durch die Bismarck-, Hack-, Albert-, Linden-, Karola-, Bahnhof-, Lommatzscher-, Hauptstraße, Altmarkt, Badergasse, Promenadengasse, Gerichtsstraße und zurück, durch die Schlossstrasse, das Schloss und zurück, über den Marktplatz, durch die Hauptstraße, Grimmaer- und Wermsdorferstraße nach dem Festplatze (Schützenwiese) Erwähnt sei noch, dass eine Anzahl alter Herren welche sonst am Festzuge nicht hätten teilnehmen können, in Landbauern gefahren wurden. Nachdem sich der Festzug aufgelöst hatte, entwickelte sich auf dem Festplatze ein ungezwungener fröhlicher Verkehr. Gleichzeitig war im Ratskeller ein besuchtes Konzert. Abends erfolgten im „Hirsch“ und „Thüringer Hof“ zwei Kommerse mit gleichem Programm. Die Leitung im „Hirsch“ unterlag Herrn Ratmann Striegler, im „Thüringer Hof“ Herrn Bürgermeister Börngen. Nach den von diesen Herren gehaltenen Eröffnungsreden wechselten Gesangsvorträge der Gesangsvereine und gemeinschaftliche Gesänge. Ein von den Damen Fräulein Johanna Striegler im „Hirsch“ und Fräulein Ida Zaspel im „Thüringer Hof“ mit vielem Geschick vorgetragenen Prolog erntete allgemeinen Beifall. Die Hauptfestreden hielten Herr Pastor Siegert im „Hirsch“ und Herr Schuldirektor Kaden im „Thüringer Hof“. Gleichzeitig führten einige Mitglieder des Turnvereins auf beiden Sälen einen Keulenreigen auf. Die Gesangsvorführungen waren in bereitwilliger Weise im „Hirsch“ vom Männergesangsverein, im „Thüringer Hof“ vom Gesangsverein Liedertafel übernommen worden. Bis zum Schluss herrschte in beiden Kommersen eine höchst animierte Stimmung. Auch entwickelte sich überhaupt in sämtlichen Restaurants ein fortgesetzt reger Verkehr. Am Montag in früher Morgenstunde erfolgte eine vom Musikkorps ausgeführte Reveille unter Begleitung einer Abteilung der Freiwilligen Feuerwehr. ½ 9 Uhr erfolgte Feueralarm. In kürzester Zeit war unsere Freiwillige Feuerwehr mit ihren Spritzen und sämtlichen Geräten auf dem Marktplatz erschienen. Hier angelangt entwickelte sich bald ein höchst interessantes Schauspiel. Das als Brandobjekt angenommene Wohnhaus Herrn Arthur Müller wurde mit zwei Schlauchleitungen bespritzt. Es kamen hierbei sowohl die große Schiebeleiter als auch der Rettungsschlauch in Tätigkeit. Nachdem die Übung beendet, nahm das Feuerwehrkorps Aufstellung vor dem Rathause. Herr Bürgermeister Börngen hielt eine Ansprache, in welcher er die Leistungen der Freiwilligen Feuerwehr anerkannte und das gesamte Löschwesen der Stadt Mügeln als auf der Höhe der Zeit stehend bezeichnete. Mit einem Hoch auf Se. Majestät den König als den Protektor der Sächsischen Freiwilligen Feuerwehr schloss der Herr Bürgermeister seiner Ansprache. Der heutige Tag war aber auch noch in anderer Beziehung ein Fest und Ehrentag, indem es einer Anzahl Mitglieder unserer Feuerwehr vergönnt war, auf eine 25, 20, 15 oder 10 jährige treue Dienstzeit zurückzublicken. Der Steigerführer Herr Moritz Eduard Finck, welcher 25 Jahre dem Korps angehörte, wurde durch das von Sr. Majestät den König verliehene Verdienstkreuz mit Urkunde ausgezeichnet. Der Feldwebel, Herr Richard Stöckert, erhielt für 20 jährige Dienste ein vom Landesverband Sächsischer Feuerwehren ausgestelltes Diplom. Die 15 Jahre dem Korps angehörigen Kameraden, Spritzführer Herr Hermann Höhne, Stellvertretender Führer Herr Otto Finck sowie die Herren Gustav Schumann und Hermann Starke wurden mit dem vom Korps ausgestellten Diplomen beehrt. Für zehnjährige Dienste erhielt Herr Eduard Merzdorf die Lützenauszeichnung. Sämtlichen Herrn wurden vorgenannte Auszeichnungen durch Herrn Bürgermeister Börngen unter beglückwünschenden Worten überreicht. Nach der Übung erfolgte unter Führung einiger Komiteemitglieder abteilungsweise die Besichtigung verschiedener Etablissements und der Stadt. Nachmittags wird der Festzug der Schulkinder und das Schulfest stattfinden, sowie abends Feuerwerk abgebrannt werden. Hoffentlich macht der Himmel ein freundliches Gesicht, damit wir sagen können: „Ende gut, Alles gut!“ und unsere Stadtvertretung, sowie die gesamte Bürgerschaft mit Stolz, Genugtuung und Freude, auf ein wohlgelungenes Fest zurückblicken können. Es wird dieses Fest ein weiteres Ruhmesblatt im Kranze unserer zwar kleinen aber strebsamen Stadt Mügeln bilden. Über den weiteren Verlauf des Festes sowie sonstige Einzelheiten werden wir in nächster Nummer noch berichten.

