Online-Chronik der Stadt Mügeln
 
Bürgermeister Börngen

Am 01. Februar 1911 war es Herrn Bürgermeister Theodor Börngen in Mügeln vergönnt, sein 25jähriges Amtsjubiläum zu feiern. Der gesamte Stadtgemeinderat, sowie die Mitglieder des Schulausschusses hatten sich an diesem Tage vormittags 11 Uhr im Rathaussaale versammelt, wozu sich auch die sämtlichen städtischen Beamten eingefunden hatten. Herr Ratmann Striegler wies in seiner Ansprache an den Jubilar zunächst auf die vielseitigen Verdienste, die er sich während seiner Amtsdauer um die Stadt Mügeln nach innen und außen erworben, hin und sprach ihn unter gleichzeitiger Überreichung eines von der Stadt gestifteten künstlerisch ausgeführten silbernen Tafelaufsatzes sowie eines Geschenkes des Kollegiums – eichener Ruhestuhl und ein Tableau mit den Bildnissen der Mitglieder des Stadtgemeinderates – die herzlichsten Glück- und Segenswünsche der gesamten Bürgerschaft und besonders aller von ihr gewählten Vertreter aus. Die städtischen Beamten brachten ihrem Chef durch ihren Obmann – Herrn Sparkassenkassierer Lips – ihre Glückwünsche dar und überreichten ebenfalls ein geschmackvolles Gruppenbild. In bewegten Worten dankte allen der Jubilar. Weiter mag es uns gestattet sein, durch einen kurzen Rückblick auf die Tätigkeit des Jubilars, die er während seiner Amtszeit im Interesse der Stadt Mügeln und sonst entfaltet hat, hinzuweisen. Im Jahre 1886, in dem er nach erfolgter Verpflichtung als Bürger der Stadt Mügeln am 1. Februar sein Amt antrat, übernahm er die Ausführung der Beschlüsse, die betreffs der Anlegung der Lindenstraße gefasst waren. Später folgten Anlegung der Karolastraße (1902), Verlängerung der Albertstraße (1895), Verbreiterung der Gartenstraße (1899). Im Jahre 1982 wurde die Straßenbeleuchtung neu eingerichtet und die Anzahl der Laternen erhöht, 1894 die städtische Badeanstalt und 1897 die Kinderbewahranstalt gebaut. Wenn auch das Bad nicht allen Wünschen entspricht, so ist es doch besser als gar keins und hat bisher noch immer genügt. Die Kinderbewahranstalt ist ihren Zwecken noch nicht dienstbar gemacht worden, da die Verhältnisse in Mügeln bisher nicht dazu drängten, doch mußte der Bau zur Ausführung kommen, wenn nicht infolge verschiedener Bestimmungen eines Stifters der Stadt verloren gehen sollte. 1894 wurden die Vorarbeiten zur Errichtung einer Fabrikanlage begonnen, an denen sich der Jubilar in wirkungsvollster Weise beteiligte und die wesentlich dazu beitrugen, dass die Ofen-, Porzellan- und Tonwarenfabrik in Mügeln entstand, der sich später die chemische Fabrik Lipsia anreihte. 1898 begann man mit der Erweiterung des Straßenbauplanes, die große Mühen verursachte und die die Aufstellung einer neuen Stadtbauordnung erheischte. Dieser konnte zwar bis jetzt nicht zu Ende geführt werden, es darf aber wohl die begründete Hoffnung gehegt werden, dass das Werk bald vollendet wird und einen weiteren Fortschritt in dem Bauwesen der Stadt Mügeln und deren Entwicklung herbeiführt. Das Jahr 1900 brachte die vielfach und schon im Jahre 1885 beantragte Vermessung der Flur Mügeln, die lange unangenehm empfundene Missstände beteiligte und Klarheit in Manchen Grenz- und Besitzverhältnissen schuf. Ein äußerst schwieriges Werk war die Schaffung des heute in unserer Stadt vorhandenen Wasserwerks. Im Jahre 1889 wurden zahlreiche Verhandlungen gepflogen und Entschließungen des Stadtgemeinderates herbeigeführt, ehe man Auftrag zur Ausarbeitung