Online-Chronik der Stadt Mügeln
 
 

Der Park von Schweta als dichterischer Hain

Eine zeitgenössische Schilderung aus dem Jahre 1819 – Einleitung von Dr. Rudolf Nicolai, Buchholz (Sa.)


Im Nachlasse meines im Jahre 1919 verstorbenen Vaters des Pfarrers Th. Nicolai von Schweta (1897 bis 1915) fand ich die nachstehend wohl zum ersten Male veröffentlichte Abhandlung über den Schwetaer Park vom Jahre 1819. Ein Verfasser ist leider nicht angegeben, vielleicht ist es der damalige Pfarrer Friedr. Aug. Schweingel gewesen. Das Rittergut Schweta, auf uraltem, seit Jahrtausenden besiedelten, fruchtbaren Raume gelegen, war 1817 aus der Hand der Familie Kopp in den Besitz von Karl Ferdinand Heinrich Schütze übergegangen. Schütze, der aus Meißen stammte, war ein geistig außerordentlich hochstehender Mann, der die weite Welt als Kaufmann kennen gelernt hatte. Im Besitze der Fürstenschule Meißen befindet sich eine ausführliche Lebensbeschreibung dieses bedeutenden Mannes. Er hatte sich seine Gemahlin, Elisabeth James, aus England geholt. In Schweta suchten die beiden Ruhe in ihren aufreibenden Lebenskämpfen. Sie ließen auf ihre Kosten 1845 die jetzt noch stehende Schule erbauen, und mancherlei Stiftungen zeugten bis vor kurzem von ihrer freundlichen Gesinnung. Er ruht, im Jahre 1860 kinderlos verstorben, in dem schönen Erbbegräbnis auf dem Schwetaer Friedhof.
Nach den Zeiten der nüchternen Aufklärung und schweren Erschütterungen, die die napoleonische Zeit über Europa gebracht hatte, bestand eine große Sehnsucht nach Ruhe und innere Sammlung. Dies wurde noch dadurch bestärkt, dass der Traum der echten Deutschen, die als Kriegsfreiwillige sich zum Kampfe gestellt hatten und die als Früchte ihres Opfers ein geeintes, mächtiges Deutschland ersehnten, nicht in Erfüllung gegangen war, so dass man, durch die Fesseln der Reaktion eingeengt, sich in das Reich der Dichtung und Phantasie flüchtete. Das Ehepaar Schütze hat dieser Sehnsucht in dem Parke Ausdruck gegeben. Aus englischer Erinnerung brachte sicher die Frau Anregungen für englische Parkanlagen mit. Und so richtete man den Park als einen romantischen Hain ein mit Tempeln der Freundschaft., mit Aussprüchen deutscher Dichter und schönen Plätzchen. Von den Bauten ist nicht viel mehr erhalten, ich kann mich auf den „Guten Heinrich“, der ums Jahr 1912 noch stand, erinnern. Die Zeiten sind härter geworden, es ist kein Raum mehr für zarte Empfindsamkeit und Rührseligkeit. Unsere Zeit fordert ein hartes Geschlecht, aber doch auch ein Geschlecht, das für höhere und innere Werte Sinn hat, und so soll uns der Schwetaer Park nicht nur eine alte Erinnerung sondern auch eine Mahnung sein.

Die erwähnte Abhandlung ist ein Heftchen von 16 Seiten, das den Titel trägt:

Beschreibung der Monumente und Verschönerungen der in dem Dorfe Schweta errichteten englischen Anlagen. Gesammelt im Sommerjahr 1819.


In schöner, zierlicher Handschrift ist das Heftchen geschrieben und es ist für den Freund heimatlicher Geschichte und Dinge ein besonderer Reiz, darin zu lesen. Vor dem geistigen Auge entstehn all die einstigen kleinen Herrlichkeiten des Parkes. Der Inhalt der Abhandlung lautet in wortgetreuer Wiedergabe:
Ein einfaches aber angenehmes dem unsterblichen Klopstock zu Ehren geweihtes Monument bildet ein bemooster Weidenstamm, drei Ellen Länge und ist oben auf dem Verhacke mit zwei grünenden Zweigen versehen. Bei diesem ist ein kleiner verhackter Stamm zum Sitz geeignet. An dem größeren Stamme ist eine viereckige Tafel von Blech angeschlagen, worauf man folgende dichterische Strophe liest:


Stirb! Du hast mich gelehrt,
Doch mir der Name Tod,
Wie der Jubel ertönt,
Den ein Gerechter singt.
Aber bleib mein Lehrer,
Stirb und werde mein Genius.


Am Fuße dieses Monuments sieht man eine viereckigt drei Zoll starke und im Durchmesser 1,5 Fuß breite steinerne Tafel, welche in schiefer rückwärtsfallender Richtung folgendes zu lesen darbietet.


