Online-Chronik der Stadt Mügeln
 

Dampfmolkerei Mügeln e. GmbH

Bodenständig, im wahrsten Sinne mit dem Boden der Heimat verwachsen, ist der Betrieb der Molkerei. Der Zusammenschluss der Landwirte zu Molkereigenossenschaften nahm in Deutschland in den 70er und 80er Jahren des 19. Jahrhunderts einen größeren Umfang an. Besonders wurde diese Bildung von Genossenschaften gefördert durch das Reichsgesetz vom 01.Mai 1889 über die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften. Sehr bald sah der Landwirt den hohen Wert solchen genossenschaftlichen Zusammenschlusses ein und so festigten sich schon vorhandene und bildeten sich an vielen Orten neue Genossenschaften, um die großen Vorteile des Zusammenschlusses möglichst vielen zu gute kommen zu lassen. Die Dampf-molkerei Mügeln e.GmbH, hat ihren Geburtstag am 23. Juli 1898 und verdankt ihr Entstehen in erster Linie den Herren Georg Gasch in Döhlen und Woldemar Müller in Töllschütz. Bei-de Herren nahmen tatkräftig die Bildung einer Molkereigenossenschaft in die Hand, klärten persönlich auf, ließen durch Fachleute des Genossenschaftswesens belehrende Vorträge hal-ten, verhandelten mit dem Verbande, der landwirtschaftlichen Genossenschaften für Sachsen über Geldbeschaffung, kurz, sie ließen nichts unversucht, um auch die Landwirte hiesiger Gegend zu einem solchen gewinnbringenden Zusammenschluss zu bewegen. Endlich gelang es mit vereinten Bemühungen, 10 Herren als Gründer in das Genossenschaftsregister beim Amtsgericht Mügeln eintragen zu lassen:

• Karl Gadegast – Niedergrauschwitz
• Max Wolf – Kemmlitz
• Georg Gasch – Döhlen
• Emil Kleeberg – Lüttnitz
• Woldemar Müller – Töllschütz
• Emil Däbritz – Graumnitz
• Theod. Krasselt – Nebitzschen
• Adolf Helm – Graumnitz
• Artin Däweritz – Hohenwussen
• Martin am Ende – Döhlen.

