Online-Chronik der Stadt Mügeln
 

Mügelner Handwerke im Laufe der Jahrhunderte

Eine lehrreiche Aufstellung über den Wandel von Maximilian Weber

Es muss dem Mügelner Handwerk wohl tun, wenn im Zuge des dritten Heimatfestes einmal seinen Vertretern ein „Hohes Lied“ gesungen wird. Der „goldene Boden“ von dem in früheren Jahrzehnten so oft und gern gesprochen wurde, war ihm – Gott sei es geklagt – langsam und schleichend, fühlbar und sichtbar entzogen worden. Allmählich wandelte sich das Gold in Messing, in Blech, schließlich wurde auch dieses Metall durchlöchert, sodass die Gefahr des Zusammenbruchs täglich näher rückte.
Der Handwerksmeister wurde heruntergewürdigt zum Ausbesserer und Erneuerer von Gegenständen. Das dritte Reich hat dem deutschen Handwerk wieder zu Ehre und Ansehen verholfen und es beginnt langsam, den ehemals goldenen Boden wieder zu gewinnen.
Wenn im Festzuge ein „Hohes Lied“ des müglischen Handwerkes angestimmt wird, so will man nichts anderes erreichen, als vorerst dem Handwerker selbst Auge, Gewissen, Sinn und Verständnis für die heimischen Gewerbe schärfen, dem Fernstehenden einen Einblick in die Vielgestaltigkeit des Handwerks der müglischen Scholle verschaffen. Mit Wehmut muss der Beschauer des Festzuges erfüllt werden, Wenn er sehen muss, wie nach und nach bis in die neueste Zeit hinein 26 alteingesessene, verankerte Gewerbe durch missliche Zeitverhältnisse oder aber durch die Entwicklung der Dinge eingingen und abstarben. Wenn er sich von der Farbenpracht der Handwerkersymbole nicht blenden und beeinflussen lässt, dann muss er in seinem Innern bekennen: Wie groß stand doch in Handwerklicher Hinsicht das kleine Mügeln da! Wie vorteilhaft hatte sich ein Spezialistentum ausgebildet, das die Stadt auf eigene Füße stellte, unabhängig von anderen Kraftzentren machte, vielmehr in seinen Ausstrahlungen noch befruchtete. Man denke nur beispielsweise an den Wagenzug des Sattler- und Tepezierermeisters und Kutschwagenbauers Reinhold Müller, der sich sowohl nach Lorenzkirch als auch nach Leipzig zur Messe bewegte. Das war eine Zeit goldenen Bodens für das müglische Handwerk.
Den Aufzeichnungen liegen keine bestimmten Zwischenräume zugrunde; vielmehr halten sie sich an vorhandenes Material, das aus irgendwelchen Anlässen einen Niederschlag verlangte.
Um eine gewisse Übersicht zu erhalten, sind sind die Gewerbe in vier Gruppen eingeteilt:

1. in Nahrungs- und Genussmittelgewerbe
2. in Gewerbe, deren Arbeit das menschliche Leben angenehm gestaltet in bezug auf
a.) Gesundheit
b.) Bildung und Kunst
c.) häusliche Ausstattung und Haushaltbedürfnisse.
3. in Bekleidungsgewerbe
4. in Bauhandwerk und verwandte Gewerbe.

Im Jahre 1637

Dem Jahre der „Bösen Siebene“ waren nach der verheerenden Pest folgende Handwerke im Städtchen verblieben:

1) 1 Fleischhauer, 1 Müller, 1 Brauer, 1 Gastwirt, 1 Garkoch;
2) 1 Bader, 1 Messerschmied, 1 Sattler;
3) 3 Schuhmacher, 1 Kürschner;
4) 2 Zimmerleute, 1 Schlosser, 2 Glaser, 1 Hufschmied, 1 Wagner, 3 Fuhrmänner.
Weitere 17 Personen aus diesem Jahre sind nur mit Namen bekannt: es ist anzunehmen, dass sie keine selbstständigen Meister waren. Wir zählen also 16 verschiedene Handwerke.

Im Jahre 1652

Vier Jahre nach dem Frieden zum 30jährigen Kriege, hat sich der Stand der Gewerbe, bedingt durch die Bedürfnisse, wie folgt verändert:

1) 4 Fleischhauer, 2 Müller, 2 Bäcker, 2 Kauf- und Handelsleute, 1 Braumeister, 1 Mälzer, 2 Gastwirte,1 Weinschenk;
2) 1 Bader, 1 Kunstgeiger, 1 Tischler, 1 Sattler, 3 Böttcher;
3) 2 Schneider, 4 Leinweber, 9 Schuhmacher, 1 Kürschner, 1 Schwarzfärber, 1 Weiß- und Sämischgerber, 1 Lohgerber;
4) 5 Zimmerleute, 1 Schlosser, 2 Glaser, 5 Hufschmiede, 3 Wagner, 7 Fuhrleute;
Weitere 28 Personen sind nur mit Namen erweislich; sie Zählen wohl nicht in der Reihe der Meister. Vorhanden waren also 26 Handwerke.