Im Anschluß an unseren letzten Artikel waren wir nun bei dem Montag Nachmittag stattgefundenen Kinderfest angelangt. Mittags stellte sich der Festzug der Schulkinder am Schulplatz und bewegte sich sodann durch die Straßen der Stadt nach dem Festplatze zu. Der große, von 2 Musikchören begleitete Zug machte durch die vielen, fröhlichen Kinder mit ihren Fahnen und Kränzen einen äußerst gewinnenden Eindruck. Auch bemerkten wir im Zuge eine schöne neue von den Geschwistern Böhme, Dresden, gearbeitete der 1. Mädchenklasse gewidmete Fahne. Dieses sinnige, von Heimatsliebe zeugende Geschenk erregte allgemeines Aufsehen und verdient volle Anerkennung. Auf dem Festplatze belustigten sich die einzelnen Abteilungen mit Scheibenschiessen verschiedenen Spielen und Reigen, sowie Verlosungen u. v. m. Der Turnverein führte sehr gut ausgeführte Übungen an Reck und Barren auf. Abends in der 8. Stunde erfolgte der Einzug. Auf dem Marktplatze hielten die Herren Schuldirektor Kaden und Bürgermeister Börngen an die dort Aufstellung genommenen Kinder schöne, tiefempfundene Ansprachen und löste sich hierauf der Festzug auf. Bei eintretender Dunkelheit ging dann das große Feuerwerk auf dem Schützenplatze vor sich. Dasselbe war in allen seinen einzelnen Abteilungen ein brillantes und dürfte in einer derartigen Ausführung unser Mügeln noch keines gesehen haben. Nach Schluß des Feuerwerks erfolgte ein von der freiwilligen Feuerwehr ausgeführter Fackelzug. Der Festtag wurde mit einem auf dem Saale des Thüringer Hofes arrangierten Tänzchen und „gemütlichem Beisamensein“ beendet. Letzteres kommt allerdings stark in Frage, da die Zahl der Eintritt begehrenden Festteilnehmer eine derartige war, dass hunderte von Personen unverrichteter Sache umkehren mussten. Doch alles in allem genommen ist auch dieser Festtag als ein höchst gelungener zu bezeichnen. Am Dienstag morgen vereinigten sich gegen 100 Teilnehmer zu einem gemeinschaftlichen Spaziergänge nach Sornzig. Mittwoch, nachdem unsere Stadt und Bewohnerschaft ihr Festgewand abgelegt und die arbeit wieder in ihre vollen Rechte eingetreten ist, können wir mit Stolz auf das von unseren einheimischen und auswärtigen Mügelner Geleistete zurückblicken. Mügeln hat wieder ein Werk hinter sich, wie es in einer derartigen Ausführung von seiner Stadt von gleicher Größer oder keiner Mittelstadt bald wieder geleistet werden wird. Allen aber, die zu dem guten Gelingen beigetragen haben, sei auch an dieser Stelle der beste Dank vorgebracht.


Mügelner Anzeiger, Donnerstag, den 26. Juli 1900