Online-Chronik der Stadt Mügeln
 
Säuberung der Wirtschaft von Kriegsverbrechern

Die erste Bedingung, um die Wirtschaft aufbauen zu können, ist die Säuberung der Wirtschaftsleistungen von Kriegsverbrechern, aktiven Nazis und von den Kräften, die aktiv der imperialistischen Kriegspolitik gedient haben. Es muss verhindert werden, dass diese faschistischen - reaktionären Kräfte materielle Machtmittel behalten, um noch einmal die alte Politik durchzusetzen.
Auf welchem Wege sollen nun diese Sicherungen geschehen? Durch Übereignung der betreffenden Betriebe an die demokratische Selbstverwaltungsorgane, an die Landesverwaltung bzw. Stadtverwaltung und durch Sicherung des demokratischen Mitbestimmungsrechts. Die Maßnahmen die wir zur Sicherung des Friedens durchführen, sind politische Maßnahmen gegen die Kriegsverbrecher und gegen jene, die durch ihre Taktik und durch ihre Taten während des Hitler-Krieges bewiesen haben, dass sie aktive Förderer der imperialistischen Kriegspolitik sind.
Es handelt sich also nicht um eine gesellschaftliche Umwälzung, sondern darum, dass die demokratischen Kräfte aller Bevölkerungsschichten die Aufgaben des demokratischen Aufbaues gemeinsam lösen. Nicht die Sozialistische Einheitspartei allein ist Träger dieser Politik. Alle antifaschistisch – demokratischen Parteien und der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund setzen sich gemeinsam für diese Aufgabe ein.
Durch diese Politik soll erreicht werden, dass die Arbeit unseres Volkes wirklich im Interesse des Volkes geschieht und nicht wieder im Interesse der Vorbereitung eines Krieges oder der Produktion von Kriegsmaterial. Im jetzigen Stadium der Entwicklung soll in der sowjetisch besetzten Zone Klarheit darüber geschaffen werden, welcher Weg gegangen und welche wirtschaftliche Ordnung errichtet werden soll, das heißt, welche Betriebe der Kriegsverbrecher gehören wem? Welche privatkapitalistischen Betriebe gehören den Privatkapitalisten, welche Betriebe der Handwerker gehören dem Handwerk, so dass die Männer der Wirtschaft nicht mehr sagen können, sie könnten keine Initiative entfalten, weil sie nicht wüssten, was morgen geschieht.

Am Eigentum aller ordentlichen Staatsbürger wird nicht gerüttelt

Mit dieser Ordnung in der Wirtschaft wird klargestellt, welche Großbetriebe der Kriegsverbrecher und aktiven Nazis der Landesverwaltung übereignet werden. Die anderen Betriebe, die also deutschen Staatsbürgern gehören, sind Eigentum der betreffenden Inhaber und an diesem Eigentum wird nicht gerührt, weder jetzt noch späterhin. Die Handwerker behalten ihren Handwerksbetrieb und niemand hat das Recht, sie anzurühren.
Durch diese Sicherung des Friedens und durch den Aufbau einer demokratischen Wirtschaftspolitik wollen wir auch erreichen, dass die anderen Völker erkennen, dass im deutschen Volke genügend Kräfte vorhanden sind, die gemeinsam wirken und den Willen haben, den Frieden endgültig zu sichern und die in einem freundschaftlichen Verhältnis mit allen Völkern leben wollen.

Betriebsräte helfen beim Aufbau

Obwohl Mügeln von Kriegshandlungen und Bombenangriffen verschont blieb, war bei Kriegsende doch die Produktion der Chemischen Fabrik „Lipsia“ gelähmt. Aber auch hier war es wieder die Arbeitsbereitschaft selbst, die zusammen mit ihrem rührigen Betriebsratsvorsitzenden Kollegen Mundus, sofort mit dem wirtschaftlichen Aufbau begann. Groß waren die Schwierigkeiten, aber es wurde geschafft und jetzt, unter einer neuen demokratischen Leitung, ist es so weit, dass in engstem Zusammenwirken von Betriebsrat und Betriebsleitung das Werk in allernächster Zeit voll arbeiten kann.
Dieser große Erfolg setzt sich aus einer langen Reihe von kleinen, oft schwer erkämpften Verbesserungen, Versuchen und Unternehmungen zusammen. Ob es sich um die Sicherung der Brennstoffversorgung, um die Materialbeschaffung, um innerbetriebliche Angelegenheiten handelte, immer war der Betriebsrat maßgeblich beteiligt, sei es durch praktische Vorschläge oder Verhandlungen mit dem Betriebsrat eines Lieferwerkes. So konnte, um nur ein Beispiel zu nennen, mit der Ofenfabrik in direkten Verhandlungen der Austausch einer dort benötigten Mühle mit einem Kessel vorgenommen werden.
Im Betrieb selbst ist neben dem Aufbau des Werkes, der alle Kräfte erforderte, schon viel für die Arbeiter selbst getan worden. So wird im Hinblick auf die stark staubende Arbeit an Jugendliche ein halber Liter Milch auf Kosten des Betriebes ausgegeben. Eine größere Baracke wird als Aufenthaltsraum für die Belegschaft hergerichtet und damit einem wirklichen Bedürfnis entsprochen. Dass damit auch die FDJ, Mügeln, einen Raum für ihre Zusammenkünfte erhält, sein nur nebenbei bemerkt. Die Jugendlichen der „Chemischen“ gehören aber auch alle der FDJ an. Manches lässt sich freilich jetzt noch nicht ermöglichen, aber die Sorge für die Arbeiterschaft, für soziale Einrichtungen, vor allem auch für die schaffenden Frauen und Jugendlichen, lässt den Betriebsrat und seine Mithelfer nicht müde werden. Die Arbeitskollegen Mundus und seine Mithelfer und Mithelferinnen stehen auch wieder auf der Kandidatenliste zum Betriebsrat und es unterliegt keinem Zweifel, dass diese Männer nach der Betriebsrätewahl wieder in bewährter Weise und unermüdlich wie bisher für das Werk und die Belegschaft arbeiten werden.+

LVZ 23.07.1946