Im Jahre 1707

Nach erfolgter Befreiung von schwedischer Einquartierung im Kriege Karls XII. gegen August den Starken, gab es in Mügeln folgendeHandwerke und Berufe:

1) 10 Fleischhauer, 2 Müller, 7 Weißbäcker, 5 Kauf- und Handelsleute, einschließlich des Tabulett – Trägers, 5 Brauer, 1 Branntweinbrenner, 1 Gastwirte,1 Weinschenk;
2) 1 Bader- und Wundarzt, 1 Apotheker, 2 Tischler, 3 Sattler, 1 Riemer, 5 Böttcher; 4 Seiler;
3) 7 Schneider, 14 Leinweber,1 Tuchmacher, 1 Hutmacher, 17 Schuhmacher, 6 Kürschner, 1 Schwarzfärber, 4 Weiß- und Sämischgerber, 3 Lohgerber, 1 Strumpfwirker;
4) 3 Maurer, 8 Zimmerleute, 1 Schlosser, 7 Hufschmiede, 2 Röhrenmeister (Brunnenbauer), 1 Ziegelstreichermeister, 4 Wagner, 4 Fuhrleute, 22 Tagelöhner;
In Mügeln lebten noch 19 Witwen verstorbener Handwerksmeister. Vorhanden waren 34 Handwerke und Berufe.

Im Jahre 1845

Ein Menschenalter nach den Folgen der napoleonischen Kriege ist Mügeln auf beachtlicher Höhe seiner gewerblichen Verhältnisse angelangt:

1) 10 Fleischer, 3 Müller, 7 Weißbäcker, 6 Materialisten oder Krämer, 2 Brauer, 5 Gastwirte;
2) 1 Chirurg, 1 Apotheker, 1 Bader, 1 Barbier, 2 Tischler, 3 Sattler, 1 Riemer, 5 Böttcher, 4 Seiler, 3 Uhrmacher, 1 Bürstenmacher, 1 Korbmacher, 1 Drechsler, 1 Instrumentenbauer, 2 Nadler, 1 Gürtler, 1 Kunstgärtner, 1 Büchsenmacher und ferner 1 Buchdruckerei;
3) 7 Schneider, 1 Tuchmacher, 14 Zeug- und Wollenweber, 1 Tuchscherer, 1 Hutmacher, 1 Mützenmacher, 17 Schuhmacher, 6 Kürschner, 1 Schwarzfärber, 1 Schönfärber, 1 Weißgerber, 3 Lohgerber;
4) 3 Maurer, 8 Zimmerleute, 5 Schlosser, 7 Hufschmiede, 1 Zeugschmied, 1 Waffenschmied, 1 Kupferschmied, 1 Zinngießer, 1 Röhrenmeister, 1 Schornsteinfeger, 4 Wagner.
Wir zählen 47 Gewerbe.

Im Jahre 1925

Nach Weltkrieg und Inflation, zur Zeit der wirtschaftlichen Scheinblüte, ergibt sich folgende Aufstellung:

1) 8 Fleischer, 7 Viehhändler, 1 Müller, 13 Bäcker einschl. Konditoren, 24 Kaufleute (Handel mit Material, Kolonialwaren, Drogen, landw. Produkten, Süßwaren, Delikatessen), 1 Brauer, 16 Einkehrstätten, 4 Obsthändler, 3 Gemüse- und Blumengärtner;
2) 4 Ärzte, 1 Zahnarzt, 1 Tierarzt, 2 Dentisten, 3 Zigarrenfabrikanten, 5 Friseure, 2 Friseusen, 2 Hebammen, 1 Beerdigungsanstalt, 1 Buchdruckerei, 2 Buchbinder, 1 Buchhändler, 1 Bildhauer, 2 Kunstgewerbler (Dekorationszeichner, Lederpunzer), 1 Musikdirektor, 1 Photograph, 5 Tischler (davon 2 mit Glaserei verbunden), 5 Sattler und Tapezierer, 3 Böttcher, 1 Seiler, 3 Uhrmacher, 4 Installateure für Licht-, Kraft- und Radioanlagen, 7 Wäscherinnen, 4 Plätterinnen, 3 Geldgeschäfte, 4 Geschäfte mit Haushaltungsgegenständen, 2 Handlungen mit Ofen- und Töpfereiwaren, 1 Spezialgeschäft für Seifen und Lichte, 3 Handlungen mit Brenn- und Futtermitteln, 1 Bürstenmacher, 1 Korbmacher, 1 Schleifer, 1 Korbmöbelhändler, 4 Nähmaschinen- und Fahrradhändler, 1 Automechaniker, 1 Büchsenmacher, 2 Alteisenhändler;
3) 12 Schneider, 8 Schneiderinnen, 10 Bekleidungs- und Wäschegeschäfte, 13 Schuhmacher, 2 Mützenmacher, 2 Kürschner, 1 Weißgerber, 1 Fellhändler;
4) 5 Bau- und Zimmerhöfe, 1 Steinsetzer, 4 Bau- und Maschinenschlosser, 4 Klempner, 3 Glaser, 1 Kupferschmied, 3 Dachdecker, 1 Schornsteinfeger, 1 Scharwerksmaurer, 3 Huf- und Wagenschmiede, 2 Wagenbauer, 2 Stellmacher, 2 Fuhrleute und Spediteure, 3 Botenfuhrleute, 4 Pferdehändler.
Wir zählen 69 Gewerbe.

