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König
Friedrich August
Die Reise Sr. Maj. Des Königs Friedrich August nach Oschatz, Naundorf, Mügeln, Wermsdorf, Nerchau-Trebsen, Wurzen.
Majestät! Sichtlich erfreut nahm der König dasselbe in empfang und wechselte mit dem Kinde freundliche Worte. In solcher Fahrt ging es nun untern Glockengeläute und tausendstimmigen Hurra- und Hochrufen die Bahnhofstraße entlang nach der Lutherstraße, wo das Spalier der Bürgerschüler, Realschüler und Seminaristen begann. Worauf ritt Gendarm Kretzschmar, dann folgten im Wagen der Herr Kreishauptmann und der Herr Amtshauptmann und im nächsten Wagen hatte Se. Majestät der König mit dem Herrn Minister v. Metzsch Platz genommen, während das Gefolge und die oben genannten übrigen Herren in einigen weiteren Wagen folgten. Vom Altmarkt an bildeten Vereine (darunter die Schützengesellschaft mit ihrer gerade 100 Jahre alten Fahne, die nachher das besondere Interesse des Königs und einiger Offiziere erweckte) Spalier bis zum Rathause. An der Freitreppe zu diesem wurde Se. Majestät von Herrn Bürgermeister Härtwig und dem Stadtverordnetenvorsteher Herrn Rechtsanwalt Schmorl begrüßt und nach dem Eingange des Gebäudes geleitet, wo die Tochter des Bürgermeisters dem Königlichen Herrn einen poetischen Gruß entbot und Blumen überreichte. In der Ratsstube, wo ein Thronsessel auf erhöhtem Podest stand, wurde se. Majestät von den Vertretern der Kaiserlichen und Königlichen Behörden, sowie von den städtischen Kollegien und den Beamten der Stadt Oschatz erwartet. Als der Monarch den Saal betreten hatte, bereitet ihm die Versammlung eine Ovation. Sodann nahm Herr Bürgermeister Härtwig das Wort zu folgender Ansprache: „Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster König! Allergnädigster König und Herr! Die Stadt Oschatz, von Anbeginn der Mark Meißen zugehörig, hat sich von jeher der landesväterlichen Gunst in besonderen Maße zu erfreuen gehabt und zahlreiche Verweise dieser Gunst erfahren. Es wäre unter anderem dieses Rathaus nicht in seiner Größe und Ausdehnung entstanden und nach seiner wiederholten Zerstörung durch Feuer immer wieder in gleichem Maße erneuert worden, wenn der Rat nicht weitgehende Unterstützung dazu von den Landesherren erhalten hätte. Und sprechen nicht ferner die zahlreichen Bildnisse von Landesherren von früher, von ihnen selbst der Stadt geschenkt, die heute noch die Wände dieses altehrwürdigen Raumes schmücken, eine beredte Sprache von erwiesener landesherrlicher Gunst? Nahmen nicht im letzten Jahrzehnt zwei Königliche Prinzen Ihren Wohnsitz in Oschatz, um Jahre hindurch in leutseligster Weise mit der Bürgerschaft zu verkehren? Aber der größte Gunstbeweis ist der Stadt heute zuteil geworden. Nachdem es bisher nur den drei größten Städten des Landes und der alten Markgrafenstadt Meißen vergönnt war, Se. Majestät zu huldigen, haben nunmehr Se. Majestät unter den übrigen Städten zunächst Oschatz erwählt und hier Einzug gehalten. Oschatz ist zwar in dem reichen Blütenkranze der sächsischen mittleren und größeren Städte unbestreitbar eine der schönsten Blumen; aber zahlreiche Städte sind größer an Einwohnerzahl und an industrieller Bedeutung. Wir wissen den unserer Stadt zuteil gewordenen Vorzug voll zu ermessen und zu würdigen und ich möchte Sr. Majestät für die erwiesene Gunst den tiefgekühlten Dank der gesamten Bürgerschaft zum Ausdruck bringen mit der untertänigsten Bitte, Se. Majestät wollen auch fernhin der Stadt die gleiche Gunst