Online-Chronik der Stadt Mügeln
 

Archäologische Grabungen kurz vor Abschluss
Vor 3000 Jahren erste Siedlung am Poetenweg


Mit den Fingern drückten sie schmückende Ornamente in ihre Becher und Schalen. Beim Bau der kleinen Häuser half ihnen das Steinbeil. Vor 3000 Jahren – 900 Jahre vor Beginn unserer Zeitrechnung – siedelten sich am heutigen Poetenweg die Vorfahren der Mügelner an. Unter den Fundamentplatten der neuen Sozialwohnungen verschwindet zur Zeit eine uralte Siedlung, die der jüngeren Bronzezeit zugeordnet wird.

Seit Dezember 1994 untersuchen Mitarbeiter des Landesamtes für Archäologie das Gelände. „Wir haben fünf Haus-Grundrisse gefunden“, gerät Grabungsleiterin Dr. Silke Schwarzländer ins Schwärmen. Die Mügelner Siedlung ist eine Rarität. In Sachsen wurde bisher nur bei Großenhain eine ähnlich große Ansiedlung aus der Bronzezeit freigelegt.

„Wahrscheinlich haben sich die Menschen von Ackerbau und Viehzucht ernährt“, vermutet die Archäologin. Der fruchtbare Lößboden, die Südhanglage und die 150 Meter entfernte Döllnitz boten für die Bronzezeit-Menschen gute Bedingungen. Die fünf Häuser hatten wahrscheinlich Satteldächer, bestanden aus Holzpfosten mit einem Zweiggeflecht.
Wie ihre Bewohner aussahen, wird aber auch künftig ein Rätsel bleiben. „Wir haben keine menschlichen Überreste gefunden, da der Boden total entkalkt war“, bedauert Dr. Schwarzländer. Scherben, zwei vollständig erhaltene Ösenbecher, vier Steinbeile, Webgewichte für die Beschwerung der Kettfäden, Teile von Mahl- und Schleifsteinen lassen aber darauf schließen, womit sich die bronzezeitlichen Siedler beschäftigt haben. Aus den meisten Bechern und Schalen wurde getrunken und gegessen. Sie sind nur grob geglättet, aber mit aufgesetzten Zierleisten versehen, auf denen Eindrücke von Fingern- oder Fingerkuppen zu finden sind.

Gleichzeitig wurden auch Teile dünnwandiger Keramik gefunden. Auf ihrer schwarzen Oberfläche finden sich schmale waagerechte oder kurze senkrechte Riefen und Dreiecke. Diese Verziehrungen machen die Einordnung der Siedlung in die jüngere Bronzezeit möglich.

Ein noch ungeklärtes Detail: Drei von vier Steinbeilen stammen aus Postenlöchern, die nicht zu den Häusern gehörten. Sie könnten eventuell mit dem Aberglauben der Siedlungsbewohner zusammenhängen. „Vielleicht sollten damit Blitze abgewehrt werden“, rätselt die Archäologin.

Ende nächste Woche werden die Arbeiter ihre Grabungen im letzten Abschnitt der Siedlung beenden. Parallel dazu werden die Funde gewaschen und beschriftet. Bis Ende April soll die Dokumentation und die Archivierung der Scherben, Gefäße und Beile im Landesamt für Archäologie fertiggestellt sein. Verschwinden die Siedlungsfunde jetzt für alle Ewigkeit in den Archiven des Dresdner Landesamtes? „Das könnte zum Beispiel auch im Mügelner Museum ausgestellt werden“, gibt Dr. Silke Schwarzländer den Mügelner Heimatfreunden einen heißen Tipp.
Frank Hörügel, OAZ vom 18./19.03.1995