verschiedener Projekte über die Zuführung von Trink- und Wirtschaftswasser für die Stadt erteilte. Wenn das gewählte Projekt des Ausbaues der Heiligenbornleitung, das zunächst zur Durchführung gelangte, sich, wie man sich nach jahrelangem Betrieb überzeugen mußte, nicht bewährte, so liegt das nicht in den Entschließungen des Stadtgemeinderates oder an den Einwirkungen des Jubilars, sondern vielmehr in den natürlichen Bodenverhältnissen und in den Veränderungen, die in den Quellen eintreten. Es mussten deshalb ergiebigere Zuschüsse ermittelt und ein vollständig neues Werk geschaffen werden. Das Resultat der Beratungen über die in den Jahren 1899 und 1900 eingeforderten Gutachten und Anschläge war die Ausführung der jetzigen Neuanlage. Das neue Werk hat die Feuerprobe bestanden und in den trockensten Jahren nicht versagt. Abgesehen von mehrfachen kleineren Veränderungen und Verbesserungen, die sich mit der Zeit erforderlich machten und von vornherein nicht vorgesehen werden konnten, die auch neueren Erfindungen zuzuschreiben sind, kann wohl die jetzige Wasserleitung als Ideal-Wasserwerk für eine Kleinstadt bezeichnet werden, und nicht zuletzt ist es eben den Einflüssen des Jubilars zu verdanken, dass es entstanden ist. Während der Amtsdauer des Jubilars sind alle Schleusen umgebaut und erweitert, auch eine Anzahl neu angelegt worden. Haupt- und Nebenstraßen, sowie mit großem Kostenaufwand der Markt wurden neu gepflastert und entlang der Hauptstraße schmuckes Trottoir gelegt. Das innere Bild der Stadt hat hierdurch an Freundlichkeit wesentlich gewonnnen und Fremde, die die Früheren Zustände kannten, sind angenehm überrascht von dem Eindrucke, den sie bei einem Gange durch die Stadt gewinnen. Sie bezeichnen Mügeln als eine der freundlichsten Kleinstädte Sachsens. Die verschiedenen straßenbaulichen Maßnahmen bedingten auch die Übernahme der fiskalischen Straßenstrecken in der Flur Mügeln, die 1906 auf eindringliches und immer von neuem betontes Anraten des Jubilars zur Ausführung kam. Gegen eine Abfindungssumme von 50 000 Mark hat die Stadt die bezeichneten Straßenstrecken, die eine Länge von 2255 Metern haben, selbst zu unterhalten. Die Zinsen der Abfindungssumme reichen zwar nicht völlig aus, den Unterhaltungsaufwand zu decken, doch ist mit der Straßenübernahme eine große Erleichterung für alle Zuleitungen von Gas und Wasser sowie Herstellung in der Erlangung der behördlichen Genehmigung eingetreten. Nach der Herstellung eines neuen Stadtbauplanes und Vermessung der Flur Mügeln ist ein zwar kostspieliges aber äußerst zukunftsreiches Straßenprojekt, das die Möglichkeit einer wesentlichen Erweiterung der Stadt bietet, aufgeworfen worden und wird in nicht zu langer Zeit seiner Verwirklichung entgegengehen. Es ist dies der Ausbau der Straße 22 von der Döbelner Straße bis zur Verlängerung der Bismarckstraße. Die Vorarbeiten, der Anlauf der erforderlichen Grundstücke, Herstellung von Kostenanschlägen usw. sind soweit gediehen, dass im Laufe dieses Jahres noch mit dem Bau der Straße begonnen werden kann. Der Ankauf verschiedener Wohnhäuser ist nur dem drängenden Einflusse des Jubilars zu danken, der immer wieder in weitschauender Weise zum Ankauf riet, um der Stadtgemeinde die Möglichkeit zu bieten, einen freieren Zugang zur Kirche, Verbesserung der Umgebung des Rathauses und günstigere Verkehrsverhältnisse durch den Abbruch dieser Häuser zu schaffen. Auch ein liebevoller Förderer aller