und Huld erweisen. Die Bürgerschaft von Oschatz hat im Laufe der Jahrhunderte an den wechselvollen Geschichten des Landes zu jeder Zeit, im Glücke und im Unglück, in Leid und Freud in Not und Gefahr, dem Herrscher Treue erwiesen, das Haus der Wettiner durfte stets auf ihre Treue und Hilfsbereitschaft mit Sicherheit rechnen. Auch in Zukunft soll und wird es so bleiben und nicht anders sein! Zur Erneuerung des Gelöbnisses umwandelbarer Treue stimmen die hier Versammelten, insbesondere die Vertreter der Bürgerschaft, ein in meinen Ruf: Se. Majestät König Friedrich August hoch! Hoch! Hoch!“ Nachdem Verhallen des Hochrufes reichte Se. Majestät der König
Herrn Bürgermeister Härtwig die Hand und sprach sodann Seinen
Dank für den Ihm bereiteten Empfang mit etwa folgenden Worten
aus: Grüß Gott, o Landesherr, das ist ein froh Geschick, Herr Ambr. Marthaus begrüßte in Begleitung seines Bruders Rudolf in einem eigens zu diesem Zwecke erbauten Pavillon den König. Er gab zunächst seiner Freude Ausdruck, dass das Stablissement heute wieder die hohe Ehre wie unter seinem Vater den Landesherren auf kurze Zeit in seinen Mauern zu wissen und gab hierauf kurz einige Notizen über die Entstehung und allmähliche Entwicklung des Unternehmens bis zur heutigen Bedeutung. Hieran schloss sich der Gesang des Fabrikgesangsvereines: Gott grüße dich – worüber Se. Majestät sichtlich erfreut war und den Dirigenten ins Gespräch zog. Nun erfolgte ein Rundgang durch die Fabrik, Treppen und Gänge waren mit Filzläufern belegt, mit blühenden, duftenden Blumenstöcken geziert, usw. Se. Majestät sowohl als auch viele Herren vom Gefolge stellten wiederholt Fragen, die von den führenden Herren eingehend erörtert wurden. In der Aufstellungshalle der fertigen Waren überreichte das Töchterchen des Herrn Rechtsanwalt Schmorl einen Karton Filzpantoffeln mit den Worten: Pantöffelchen, farbig, grün und weiß, Se. Majestät geruhten unter Scherzworten die Gabe freundlichst anzunehmen. Die kurze Strecke bis zur Haltestelle wurde zu Fuß zurückgelegt. Unter lauten Hurrarufen der zahlreichen Menschenmenge erfolgte ¼ 12 Uhr nun die Fahrt nach Mügeln. Beim Passieren der Station Kreischa – Saalhausen bezeigte der Militärverein dem König seine Verehrung. Etwa um ½ 12 Uhr mittags traf der Extrazug unter Glockengeläute in Naundorf ein. An der festlich geschmückten Haltestelle begrüßte Herr Kammerherr von der Planitz Se. Majestät in einer zwar kurzen, aber trefflichen und aus tief patriotischer Besinnung stammenden Rede. Mann fühlte in dem alten, hochehrwürdigen Herrn die Begeisterung für das Königshaus Wettin aufloderte. Seine Ansprache lautete: Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster König! Allergnädigster König und Herr! Naundorf, obwohl klein und bescheiden, hat trotzdem vielfache Gnadenbeweise von Seiten seines erhabenen Königshauses zu verzeichnen. Alle Könige, hochseligen König Anton an bis heute, haben uns die Ehre ihres Besuches erwiesen. Es geschah in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts, das der greise König Anton, an seiner Seite der damalige Mitregent, nachherige König Friedrich August II., Einkehr hielten in meines Vaters Hause. Im Jahre 1860 weilte der edle König Johann in Naundorf, um die Parade über die sächsische Armee hier abzunehmen. Auch die Heldenkönige Albert und Georg sind wiederholt in Naundorf gewesen, zuletzt in Gemeinschaft mit dem deutschen Kaiser im Jahre 1889. Wenn nun heute Se. Majestät die Gnade haben, dieser Kette von Ehrentagen