Online-Chronik der Stadt Mügeln
 
50 Jahre Frauenverein


Anlässlich des Gedenktages des 50jährigen Bestehens des Frauenvereins zu Mügeln, dessen Mitgründerin und langjährige Kassiererin Frau Sanitätsrat verw. Becker in Mügeln ist, hat seine Majestät der König der letzteren den Maria Anna – Orden 3. Klasse verliehen.


Mügelner Anzeiger, 10. November 1917


Ein Damenflor, von frischem grün umgeben, aus dem sich nur hier und da ein Männergesicht heraushob, hielt am Dienstag den Hirschsaal dicht besetzt. Haben wir uns in der Kriegszeit schon daran gewöhnt, bei einer vaterländischen Feier in der Mehrzahl das weibliche Geschlecht vertreten zu finden, da die Männer größtenteils das Vaterland verteidigen helfen, so hatte die Zusammenkunft eine besondere Bedeutung insofern, als es galt den 50jährigen Gründungstag des hiesigen Frauenvereins in einfacher, dem Ernst der Zeit angepasster Weise zu begehen, die Veranstaltung, der man eine Geschicklichkeit nicht absprechen kann, also von Frauen ausgehen mußte. Ein frommes Lied begann und endete die imposante Feier, aus deren Rahmen neben Begrüßungsreden, Deklamationen und Ansprachen auch künstlerische Darbietungen, Wohltätigkeit und Diplom-Verleihungen hervortraten. Die Vorsitzende, Frau Pfarrer Siegert, entbot den Willkommensgruß allen Erschienenen, unter denen sich erfreulicherweise auch eine große Zahl befand, die von auswärts herbeigeeilt waren und Teil früher im Verein mitgewirkt hatten, sowie Vertretern und Vertreterinnen von Behörden, sowie in ähnlichem Sinne arbeitenden Vereinen, die alle das Ziel der Nächstenliebe verfolgen. Die noch lebende Gründerin Frau Sanitätsrat Dr. Becker, durch Krankheit selbst am Erscheinen verhindert, wurde zum Ehrenmitglied ernannt und ließ durch Fräulein Holzmüller dem Verein zur freien Verfügung aus Anhänglichkeit und Dankbarkeit eine Jubiläumsausgabe von 1000 Mark überreichen. Ein auf die Feier Bezug nehmender Prolog wurde von Fräulein Siegert und ein von Frau Rendant Künzel zum Stiftungstage vor 25 Jahren verfasstes formvollendetes Gedicht durch Frau Dr. Trietschler gut zum Vortrag gebracht. Der Bericht des Schriftführers Herrn Pfarrer Colditz legte Zeugnis ab von der segensreichen Tätigkeit des Vereins in dem verflossenen halben Jahrhundert, gab Kunde von der Gründung, die am 6. November 1867 vor sich ging, und kam auf die Gemeindediakonie zu sprechen, die von dem Verein ins Leben gerufen wurde und jetzt mit einem Grundvermögen von über 14 000 Mark feste Wurzel gefasst habe. Mit dem Wunsche, dass sich für den Frauenverein immer wieder junge Kräfte finden mögen, wenn ältere Damen sich zurückzuziehen beabsichtigen und dass Gott dazu verhelfe, dass die Liebe nimmer aufhöre, schloss der Vortrag, nachdem noch zuvor all der Frauen und der Kuratoren Pfarrer Leonhardi, Kretzschmar und Siegert, die aus dem Leben geschieden sind, gedacht und ihr Andenken durch Erheben von den Plätzen geehrt worden war. Während der Pause wurde eine reiche Fülle eingegangener Glückwünsche zur Verlesung gebracht. Frau Dr. Trietschler spendete 100 Mark für die Kleinkinderbewahranstalt, Herr Bürgermeister Börngen sprach im Namen des Stadtgemeinderates usw. Herr Amtshauptmann Graf zu Gastell-Gastell, Erlaucht, sowie Herr Superintendent Lic. Flade aus Oschatz, die der Feier beizuwohnen gedachten, konnten nicht erscheinen, weil im letzteren Augenblick das Automobil einen Schaden erlitt. Frau Rentier Schurig und Frau Baumeister Eichler, von denen die eine Kassiererin der Gemeindediakonie, die andere vom Frauenverein ist, wurden Ehrenurkunden für treue Dienste überreicht.

Mügelner Anzeiger, 08. November 1917