Den Manen Klopstocks.
Friedrich Gottlieb Klopstock geboren den 08. Juli 1724 zu Quedlinburg, starb den 14. März 1803 zu Hamburg.


Du großes Herz, dass jetzt in Staub zerfällt,
Wie hast Du göttlich sanft geschlagen,
Wie tausende zu deiner Himmelswelt,
Durch Wort und Lieb empor getragen.
Nur nach dem Höchsten hast du stets gestrebt,
dich nur des Würdigsten beflissen,
Und als ein reiner Mensch gelebt,
Bis dich dein Engel dieser Welt entrissen.


Neben diesen Monument ist ein wirklicher Grabeshügel mit Gras und Moos bewachsen. Überhaupt umgibt den Ort ein Kiefern- und Erlenhain.
Sehr anziehend ist ein Ort am Wege, auf welchem nämlich eine einfach aus Mauersteinen zusammengesetzte, mit Moos ausgelegte und mit Rasen bedeckte Bank befindlich ist, zur Rückenwand, sowie zur Seite dienen dergleichen nachlässig aufgerichtete Steine mit Moos ausgelegt. Vor sich hat man eine große grünende Aue mit Erlengebüsch umgeben, über welches eine Schäferei hervorragt. Die Bank aber wird von einer hohen ausgebreiteten Eiche überschattet, an deren Stamme eine dichterische Strophe auf einer blechernen Tafel enthalten ist, wie folgt:


O lasst dehm Klange dieser Lieder
Uns lächelnd durch dies Leben geh’n;
Und sinkt der letzte Tag hernieder,
Uns bei dem Lächeln stille gehen!


Die Grundidee davon ist überhaupt, dass das Leben des Menschen unter dem Bilde einer Reise vorgestellt wird.
Geht man über eine Brücke, ganz aus birkenen Ästen verfertigt, und welche an beiden Seiten mit Geländer versehen ist, so steht man mit einemmale vor einer acht Ellen hohen Figur, die entweder einen Pilz oder ein chinesisch Dach bildet. Rings um den Stamm herum ist eine Bank ebenfalls aus birkenen Ästen verfertigt angebracht, und die mit Moos ausgelegt ist. Der Stamm des Pilzes selbst bildet einen Eichenstamm, und das Haupt desselben ist mit Stroh gedeckt, umwendig ist eine Gipsdecke.
Was kann noch die Anmut erhöhen, als ein Echo, das man entdeckt, wenn man unter dem Pilze erfreuet das Auge ringsumher eine Fläche blühender Astern. Einladend für Auge und Herz ist ein Ruhebänkchen mitten im Erlengebüsch neben einem rieselnden Bache. Überdies wechseln hier Wiesen, Gänge und mancherlei schöne Aussichten miteinander ab.
Von mehreren durch Natur und Kunst angelegten geschlängelten Wegen geleitet, gelangt man an einen rauschenden Bach, worüber eine Zugbrücke, welche aus erlenen Ästen verfertigt und mit Moos ausgelegt ist, in horizontaler Richtung ganz einfach führt. Linker Hand vorn an der Zugbrücke überschattet jeden Herumwandler eine ausgebreitete grünende Wasserweide, an deren Fuße eine drei Zoll starke und 1,5 Fuß lange ovalrunde steinerne Tafel ruht. Man liest auf derselben Folgendes:


Dein Leben, Mensch,
sei eine Reise!
Der Weg verführt,
geh’, lern, sei weise!


Hier wird das menschliche Leben in einer Reise realisiert, bei deren Antritt und Fortgang zur Vollendung dem Menschen vorsicht und Standhaftigkeit in unzweideutigen Schicksalen angeraten wird.
Man hat, wenn man diese einfache Zugbrücke überstiegen, zwei angenehme Wege vor sich. Der Weg zur rechten Hand führt durch wildes Gebüsch nach einem Dorfe; der zur linken auf einen Kreis, der 20 Ellen im Umfange und 10 Ellen im Durchmesser hat, und mit Sand bedeckt ist. In der Mitte dieses Kreises ist ein Altar aus ordinären
Mauersteinen mit Moos durchwachsen errichtet, der 5 Fuß Höhe hat. Unten an demselben liegen ordnungslos Steine verschiedener Art mit Moos bewachsen. Oben auf dem Altare ist eine Opferpfanne eingelegt. An der einen Seite des Altars, die dem Kommenden entgegensteht, ist eine ovale steinerne Tafel eingegraben, woran man folgendes liest:


Willst, o Wandrer,
du das Meer des gefährlichen Lebens
froh durchschiffen,
und wohl landen im Hafen dereinst:
Laß, wenn Winde dir heucheln,
dich nicht vom Stolze besiegen!
Laß, wenn Sturm dich ergreift,
nimmer dir rauben den Mut!
Männliche Tugend sei dein Ruder,
der Anker die Hoffnung;
Wechselnd bringen sie dich
Durch die Gefahren ans Land.


