Online-Chronik der Stadt Mügeln
 
Friedhof

Nach großen Mühen und langer Arbeit ist endlich die Parentationshalle auf unserem Gottesacker fertig geworden, und konnte nun deren Einweihung am Donnerstag stattfinden. Auf ergangene Einladung hatte sich der Kirchenvorstand, der Stadtgemeinderat und Guts- und Amtsgerichtsvorstand, die Ortsbehörden der eingepfarrten Dörfer, mehrere Geistliche der Nachbargemeinden und eine übergroße Zahl von Gemeindegliedern auf dem Gottesacker eingefunden, um der feierlichen Handlung beizuwohnen. Herr Baurat Zeibler aus Leipzig übergab unter Segenswünschen den Schlüssel, und der Obergeistliche, Herr Pfarrer Siegert, öffnete die Türe mit den Worten: „Unsern Einzug segne Gott, unsern Ausgang woll´ er segnen. Ich öffnete die Türe im Namen des dreieinigen Gottes.“ Nachdem ihre Plätze in der angemessen geschmückten Halle eingenommen, leitete der neu gebildete stimmbegabte Friedhofschor die Feier mit dem ausdrucksvollen Vortrag der Motette: „Der Mensch lebt und bestehet nur eine kleine zeit“ ein. Nach dem darauf folgenden Gemeindegesang hielt der Pfarrer Siegert die Weiherede über das Wort der Offenbarung; „Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben“. In ergreifender und zu Herzen gehender Rede legte der geschätzte Redner das Schriftwort aus als ernste Mahnung für Leben und Sterben und als tröstende Verheißung für die Zeit, Tod und Ewigkeit. Darauf dankte er allen denen, die zum Gelingen des Werkes beigetragen, wie auch der edlen Stifterin des Altarfensters, das im Nachmittagssonnenglanze einen wunderbaren Eindruck auf alle machte, und weihte dann die Kapelle unter Herabflehen von Gottes Segen zu deren Gebrauch. Mit Gebet und Segen, mit dem Gesange des Friedhofchores und der Gemeinde schloss die ernste Feier, die sichtlich einen tiefen Eindruck auf alle Teilnehmer gemacht. Die ganze Kirchengemeinde aber wird sich mit uns freuen, dass durch Erbauung der Parentationshalle einem längst empfundenen Bedürfnis Rechnung getragen ist.

Mügelner Anzeiger, 07. November 1905