Online-Chronik der Stadt Mügeln
 
Großer Andrang herrscht seit Freitag früh im VPKA Oschatz. Tausende Bürger unseres Kreises haben seitdem ein Visum für Privatreisen in die BRD bzw. West-Berlin erhalten. Auch Bürger, die ständig ausreisen wollen, erhalten unkompliziert ihre Papiere.
LVZ 14.11.1989

Gemeinsame Erklärung

Am 30. November 1989 fand beim Rat des Kreises zwischen den Autoren, Herrn Dorow, Herrn Zieger UND Herrn Walter, aufgrund eines in der LVZ am 16. November unter dem Titel „Gehört vom amtierenden Direktor und Parteisekretär“ veröffentlichten Briefes und Herrn Küttner, Vorsitzender des Rates des Kreises, eine Aussprache statt.
Der Grund dieser Zusammenkunft war, dass die o. g. Autoren mit der inhaltlichen Darstellung der öffentlichen Erklärung des Ratsvorsitzenden nicht einverstanden waren und deshalb die darin angebotene persönliche Aussprache zwischen den Beteiligten angenommen wurde. An der Beratung nahmen im gegenseitigen Einverständnis die Bürger Herr Gey, Herr Reimann, Herr Otten, Herr Weiß, Herr Zehme und Herr Dinter teil. Nachdem durch beide Seiten Ihre Standpunkte dargelegt wurden, konnte Übereinstimmung zur Veröffentlichung einer gemeinsamen Erklärung erzielt werden.

1. Der Vorsitzende des Rates des Kreises distanziert sich mit aller Entschiedenheit von der ihm durch das Sekretariat der SED-Kreisleitung übergebenen Lageeinschätzung, die sich auf die Einschätzung durch zentrale Leitungsorgane der SED bezog. In dieser Lageeinschätzung wurde, wie durch die Offenlegung in den letzten Wochen bereits informiert, von zentralen Parteiorganen davon ausgegangen, dass die im September durchgeführten Demonstrationen, vor allem in Dresden, Leipzig und Berlin, die Machenschaften konterrevolutionärer Kräfte mit antisozialistischen Inhalt seien und unter allen Umständen zu verurteilen sind und der Sozialismus mit allen Mitteln zu verteidigen ist. Damit entsprach diese falsche Lageeinschätzung im Wesentlichen den genannten Darlegungen durch die Herren Dorow, Zieger und Walter, wobei hervorzuheben ist, dass der Einsatz der Kampfgruppen als letztes Mittel angesehen wurde und diese bekanntlich nie den staatlichen Organen unterstanden. Die Fragestellung, ob dabei auch die Aufforderung erging, „wenn nötig mit der Waffe nach innen“, wurde von Herrn Küttner in der Vergangenheit so verstanden, als dass er selbst dazu aufgefordert hätte und deshalb entschieden verneint.

2. Der Vorsitzende des Rates des Kreises, Herr Küttner, bedauert zutiefst, dass er diese falsche Lageeinschätzung am 29. September 1989 gegenüber Betriebsleitern und Vorsitzenden von Genossenschaften im Auftrag des Sekretariats der SED-Kreisleitung weitergegeben hat. Möglich war das vor allem durch die damals herrschenden Machtstrukturen und die Anmaßung der Führungsrolle der SED.


3. Dieser Missbrauch der staatlichen Organe und über sie weiterer staatlicher Leiter zur Weitergabe von Parteiinformationen und falschen Lageeinschätzungen begründete unter anderem die Entscheidung des Rates des Kreises zur Trennung von der SED, wie es im Standpunkt des Rates des Kreises Oschatz am 6. November in der Kirche „St. Aegidien“ und am 10 November in der LVZ dargelegt wurde.

4. Der in der Veröffentlichung des Herrn Küttner in der LVZ vom 12 November geäußerte Zweifel, die Kollegen vom VEB EKO würden es mit dem Erneuerung- und Vertrauensbildungsprozess nicht ehrlich meinen, wurde in den geführten Aussprachen als haltlos widerlegt, wozu beiderseitig gegebene Informationen beitrugen.

5. Übereinstimmung wurde dahingehend erreicht, dass der Prozess der Neugestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse und er Vertrauensbildung durch das Führen sachlicher, auch kontroverser Gespräche gefördert wird und dass es im Interesse der Ehrlichkeit, der Offenheit und Sachlichkeit das Beste ist, zur Klärung von Differenzstandpunkten sich an die betreffenden Beteiligten direkt zu wenden.

LVZ 19.12.1989


„ Runder Tisch“ hat sich konstituiert

Im Ergebnis der sehr schlecht besuchten Stadtverordnetenversammlung vom 7. Dezember 1989 und des nicht mehr arbeitsfähigen Stadtausschusses der Nationalen Front sowie des Demokratischen Blocks in Mügeln hat sich als gesellschaftliches Gremium ein „Runder Tisch“ herausgebildet. Dieses Gremium, in dem Vertreter aller jetzigen und künftigen Parteien und Organisation unserer Stadt mitarbeiten können, versteht sich als beratendes Organ der Stadtverordnetenversammlung Mügeln, dem 18. Dezember, zusammen.

An diesem Gespräch nahmen 30 Bürgerinnen und Bürger teil, die ein breites Spektrum der Interessenvertretung repräsentieren. Neben Verfahrensfragen ging es in dieser Sitzung inhaltlich um Möglichkeiten der Herausbildung von Bürgerinitiativen in unsern Wohngebieten, der engere Einbeziehung der Antennengemeinschaft als größte Bürgerinitiative unserer Stadt, bei der Lösung kommunaler Aufgaben mit und für unsere Bürger sowie um die gemeinsame Verantwortung der am „Runden Tisch“ mitarbeitenden Mandatsträger für die Tätigkeit ihrer Abgeordneten im Stadtparlament.
Weiterhin wurde ein Gedankenaustausch zur Rolle des Gremiums in der Wahlvorbereitung sowie zur Entwicklung von Stadtpartnerschaften geführt. Zum letzten Punkt sei angemerkt, dass wir noch bis zum Jahresende 1989 Vorschläge unserer Bürger zur Ausgestaltung von Städtepartnerschaften entgegennehmen.

Festgelegt wurde, dass zur nächsten Gesprächsrunde, nur zwei Vertreter der Parteien, Massenorganisationen oder anderer Bürgervereinigungen teilnehmen können. Wir würden es begrüßen, wenn auch Vertreter des Kulturbundes, des FDGB oder der VdgB sich dem Gremium anschließen. Auf der Tagesordnung steht dann eine Aussprache zum Planentwurf 1990 sowie zur Nutzung der technischen Möglichkeiten der Antennengemeinschaft für eine breitere territoriale Öffentlichkeitsarbeit.

Geleitet wird das gesellschaftliche Gremium von seinen Initiatoren, Herrn S. Schönherr, Vorsitzender der Grundeinheit Mügeln der NDPD, Herrn B. Brink, Bürgermeister von Mügeln und Mitglied der SED-PDS, sowie Herrn Dr. U. Bürger, Mitglied des evang.-luth. Kirchenvorstandes Mügeln und Mitglied der NDPD.
LVZ 22.12.1989