für Naundorf ein neues Glied anzureihen, so erfüllt uns das mit stolzer Genugtuung und ehrerbietigstem Danke. Wir Naundorfer sind königstreue Männer. Wir führen aber dieses schöne Wort nicht bloß im Munde, wir betätigen die Königstreue auch. Wir haben sie betätigt und gedenken auch in Zukunft so zu halten. Mit diesem Gelöbnis unverbrüchlicher Treue schließlich ich. Nicht länger darf ich Se. Majestät für mich in Anspruch nehmen bei so knapp bemessener Zeit. Der König dankte mit kurzen Worten. Danach überreichten zwei Mädchen, die Tochter des Herrn Rittmeister von Oppel, Annelore, und die Tochter des Kantors von Naundorf, Hanna, dem Könige je einen reizenden und duftenden Blumenstrauß mit einem sinnigen Gedicht. Das hübsche und recht ausdrucksvoll vorgetragene Gedicht der Annelore lautete: Nur einen Augenblick, o König, halt hier an Hanna Saupe´s hübsch vorgetragenes Gedichtchen lautete: Der Monarch war sichtlich erfreut darüber und dankte den beiden Mädchen freundlich. Nunmehr begrüßte der König die zahlreich anwesende Familie des Herrn Kammerherrn samt Enkel und Emkelinnen, ebenso unterhielt er sich in ganz zwangloser Weise mit einzelnen Mitgliedern des Militärvereins, der mit seiner neuen wunderschönen Fahne, gleichwie der Turnverein und der Schulchor erschienen war. Mit der Versicherung des Königs, dass er bald wieder zur Jagd nach Naundorf kommen werde, setzte er unter den Klängen der Königshymne seine Reise nach Mügeln fort. Die Weiterfahrt erfolgte durch die gleichfalls schön geschmückte Station Schweta nach unserem freundlichen Städtchen Mügeln. Hierüber hatten wir bereits in letzter Nummer kurzen Bericht erstattet. Nachzutragen ist noch, dass die Stadtkapelle beim Einlaufen des Zuges einen Präsentiermarsch und beim Abgang desselben die Könighymne spielte. Die von Herrn Bürgermeister Börngen gehaltene Ansprache lautete ungefähr folgendermaßen: „Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster König, Allergnädigster König und Herr! Im Namen der durch den, wenn auch nur kurzen Besuch Euer Majestät hoch erfreuten und beglückten Stadt Mügeln und ihrer Umgebung gebe ich mir die Ehre, Eure Majestät ehrfurchtsvoll auf unserm heimischen Boden zu begrüßen und Euer Majestät für diese Huld den Tiefgefühltesten Dank der Bewohnerschaft von Stadt und Landschaft Mügeln zu Füßen zu legen. Wollen Eure Majestät geruhen, diesen Gruß und Dank huldvollst entgegenzunehmen, aber auch die Versicherung unwandelbarer Treue, Liebe und Anhänglichkeit zu Euer Majestät, zum gesamten Königshause, zu unserem lieben teuren Sachsenlande. Diese Gefühle sind wahr und echt, und leben und wirken wir auch nur in kleinen bescheidenen Verhältnissen, in der Aufrichtigkeit und Herzlichkeit unsrer patriotischen Gesinnungen lassen wir uns von niemandem übertreffen. So möge denn von uns Allen in dieser festlich-feierlichen Stunde von Angesicht zu Angesicht mit Eurer Majestät der Schwur, den wir seinerzeit, sei es im Untertanen-, Fahnen oder Beamten-Eide dem Könige geleistet haben, wiederholt sein mit dem feierlichen Gelöbnis, diesen Treueid zu halten bis zu unserm letzten Atemzuge. So wahr uns Gott helfe! Möge die Regierung Eurer Majestät für unser geliebtes, treues Sachsenland eine nach allen Richtungen hin segensreiche sein und bleiben. Das walte Gott!“ Auf diese Ansprache erwiderte Sr. Majestät der König, dass
es ihm daran gelegen habe, auch diesen unsern gesegneten Landstrich
kennen zu lernen und dass er sich über den herzlichen Empfang,
