95 Jahre
Schmalspurbahn Mügeln – Kemmlitz
Vor 100 Jahren, am 18. April 1898, hatte der Landtag zu Dresden über
die Petition eines Mügelner Komitees „die Erbauung einer
Sekundärbahn von Mügeln über Nebitzschen, Kemmlitz,
Kroptewitz, Zschoppach, Timmlitzwald nach Großbothen betr.„ zu
entscheiden. Man fasste einen einstimmigen Beschluss: „Die
Petition Mügeln – Nebitzschen – Kemmlitz – Kroptewitz – Großbothen,
insoweit es sich um Herstellung einer Schleppbahn von Nebitzschen
bis Kroptewitz handelt, der Königl. Staatsregierung zur Erwägung
zu empfehlen, weiteres auf sich beruhen zu lassen.“
Zwei Jahre später gab Sachsens König Albert seinen Segen,
er unterzeichnete das „Königliche Dekret Nr. 39“ und
de Landtag bewilligte 509 000 Mark für den Bahnbau. Wiederum
gingen zwei Jahre ins Land, dann begannen die Bauarbeiten. Und
im Jahre 1903 vermeldete das Königlich Sächsische Finanz-Ministerium:
„
Die Schmalspurbahn Nebitzschen – Kroptewitz, mit deren Bau
im August 1902 begonnen wurde, konnte nach Jahresfrist, am 3. August
1903, dem Betriebe übergeben werden; sie dient in ihrer Gesamtlänge
von 6,31 km nur dem Güterverkehr.
Es waren im ganzen 49730 cbm Massen zu gewinnen und zu bewegen
sowie 6540 m Bahnplanum, 435 cbm Stützmauerwerk, 620 cbm Mauerwerk
zu Brücken und Schleusen und 8163 m Oberbau herzustellen.
Während der Bauzeit wurden durchschnittlich in einem Monate
105 Arbeiter beschäftigt; die Tagelöhner betrugen 2,30
Mark bis 3,80 Mark.. Die technische Leitung, Beaufsichtigung und
Bewachung des Baues besorgten 1 Bauinspektor und 1 technischer
Hülfsarbeiter sowie 9 Mann Expeditions- und Aufsichtspersonal.“
Bemerkenswert, wie fleißig man mit 25 Pfennig Stundenlohn
sein kann! Und außerdem: Viereinhalb Jahre Planung und Gerede,
ein Jahr arbeiten!
Damit hatte Mügeln seine vierte Schmalspurstrecke! Es war
nur eine Güterbahn, aber was man damals noch nicht wissen
konnte: Es sollte die wichtigste Strecke im Mügelner Schmalspurbahnnetz
werden. Ihre Geschichte ist untrennbar mit der Kemmlitzer Kaolinindustrie
verbunden. Ohne Kaolin gäbe es heute keinen „Wilden
Robert“ mehr, und ohne Bauanschluss wäre die Kaolinindustrie
nie zu solcher Blüte gelangt. Kemmlitz wurde zum bedeutendsten
Kaolinabbaugebiet und Mügeln zum größten Schmalspur-Bahnhof
Europas. Seit 95 Jahren wird Kemmlitzer Kaolin per Schmalspurbahn
zum Oschatzer Bahnhof und von da in die weite Welt gefahren, unbeeindruckt
von allen politischen Ereignissen: Der Königlich Sächsischen
Staatseisenbahn folgte die Deutsche Reichsbahn und der wiederum
die Döllnitzbahn GmbH.
Dem Mügelner Förderverein „Wilder Robert“ e.
V. sind diese 95 Jahre Anlass genug, am 29./30. August anlässlich
des Mügelner Altstadtfestes auch das Bahnjubiläum würdig
zu begehen. Am Festwochenende wird es zum ersten Mal einen Dampf-Sonderzugverkehr
mit drei Zügen geben, Reiselustige können die landwirtschaftlichen
Reize in einem speziellen Aussichtswagen genießen, in Kemmlitz
wird es Lokmitfahrten durch die „weißen Berge“ und
andere Überraschungen geben. Und natürlich werden wieder
viele Gäste erwartet. So wird unter anderem die Museumsbahn
Schönheide im Erzgebirge unserer Jubiläumsstrecke gratulieren
und einen ganzen Sonderzug mit nach Mügeln bringen!
Mügelner Anzeiger, 1998
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