Im Jahre 1935

Im dritten Jahre nach dem Umbruch und der Zeitenwende im deutschen Reiche, in der Periode der Genesung und des Aufstieges:

1) 8 Fleischer, 5 Viehhändler, 1 Müller, 12 Bäcker einschl. Konditoren, 1 Speiseeishändler, 25 Kaufleute (Handel mit Material, Kolonialwaren, Drogen, landw. Produkten, Süßwaren, Delikatessen), 12 Einkehrstätten, 4 Obsthändler, 3 Gemüse- und Blumengärtner, 1 Zigarrenfabrikant, 5 Spezialgeschäfte für Tabak;
2) 5 Ärzte, 1 Zahnarzt, 1 Tierarzt, 2 Dentisten, 1 Naturheilkundiger, 8 Friseure, 3 Friseusen, 2 Hebammen, 1 Beerdigungsanstalt, 1 Buchdruckerei, 1 Buchbinder, 1 Buchhändler, 1 Buchverleih, 1 Kunstgewerbler, 1 Musikdirektor, 1 Verkauf von Instrumenten, 1 Bildhauer, 2 Photographen, 7 Tischler (2 mit Glaserei verbunden), 8 Maler, 4 Sattler- und Tapezierer, 2 Böttcher, 1 Seiler, 4 Uhrmacher, 5 Installateure (Licht-, Kraft- u. Radioanl.), 6 Wäscherinnen, 4 Plätterinnen, 3 Geldgeschäfte, 4 Geschäfte mit Haushaltungsgegenständen, 1 Schleifer, 3 Geschäfte mit Ofen- und Töpferwaren, 4 Handlungen mit Brenn- und Futtermitteln, 2 Geschäfte mit Seifen und Lichten, 1 Bürstenmacher, 1 Korbmacher, 5 Nähmaschinen-, Fahrrad- und Motorradhandlungen, 1 Automechaniker, 2 Alteisenhändler, 1 Büchsenmacher;
3) 10 Schneider, 14 Schneiderinnen, 14 Bekleidungs- und Wäschegeschäfte, 15 Schuhmacher (5 mit Schuhhandel), 2 Mützenmacher, 2 Kürschner;
4) 3 Baugeschäfte und Zimmerleute, 1 Steinsetzer, 4 Bauschlosser, 2 Maschinenschlossereien, 4 Klempner, 1 Glaser, 1 Kupferschmied, 3 Dachdecker, 1 Schornsteinfeger, 1 Scharwerksmaurer, 3 Huf- und Wagenschmiede, 1 Stellmacher, 4 Fuhrgeschäfte für Personen- und Lastkraftwagenverkehr, 2 Botenfuhrleute, 1 Pferdehändler.
Wir zählen 71 Gewerbe.
Die Zahl der Handwerke und freien Berufe ist innerhalb der letzten 300 Jahre um das Viereinhalbfache gestiegen, von 16 über 26, 34, 47, 69 auf 71. In den letzten 10 Jahren ist zahlenmäßig fast keine Veränderung zu buchen; auch innerhalb der Einzelgewerbe sind nur kleine Verschiebungen vorgekommen. Auffällig ist, wie sich der Handel mit allerlei Waren mehr und mehr breit machte, wie vor allem der Handwerker neben seinem Werkstattbetrieb noch einschlägige Artikel in einem Laden zum Verkauf bereitstellt. Wie wird sich die angelegte Tabelle in abermals 10 Jahren ausnehmen? In welcher Weise werden sich die Segnungen des neuen Deutschland auch auf unser Döllnitzstädtchen auswirken? Möchte dann der geneigte Leser einen Vergleich mit den obigen Aufstellungen anstellen und daraus zeitgemäße Schlüsse ziehen.