der ihm hier bereitet worden sei, und die schöne Dekoration sehr
freue. Seiner Majestät ließ sich dann die Herren Amtsrichter
Dr. Schulze, Pastor Siegert, Schuldirektor Dankwarth, die Herren Mitglieder
des Stadtgemeinderates, des Schul- und Kirchenvorstandes, sowie die
Herren Vertreter der benachbarten Gemeinden und einige Herren Referenzoffiziere
vorstellen. Ein Mügelner Kind ruft Dir geschwind: Sr. Majestät der König war über die frische, herzhafte Vortragsweise und das geweckte Wesen des Knaben sichtlich erfreut. Auch war der König freudigst durch die Anwesenheit der Militärvereine zu Börtewitz und Kiebitz überrascht und sprach sich in anerkennender Weise hierüber aus. An der Huldigung nahmen auch die Volksschulen zu Niedergoseln, Schrebitz und Gallschütz teil. Die nächste größere Huldigung nahm der Landsherr in Wermsdorf entgegen, nachdem auf dem Wege dahin an den Stationen Altmügeln, Nebitzschen, Glossen, Gröppendorf, Mahlis und Reckwitz überall im Vorbeifahren kleine patriotische Kundgebungen erfolgt waren. Das waldumrauschte Wermsdorf mit der historisch berühmten Hubertusburg auf der Höhe prangte in einem eigenartigen, seinem Charakter entsprechenden Festgewandte. Hochtragende Ehrenpforten und festliche Ranken überspannten die teils von prachtvollen alten Bäumen gezierten Straßen, Fahne wehte an Fahne, und auf das freundliche Bild überall lachte freundlich und warm die Sonne herab. Den ersten Gruß entboten dem ankommenden Monarchen das Wermsdorfer - Hubertusburger Forstpersonal unter Führung des Herrn Oberforstmeisters Nitzsche. Die Tochter des Herrn Oberförsters Pötzsch begrüßte Se. Majestät mit poetischen Worten namens des Forstes und überreichte eine sinnige Spende den Frühlings. Vom Bahnhofe fuhr der Monarch direkt nach der Landesanstalt Hubertusburg. Der Königliche Wagen wurde hierbei von 50 Berittenen – mitgliedern des Militärvereins und Rittergutsbesitzer, Gutsbesitzer und Pächter aus der Umgebung – eskortiert. Auf dem Schlosshofe der Hubertusburg, die sinnig und würdig geschmückt war, wurde Se. Majestät von den Herren Anstaltsdirektor Regierungsrat Vogel, den beiden ärztlichen Vorständen der Anstalt, Medizinräte Dr. Matthes und Dr. Näcke, dem Pflegehausvorstand Anstaltspfarrer Naumann, den beiden Oberärzten Dr. Steinitz und Dr. Rossbach, den übrigen Ärzten, dem Beamten- und Pflegepersonal, soweit es abkömmlich war, und einem Zug der freiwilligen Anstaltsbeamtenfeuerwehr erwartet. Bei der Ankunft Sr. Majestät überreichte das Töchterchen des Herrn Medizinrats Näcke einen Blumenstrauß und schwenkte am Schlusse seines Gedichtchens eine kleine Sachsenfahne mit Hochrufen, in welche die Empfangsversammlung begeistert einstimmte. Se. Majestät der König nahm sodann durch den Dezernenten der Landesanstalt Herrn Ministerialdirektor Geh. Rat Dr. Apelt die Vorstellungen der oben genannten die Anstalt leitenden Herren sowie die des Personals entgegen. Der dem Könige von Herrn Anstaltsdirektor Regierungsrat Vogel überreichte Anstaltsrapport wies etwa 1500 Kranke und Verpflegte sowie 400 Beamte und Behinderte auf. Die Führung durch die Anstalt begann in der katholischen Anstaltskirche, in der Herr Pfarradministrator Mahr Se. Majestät empfing. Weiter ging die Führung durch den inneren Schlo0ßhof in verschiedene Krankensäle und dann nach dem ersten Obergeschoß, wo früher der Hubertussaal, der in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts, als das Schloss Militärmagazin wurde, der Zerstörung anheim fiel, sich befand, in das ehemalige