In der Nähe des Bahnhofes wurden hierauf entsprechende Grundstücke, die auch eine späte-re Vergrößerung zuließen, erworben und mit zweckentsprechenden Gebäuden bebaut, die allerdings im Laufe von 25 Jahren mehrfach umgebaut, erweitert und ergänzt worden sind. Die technische Einrichtung wurde nach dem damaligen Stand der Molkereiwissenschaft mustergültig durch das Bergedorfer Eisenwerk A.G. eingebaut und für eine tägliche Anlie-ferung von 8 000 l bemessen. Im Jahre 1912 erfolgte dann eine erhebliche Vergrößerung der gesamten technischen Anlage und zugleich Umstellung des Bearbeitungsverfahrens; die Tagesleistung konnte nun auf mehr als 20 000 l gebracht werden. Entsprechend der Vergrö-ßerung in der Milchbearbeitungsanlage erfolgte selbstverständlich auch eine solche der But-tereieinrichtung. Es würde an dieser Stelle zu weit führen, alle diese technischen interessan-ten Einrichtungen ohne die nötige Anschauung zu beschreiben. Hinzugefügt sei zum Über-fluss noch, dass sämtliche in der Praxis nötigen Untersuchungen der Milch und ihrer Er-zeugnisse in einem eigenen modernen Laboratorium vorgenommen werden, so dass ein-wandfreie Betriebskontrolle dadurch gewährleistet wird, wie ja auch durch Auslegen der Räume mit Fliesen peinlichste Sauberkeit ermöglicht wird. Im Laufe der Jahre ist so ein al-len molkereitechnischen Anforderungen gemäßer und allen neuzeitlichen Bedingungen Ge-nüge leistender Milchverarbeitungs-Betrieb geschaffen worden.
Für die gedeihliche Entwicklung, für Aufstieg und Niedergang eines Betriebes ist es von größter Bedeutung, dass an der Spitze Männer stehen, die mit klarem Blick und klugem Verständnis sich den ihnen übertragenen Aufgaben widmen und sich von dem einmal als richtig erkannten Ziele nicht abbringen lassen. Und es kann mit Fug und Recht gesagt wer-den, dass die Männer, in deren Hand während der vergangenen Zeit die Leitung der Molke-rei Mügeln lag, ihrer Aufgabe voll und ganz gerecht geworden sind. Von den Gründern der Genossenschaft sind heute noch die Herren Gasch – Döhlen und Müller – Töllschütz im Vorstand bzw. Aufsichtsrate tätig. Besonders wichtig für einen derartigen Betrieb ist die Wahl des rechten Leiters. Von 1898 bis 1902 wirkten als Leiter die Herren Heiling und Seeck. Seit dem 01. Juni 1902 liegt die Leitung in den Händen des Herrn Gustav Hameister. Mit Unterstützung des Vorstandes und Aufsichtsrates hat er es verstanden, das Unterneh-men in jeder Hinsicht vorteilhaft für die Mitglieder zu gestalten. Sein sicherer Blick für neuzeitliche Einrichtungen maschineller und kaufmännischer Art sicherten der Molkerei ei-nen dauernden Aufschwung.
Der Ausbruch des Krieges 1914 bedingte in verschiedener Beziehung eine Umstellung des Betriebes. Anstelle des Versandes von Schlag- und Kaffeesahne in die Großstädte Frisch-milchlieferung. Nach einiger Zeit trat ein erheblicher Rückgang der angelieferten Milch-mengen ein. Ursache hierfür war die Verminderung der Zufuhr ausländischer Futtermittel und Milchkühe, sowie die Beschlagnahme vorhandenen Schlachtviehes.
Noch größer wurde der Buttermangel, als auch die fremden Fette und die Margarine mehr und mehr ausblieben. Nun folgte die üble Zeit der Zwangswirtschaft mit all den Unzuträg-lichkeiten für die Molkereien und das Publikum. Die hiesige Molkerei wurde für den ge-samten amtshauptmannschaftlichen Bezirk Oschatz Sammel- und Verteilungsstelle für But-ter und Quark. Sie hat sich dieser Aufgabe mit aller Kraft gewidmet, ohne immer bei der Bevölkerung das nötige Verständnis und etwaigen Dank zu finden. Das eine Gute hat aber diese Kriegswirtschaft mit sich gebracht, das ist die Erkenntnis der großen volkswirtschaft-lichen Bedeutung der Molkereien für die Ernährung des Volkes. Möge es auch in Zukunft der Dampfmolkerei gelingen, an ihrem Teile beizutragen an der Gewinnung einwandfreier, vollwertiger Milcherzeugnisse zum Besten der Verbraucher und zum eignen Nutzen; dann wird der gute Ruf, in dem sie mit ihren Zweigmolkereien in Ostrau, Oschatz und Dahlen Steht, auch ferner erhalten bleiben. (aus dem Heimatbuch von 1925)


Zur Geschichte der Molkerei aus der Sicht von Herrn Kurt Dornau
(ehem. Betriebsleiter)