Lieblich umgehen den Kreis vier sich gegenüberstehende Rasenbänke, welche Ruhesitze sowohl, als überhaupt den gesamten Kreis ein Erlenhain umschattet.
Man sieht vor eines Tempels Halle, 6 Ellen breit, 8 Ellen hoch. Alles mit Eichenrinde belegt, darinnen sich zu beiden Seiten 4 Tafeln befinden. Auf der einen steht:


Freundlich hehre Natur.
Du lächelst Weisheit und Einfalt,
Freien Sinn und zur Tat, Kraft und Entschluß in das Herz!
Auf der anderen:
Natur führt unsern Geist zur Tugend,
Und Tugend führt ihn zur Natur.
Auf der äußeren Tafel:
Den ländlichen Freuden.


Zu beiden Seiten des Tempels ragen die Tannen noch hervor, vorbei führt der Weg, vor liegt eine Wiese, wo hinter Erlen der Turm hervorragt.
An einem rauschenden Bache, ländlichen Platzes mit Erlen umgeben, und mit Blumen besetzt, steht ein Tempel 10 Ellen hoch, und 10 Ellen im Umfange, auf 6 Säulen ruhend, auf dem Dache ist ein Knopf. Auf der Außenseite am Tempel herum steht: Den Musen. Hier weihen sie ihren Lieblingen unverwelkliche Kränze, von den Grazien umwunden. Bescheiden ist ihr Glanz, aber mir sagt’s ein Genius, sie werden nie verblühen. In diesem Tempel befindet sich in der Mitte ein runder Tisch mit 9 Sesseln.
Beim Eingange in den Tannenhain:


O Wirf oft die schöne ernste Hülle,
Schwester du der edlen Grabesstille,
Traute Einsamkeit, um mich,
Dann, dann blick ich an der Weisheit Stabe,
Heiter in die Fluren überm Grabe.
Und der Todesengel schreckt mich nicht.


Im Tannenhain an der Einsiedler – Hütte, mit Stroh gedeckt, und einem Kreuze aus ordinären Mauersteinen, mit dazwischengelegten Moos, und runder langer grauer Türe, länglich bunten gläsernen Fenstern, an der Wand liest man an einer Tafel:
Nur Handlungen bestimmen den Wert des Menschen.
Über der Türe:


Kapelle zum guten Heinrich.
In der Kapelle ist es gewölbt, einfach gemalt, und ein Altar von Stein mit Kreuz, zu beiden Seiten sind Bänke mit Tannenrinde belegt. Auf dem Altare ist ein Buch mit Tinte und Feder, worein jeder sich aufzeichnen kann. 3 Ellen vor der Kapelle ist eine Rasenbank angebracht.
Mitten im Tannenhain ist eine Behausung angebracht für Hirsche und Rehe.
Hinter dem Tannenhain ragt an einem rieselnden Gewässer das Denkmal Schillers hervor, es ist ein gerundeter Altar aus Eisenblech mit einer darauf befindlichen Vase, dergleichen hinter dem Denkmal stehen in gerader Richtung am Wasser 3 Samenbirken zu beiden Seiten eine hohe Pappel, vor demselben sind Hängeweiden angebracht. Der Altar mit Vase ist 4 Ellen hoch.
(Elle, früheres Längenmaß, ursprünglich von der Länge des Unterarms abgeleitet, zwischen rund 55 und 65 cm; englische Elle (Ell) 1,1143m.)

An dem Altar liest man:
Den Namen Schillers.
An einer mit plastischer Arbeit geschmückten ovalen Tafel steht:
Friedrich von Schiller ward am 10. November 1759 zu Marbach im Würtembergischen geboren, und starb am 9. März 1805 zu Weimar.
Der Adler besucht die Erde; doch säumt er nicht, schüttelt vom Flügel den Staub, und kehrt zur Sonnen zurück.
Hinten am Altare:
Es wendete die Blüthe höchstes Strebens,
Das Leben selbst an dieses Bild des Lebens.
Ü brigens ist dieses Denkmal umgeben mit Rasenplätzen.
Auf dem gegenseitigen Eingange in den Tannenhain, stehen an einer ovalen Tafel mitten im Gebüsch die Worte:
Nimm trauter Hain, nimm Schattengang mich auf,
In deiner Nacht entschlummern alle Sorgen.

(Beilage zum Mügelner Tageblatt und Anzeiger / Nr. 149
zum Heimatfest vom 29. Juni 1935)