kurfürstliche Speisezimmer Augusts des Starken – jetzt Gesellschaftszimmer. Von einem Ausblick dieses Raumes genoss Sr. Majestät ein schönes Bild des Horstsees. Ferner begab sich der König in die Häuser für unruhige Männer, durch die Frauenabteilung nach dem Kesselhaus mit der Lichtzentrale, in die Küche, wo die Tagesspeisen der einzelnen Klassen gezeigt wurden, in die Frauenabteilung B, verschiedene andere Krankenstationen, zu einer kurzen Leserstunde im Pflegehaus und nach dem zu kurfürstlichen Zeiten als Reitbahn dienenden Hospitalgrundstück. Beim Gange durch den kleinen Schlosshof begrüßten die Hilfspflegerinnen und der Kirchenchor Se. Majestät mit dem Gesange eines dreistimmigen Chores. Auch das Fenster des Zimmers, in dem der Hubertusburger Frieden, der dem Siebenjährigen Kriege ein Ende machte, 1763 geschlossen wurde, wurde dem Monarchen gezeigt. Heute dient das Zimmer als Arztwohnung. Der Aufenthalt des Königs in der Hubertusburg dauerte über eine Stunde. Von der Anstalt fuhr der Monarch in das Jagdschloss Wermsdorf und nahm im Hofe desselben eine Huldigung der Gemeinde Wermsdorf entgegen. Das Königshoch brachte Herr Gemeindevorstand Zeißler aus. Sodann fand Königliche Frühstückstafel statt. Hierzu waren mit Einladungen ausgezeichnet worden: die Herren Kreishauptmann Wirkl. Geh. Rat. Dr. v. Ehrenstein, Exzellenz, Leipzig, Geh. Rat. Dr. Apelt – Dresden, Amtshauptmann von Carlowitz, Bürgermeister Härtwig, Oberjustizrat Dr. Giese, Superintendent Colditz, der Kommandeur des 1. Ulanenregiments Nr. 17, Oberstleutnant Frhr. V. Milkau, die Fabrikanten Ambrosius Marthaus und Rudolf Marthaus – Oschatz, Rittergutsbesitzer Gadegast – Mannschatz, Königl. Kammerherr Ebler von der Planitz auf Naundorf, Bürgermeister Börngen und Amtsrichter Dr. Schulze – Mügeln, Anstaltsdirektor Reg. Rat Vogel, Medizinräte Dr. Matthes und Näcke, Anstaltspfarrer Naumann, Pfarradministrator Mahr und Oberförster Petzsch – Hubertusburg, Rittergutsbesitzer Carl Gadegast Niedergrauschwitz, Bürgermeister Loos und Rittergutsbesitzer Naumann Mutzschen, Oberforstmeister Nitzsche, Forstmeister Lommatzsch, Pastor Dr. Fritzsche und Gemeindevorstand Zeißler Wermsdorf, sowie der Adjutant des Kriegsministers Major v. Graushaar und der in Oschatz zu Sr. Majestät befehligte Ordnungsoffizier Rittmeister v. Schönberg des 1. Ulanenregiment Nr. 17. Von Wermsdorf reiste der Monarch nach Mutzschen, wo ein kurzer Aufenthalt zur entgegennahme einer Huldigung dieser Stadtgemeinde unter Herrn Bürgermeister Loos erfolgte. Dann ging die Reise über Böhlitz – Roda, Wagelwitz, Cannewitz und Dankwitz nach Nerchau. Hier fand ebenfalls eine kurze Begrüßung statt. Die Muldentalbahn brachte sodann Se. Majestät nach Wurzen. Überall, wohin Se. Majestät der König auf dem soeben beschriebenen Weg von Oschatz nach Wurzen kam, fanden spontane und große Ovationen statt. Wurzen war ebenso schön und reich geschmückt wie Oschatz und hatte sein Äußeres mit Ehrenpforten, Ranken, Kränzen, Teppichen und Hunderten von jungen Waldbäumen völlig verdeckt. Auf dem Bahnhofe hatten sich zum Empfange Sr. Majestät des Königs die Herren Garnisonältester Oberst Bacmeister, Amtshauptmann Hänichen, der Vorstand des Wurzener Amtsgerichtes Hr. Oberamtsrichter Kilian und die Mitglieder des Bezirksausschusses eingefunden. Vor dem Bahnhofe standen die Militärvereine des Bezirks Grimma vom königl. Sächsischen Militärvereinsbunde mit ihren Fahnen und Gewehrsektionen unter dem Kommando des Herrn Bezirksvorstehers Prof. Dr. Poeschel