Am 23. juli 1998 wurde die Molkereigenossenschaft Mügeln gegründet. Sie entstand im Verlaufe der in den neunziger Jahren einsetzenden Bewegung zur Gründung von Molkerei-genossenschaften und ist somit eine der ältesten dieser Art in Sachsen.
Zehn Bauern aus der landwirtschaftlichen Umgebung Mügelns gründeten in der Gaststätte Gatzschnik in Mügeln die Molkereigenossenschaft.
Im Jahre 1910 wurde der Zweigbetrieb Ostrau eingerichtet und nach dem 1. Weltkrieg, im Jahre 1919, wurden die damalige Molkereien Oschatz und Dahlen, sowie die Bezirksmilch-verwertung in Leipzig, käuflich erworben und bildeten mit dem Hauptbetrieb Mügeln ein milchwirtschaftliches Großunternehmen. Dieser Großbetrieb bestand eine Reihe von Jahren und erst nach 1930 wurden diese Zweigbetriebe selbstständige Molkereigenossenschaften.
Mit zunehmender Milchanlieferung machten sich stets Erweiterungsbauten erforderlich, so im großen Umfange 1931.
1948 entschloß man sich zum Bau einer Camembertkäserei, welche am 22. April 1949 die Produktion aufnahm.
1959 wurde ein neues Wohn- und Verwaltungsgebäude auf der gegenüberliegenden Stra-ßenseite der Molkerei errichtet.
Im Jahre 1963/64 wurden im gesamten Betrieb Rekonstruktionsmaßnahmen durchgeführt, unter anderem wurde auch die Kapazität der Camembertkäserei erweitert.
1967 begann der Bau eines neuen Kesselhauses, welches am 01. Oktober 1968 in Betrieb genommen wurde.
Auf Grund der günstigen geographischen Lage Mügelns zu den 3 Bezirken von Sachsen, reifte der Gedanke in Mügeln eine Schnittkäseproduktion zu errichten. Hinzu kam, daß Mügeln über ein neues Kesselhaus verfügte, welches ursprünglich die VARIA mit Dampf versorgen sollte. In Abstimmung mit der Vereinigung für die Lenkung der milchverarbei-tenden Industrie des Bezirkes Leipzig, entschieden wir uns für einen Käse, der abgepackt als Kleinstkäse auf den Markt kommen sollte.
1973 wurden die Vorarbeiten, in Abstimmung mit dem Institut für Milchwirtschaft der DDR, begonnen. Am 07. Oktober 1975 wurde die Produktionsstätte zur Herstellung von „Mügelner Baby Edamer“ (ca. 500 g) ihrer Bestimmung übergeben.
Die Ausrüstung zur Technologie wurde vorwiegend aus Ungarn bezogen.
Der neu entwickelte Käse sollte ursprünglich zur Bereicherung des Käsesortimentes in der DDR beitragen. Da alle Lebensmittel in der DDR staatlich gestützt wurden, war man auch bei der Preiskalkulation davon ausgegangen, aber es kam anders. 1975 wurden die ersten Delikatläden der DDR eröffnet und so wurde der „Mügelner Baby Edamer“ zu einem „De-likatpreis“ vom Ministerium bestätigt. Die Delikatläden der DDR (außer den 3 Nordbezir-ken) wurden von Mügeln beliefert.
Später wurde die Produktion von Edamer und Edamer - Hochfein (ca. 3 kg), sowie Piccolo, mit einem Stückgewicht von 250 g, aufgenommen.
Die Jahresproduktion betrug vor der Wende ca. 2000 t Schnittkäse und 400 t Camembert, dies mit 135 Beschäftigten.
Vor der Wende wurden vom Außenhandel 2,5 Millionen Valuta Mark für die Erweiterung der Piccoloproduktion bereitgestellt. Die vorgesehene Technologie aus der BRD kam je-doch nicht mehr voll zum Einsatz.
Nach der Wende fusionierten die umliegenden Molkereien Leisnig, Ostrau, Waldheim, Tor-gau mit der Molkereigenossenschaft Oschatz zu den Milchwerken Mittelsachsen mit Sitz in Mügeln. Damit waren die Voraussetzungen für ein Großunternehmen geschaffen, was mit den westdeutschen Molkereien konkurrieren konnte.
Da es sich alles um Molkereigenossenschaften handelte war dies durch Beschluß des Vor-standes und Generalversammlung möglich. Bis zum Jahre 1992 lief dieses Unternehmen selbstständig und es gab auch bereits konkrete Vorstellungen über die weiteren Perspekti-ven.
Von dem Ministerium für land- und Nahrungsgüterwirtschaft des Landes Sachsen, ein-schließlich des damaligen Ministers Herr Dr. Jähnichen, wurde für Sachsen das Privatun-ternehmen Müller aus Bayern favorisiert.
Auf einer Vorstandssitzung der Milchwerke plädierte der Vorsitzende für das Unternehmen „Müller Milch“ in der Hoffnung einen besseren Milchpreis zu erhalten.
Der Vorstand stimmte diesem Vorschlag mehrheitlich zu, damit war das Ende der Molkerei Mügeln besiegelt.