sonstigen Bestrebungen in Mügeln ist der Jubilar jederzeit gewesen. Das Institut der Freiwilligen Feuerwehr ist nicht zum geringsten Teile durch seine Fürsorge zu seiner jetzigen blühenden Höhe emporgestiegen. Das Heimatfest und die Altertümerausstellung im Jahre 1900 konnten nur mit seiner tatkräftigen Hilfe ins Leben gerufen und zu einem glänzenden Abschlusse gebracht werden. Im Interesse der Stadt hat er alle Korporationen und Vereine, die die Hebung im Handel, Wandel und Verkehr, Unterricht sowie Linderung der Not verfolgen, lebhaft unterstützt. Seinen Beamten hat er sich mit treuer Hingabe stets helfend bewiesen. Im Jahre 1892 wurde das Ortsgesetz, die Pensionierung der berufsmäßigen Gemeindebeamten betr. erlassen und die Gründung eines Pensionsfonds beschlossen. Dieser hat jetzt die ansehnliche Höhe von 54 000 Mark erreicht und soll bis zu 75 000 Mark angesammelt werden, um bei einer etwaigen Pensionierung die Stadt vor empfindlicher Erhöhung der Steuern zu bewahren. 1893 gelangte das Regulativ, die Besoldung der städtischen Beamten betr., zur Einführung, dem 1898, 1901 und 1907 verschiedener Nachträge folgten, die eine Besserung der bestehenden Verhältnisse bezweckte. Im Jahre 1908 wurde den Beamten eine Teuerungsanlage gewährt, die3 noch heute bewilligt ist und einen angemessenen Ausgleich zwischen der allgemeinen Erhöhung der Preise aller Produkte und den festgelegten Gehalten bildet. Weitere Werke des unermüdlichen Schaffens und Wirkens des Jubilars zum Wohle der Stadt sind in jüngster Zeit der Bau des Bezirkskrankenhauses „König-Albert-Stift“ und des neuen Pfarrhauses. Auch das Zustandekommen der Elektrizitäts-Überlandzentrale Gröba und der lange Zeit als unsicher gehaltene Anschluss der Stadt Mügeln an das Leitungsnetz ist seiner Beredsamkeit und seiner Aufopferung für das von ihm immer für richtig und erstrebenswert erkannte Ziel zu verdanken. Alle die erwähnten Maßnahmen, Veränderungen und Neueinrichtungen sind zwar nicht allein von unserem Jubilar geschaffen worden. Es wäre ihm dies nicht möglich gewesen, wenn ihn nicht jederzeit im Stadtgemeinderate mit großer Sachkenntnis begabte treu beratende und einsichtsvolle Männer zur Seite gestanden hätten, deren Verdienste von uns und allen Bürgern hoch gewürdigt werden, doch kann wohl die Überzeugung ausgesprochen werden, dass nur die Hingabe an die Sache es war, die die Berater und Mitarbeiter des Jubilars gleichen Sinnes werden ließ und sie zur Unterstützung in seinem Vorgehen bewegte. Es könnte noch so manches Werk und manche Einrichtung erwähnt werden, deren Entstehung hauptsächlich auf die Einwirkung des Jubilars zurückzuführen wäre, doch mag es genügen, um sein immerdar unter der Devise: „suchet der Stadt Bestes!“ bewiesenes Wirken für die Stadt zu kennzeichnen. Sein Sinnen und Trachten kann von keinem Sohne unserer engeren Heimat, die der Jubilar zur seiner gemacht hat, für diese übertroffen werden. Wünschen wir, dass er in seiner Rüstigkeit mit seinem Streben und Schaffen unserer Stadt noch recht lange erhalten bleibe! Zum Schluss wollen wir auch nicht unerwähnt lassen, dass er eine nicht weniger segensreiche Tätigkeit für die Stadt und deren Umgebung als Rechtsanwalt und Notar und insbesondere auch als Mitglied des Bezirksausschusses entfaltet hat. Seine vielfachen Verdienste sind auch hohen Orts gewürdigt worden. Im Jahre 1905 wurde ihm der Albertsorden I. Klasse verleihen.


Mügelner Anzeiger, 02. Februar 1911