in Parade. Der Hofsonderzug traf ½ 4 Uhr auf dem Bahnhofe ein, und Se. Majestät der König nahm zunächst die Meldung des Herrn Amtshauptmann Hänichen sowie die Vorstellung der zum kleinen Empfang gehörigen Herren entgegen. Sodann begab sich der Monarch auf den Bahnhofsplatz und wurde beim Erscheinen von tausendstimmigen Hurrarufen begrüßt. Zunächst nahm Se. Majestät die Parade der Militärvereine ab und zeichnete hierbei verschieden Veteranen mit Anreden aus. Vom Bahnhof erfolgte der Einzug in die Stadt nach dem Rathause. Auf dem Weg dorthin gab eine Kavalkade berittener Bürgerschützen den Monarchen das Geleit. Am, Rathause, vor dem die Schützengilde Aufstellung genommen hatte, wurde Se. Majestät durch Herrn Bürgermeister Dr. Seetzen und Herrn Stadtverordnetenvorsteher Fabrikant Bäßler empfangen. Fräulein Bäßler überreichte dem König ein Bukett unter Aufsagung einer poetischen Widmung. Beim Eintritt des Königs in den Rathaussaal, wo die Spitzen der Behörden, die Domherren und die städtischen Kollegien den Monarchen erwarteten, brachte Herr Stadtrat Dr. Troitzsche ein Hoch auf den Landesherren aus. Danach hielt Herr Bürgermeister Dr. Seetzen folgende Rede: Allerdurchlauchtigster König! Allergnädigster König und Herr! Euer Majestät wollen Allergnädigst geruhen, den herzlichsten Willkommensgruß der Stadt Wurzen in diesem Hause zu empfangen, das einfach und schlicht vor 100 Jahren in Zeiten schwerer Bedrängnis erbaut, schon äußerlich den Gegensatz kundtut zu den Städten, deren Huldigung Eurer Majestät seither entgegengenommen haben. Unsere Stadt steht nicht in der Reihe der großen Gemeinwesen. Sie entbehrt der Reize einer verschwenderischen Natur, sie ist nicht umwoben von dem Zauber einer großen Vergangenheit. Eine bescheidene Stätte der Arbeit ist es, in die Eure Majestät Einkehr gehalten haben, was ist es, verdankt sie dem Fleiße ihrer Bewohner, deren Industrie und Gewerbe unter dem Schutze der Vorfahren Eurer Majestät zur Blüte gediehen sind. Aber eins nehmen auch wir für uns in Anspruch, und darin stehen wir hinter niemanden zurück, in der Liebe zum Angestammten Herrscherhause. Auf die Kunde von dem bevorstehenden Besuche Eurer Majestät ging eine freudige, erwartungsvolle Bewegung durch die Bürgerschaft. Nachdem vor neun Jahren Eure Majestät als Prinz und Soldat hier in den Hallen der altehrwürdigen Bischofsresidenz geweilt, dürfen wir heute unserem Landesherren ins Auge schauen, ist es uns vergönnt, Ihm persönlich unsere Huldigung darzubringen. Der Jubel auf den festlich geschmückten Straßen, der begeisterte Zuruf ernster Männer wie der Schuljugend zeugen dafür, mit welch hoher Freude alle Schichten der Bevölkerung die Gnade Allerhöchst ihrer Gegenwart empfinden, wie alle Herzen erfüllt sind von inniger Liebe und Verehrung für ihren König. Eure Majestät wollen versichert sein, dass die Stadt Wurzen immer bestrebt sein wird, der Huld, die ihr heute erwiesen wird, sich würdig zu zeigen. Die unverbrüchliche Treue zum Hause Wettin geloben wir heute aufs Neue. Möge der Segen des Höchsten auf Eure Majestät und dem königlichen Hause ruhen, möge die Regierung Euer Majestät eine lange und glückliche sein“. Seine Majestät der König antwortete hierauf etwa folgendes: Ich danke Ihnen sehr, meine Herren, für die freundlichen Gesinnungen, die Mir durch die soeben an Mich gerichteten Worte Ihres Herrn Bürgermeister zum Ausdruck gebracht worden sind. Ich habe mich sehr gefreut, dass ich, sobald nach Gottes Ratschluss zur Regierung gelangt bin, auch diesen Winkel unseres Vaterlandes aufsuchen konnte. Es liegt immer die Versuchung nahe, dass man zuerst die großen Städte der Industrie und des Handels aufsucht; aber ich habe mich aufrichtig gefreut, als sich mir die Gelegenheit bot, Wurzen, als einer Mittelstadt Sachsens, deren Bedeutung auch auf dem Gebiete des Handels und der Industrie liegt – es gibt ja Wurzener Produkte, die in aller Welt bekannt sind – meinen Besuch machen zu können. Ich versichere, dass nicht die Größe und Einwohnerzahl für mich maßgebend sind. Die begeisterten Huldigungen, welche ich heute auf dem Wege vom Bahnhofe nach diesem Rathause hier gefunden habe, haben mir sehr wohl getan und aufrichtige Freude gemacht. Wie ich in den großen Städten des Landes überall mit großer Freude und Begeisterung empfangen worden bin, so ist dies auch in mittleren Städten der Fall gewesen. Mein Herz als König schließt die großen wie die kleinen Plätze meines Landes in gleicher Weise ein.“ Nach dieser Ansprache nahm der Monarch Vorstellungen entgegen und unterhielt sich mit den meisten Herren in leutseligster Weise. Weiter trug sich Se. Majestät in das zwei Jahrhunderte alte Stammbuch Wurzens ein und nahm auch einen Ehrentrunk an. Als der Landsherr den Saal verlies, brachte Herr Stadtverordnetenvizevorsteher Scharnbeck ein nochmaliges Hoch aus. Auf dem Marktplatze schritt Se. Majestät die Front der Schützen ab und begab sich sodann in das Artilleriekasernement wo eine Begrüßung des daselbst unter dem Kommando des Herrn Oberst Bacmeister und Major Plesch stehenden königl. Sächsischen 9. Feldartillerieregiments Nr. 78 und des 1. Bataillons des Königl. Sächsischen Infanterieregiments Nr. 179 stattfand. Der Allerhöchste Kriegsherr grüßte die einzelnen Batterien und Kompanien freundlich und ließ sich dann die Offiziere vorstellen. Das Hurra auf den König brachte Herr Major Plesch aus. Außer Besichtigungen der Wurzener Kunstmühlenwerke und Biskuitfabriken und der Klinkhardschen Fabrik unternahm Sr. Majestät einen Besuch bei Sr. Exzellenz Herrn Wirkl. Geh. Rat Dr. Graf v. Könneritz. Hier verweilte der erlauchte hohe Herr mit seinem Gefolge etwa eine Viertelstunde und nahm einen Imbiss ein. Bei der Ankunft und Abfahrt des Königs und seiner Exzellenz Herrn Dr. Grafen von Könneritz stimmten die Gesangsvereine Wurzens einen Sängergruß an und die Bläser des evangelischen Jünglingvereins bliesen ein Konzertstück. In Dornreichenbach kam der Hof 6.20 Uhr an. An der Haltstelle hatte sich ein zahlreiches Publikum aus den umliegenden Ortschaften eingefunden. Der Schmuck der Haltstelle war ein sehr schöner. Die Firma Eckhardt hatte eine Ehrenpforte errichten lassen, in welcher die Worte standen: Heil dem König! Fräulein Anna Eckhardt überreichte mit entsprechenden Worten Se. Majestät einen prächtigen Blumenstrauß, wofür der Monarch in herzlichen Worten dankte. Die Firma Bachmann hatte an den an der Bahn stehenden Pappel Girlanden angebracht, welche Schmückung sich sehr gut ausnahm. Exzellenz von Minkwitz war persönlich erschienen und begrüßte den Monarchen mit herzlichen Worten. Die Hofequipagen brachten den König mit seinem Gefolge nach dem Schloss, wo ein Diner eingenommen wurde. Bei der Abfahrt des Königs vom Schloss nach der Haltstelle bildeten über 300 Arbeiter mit brennenden Fackeln aus den Werken des Herrn Bachmann an beiden Seiten der Straße Spalier. Auch hier jubelten die Teilnehmer den König zu. Mügelner Anzeiger, 01. April 1905
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