Online-Chronik der Stadt Mügeln
 
50 Jahre Turnverein


„ Solange der Mensch noch hienieden einen Leib hat und zu seinem irdischen Dasein auch ein leibliches Leben bedarf, was ohne Kraft und Stärke, ohne Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit, ohne Gewandtheit und Anstelligkeit zum nichtigen Schatten versiecht, werden Leidesübungen einen Hauptteil der menschlichen Ausbildung einnehmen müssen“. So schrieb einst Turnvater Jahn, als die Not einer schmachvollen Zeit unser Hochgebildetes deutsches Volk nachdrücklich auf eine schlimme Unterlassungssünde hinwies, und brachte in den angeführten Worten eine, durch bittern Schaden gewonnene Erkenntnis zum Ausdruck. In dieser Erkenntnis aber lag zugleich Keim und Antrieb zur Entwicklung all der noch gebundenen Kräfte, die in einem gewaltigen nationalen Aufschwung unser immer noch jugendfrisches Volk, zwar durch mancherlei Irren und Wirren hindurch, zur Vollendung in einem neuen Staate, dem deutschen Kaiserreiche, hinführen sollten. Für Jahn stand Erkenntnis und daraus folgende Tat in notwendigem, zwingendem Zusammenhang, und darum gründete er vor etwas mehr als einem Jahrhundert den ersten deutschen Turnplatz in der Hafenheide. Von da an vereinigten sich im Turnen alle die deutschen Männer, die die Träger neuer Anschauungen und neuer Urteile, neuen Fühlens und neuen Wollens, neuer Frömmigkeit und neuer Sittlichkeit waren, und es war nicht menschliche Kurzsichtigkeit und blinder Hass, der die damaligen Regierungen zu Feinden des Turnens machte. Es lag vielmehr eine geschichtliche Gesetzmäßigkeit darin, wenn die Anhänger der alten Ordnung, die sich noch tief in der Gedankenwelt längst vergangener Zeiten bewegten, den neuen Gedanken sich nicht schnell genug anzupassen vermochten, sondern sich ernstlich beunruhigt und in ihren Dasein bedroht fühlten. Kein Wunder, dass sie in dem Geiste, der die Turner erfüllte, da sie im Besitze der Macht waren, durch Verhängung der Turnsperre zu schützen suchten. Das musste natürlich die Ausbreitung des Turngedankens für längere Zeit erschweren. Aber lebenskräftige Ideen lassen sich auf die Dauer durch Anwendung äußerer Gewalt nicht unterdrücken, sie beeinflussen auch die widerstrebendsten Anschauungen und werden schließlich so mächtig, dass auch die Staatsgewalt mit ihnen rechnen muss. Mit Aufhebung der Turnsperre im Jahre 1842 begann das Turnen seinen Siegeszug durch ganz Deutschland und darüber hinaus. Heute wird auch in dem entlegensten Dörfchen geturnt.

In unserer Stadt Mügeln geht das Turnwesen seit 1862 geordnete Bahnen. Die ersten Anfänge aber liegen viel weiter zurück. Die Nummer 32 des „Wochenblattes für die Stadt Mügeln und Umgegend“ vom 6. August 1845 enthält einen Artikel, der „Turnfest“ überschrieben ist. Darin wird das Folgende berichtet: „Landgutbesitzer Ferdinand Kleeberg zu Lüttnitz hat das Verdienst, zuerst in unserer Stadt auf das Turnen aufmerksam und dasselbe angeregt zu haben. Er ließ vor etwa einem Jahre für seine Kinder einen Turnapparat anfertigen und aufstellen, nahm Rücksprache mit dem Buchbindermeister Schurig wegen des Turnunterrichtes und war so gastfreundlich, auch andre aus unserer Stadt teilnehmen zu lassen. Herr Schurig, der zu seinem Vergnügen und ohne irgendeinen Vorteil zu beabsichtigen, diese Übungen ein Jahr lang geleitet hatte, würde, wie wir versichern können, wenn eine regere Teilnahme sich äußerte, gern den Unterricht in Freistunden erteilen.“ Diese erste Nachricht bleibt für mehrere Jahre auch die einzige. Erst im Jahre 1848, als die Sehnsucht nach einem einigen Deutschland und nach freiheitlicheren Verhältnissen mit elementaren Gewalt zum Ausdruck kommt, wird die Aufmerksamkeit wieder auf das Turnen gelenkt, und das ist gewiss nicht bloß zufällig. Der Direktor der Privatschulanstalt B. Hacker, der zweite seit der Gründung der Schule, „wünscht ein Stück Garten von ungefähr 200 Quadratellen Flächeninhalt zu mieten, um es als Turnplatz benutzen zu können“. Darauf macht er im Anzeigenteil des Wochenblattes vom 12. Juli 1848 unter der Überschrift „Turnunterricht“ bekannt, dass „er beabsichtigt, in Mügeln eine Turnanstalt zu gründen, und hiermit alle Älteren hiesiger Stadt und Umgegend auffordert, vor der Hand ihre Knaben, die das siebente Lebensjahr zurückgelegt haben, an den Turnübungen, die veranstaltet werden sollen, teilnehmen zu lassen“. Am 26. August 1848 hält er dann eine Rede im Vaterlandvereine zu Mügeln „Über die Notwendigkeit des Turnens.“ Aus dieser Rede ist zu entnehmen, dass die Turnanstalt ins Leben getreten ist. Außer den Knaben der Privatschule turnten 20 Knaben wöchentlich zweimal unter der Leitung des Lehrers Metall aus Altmügeln. Der Gemeinderat hat zu diesem Zweck die Schiesswiese bereitwilligst überlassen und versprochen, im nächsten Frühjahre einen geeigneten Platz in der Nähe der Mädchenschule herzugeben. Im Herbst soll, wenn möglich, in dem Pappelrundeel in der Nähe des Schiesshauses ein Reck und ein Barren errichtet werden. Im weiteren Verlaufe der Rede macht er noch an der Hand des alten Turnvaters: „Die Turnerei macht frisch, froh, frei“ auf die Wohltaten des Turnens aufmerksam. Weiter findet sich im Anzeigenteil des Wochenblattes vom 20. September 1848 die folgende Anzeige: „Turnverein. Es hat sich in hiesiger Stadt ein Turnverein gebildet. Nächsten Donnerstagabend 7 Uhr hält er auf dem Ratskeller seine erste Versammlung. Wer noch teilnehmen will, möge sich gefälligst genannten Abend am bezeichneten Ort einfinden. Der Mügelsche Turnverein.“ Über die Gründer dieses Turnvereins und die Dauer seines Bestehens ist nicht bekannt. Es ist aber anzunehmen, dass der schon genannte Direktor Hacker die Anregung zur Gründung gegeben hat und wahrscheinlich auch der erste Vorsteher des Vereins gewesen ist. Wenigstens zeichnet er im Jahre 1850 in einer Anzeige „Turnübungen“ als Vorsteher des Turnvereins. Auch lässt der Turnverein durch einen Turnlehrer Unterricht an Kinder erteilen; jeder Turnschüler hat monatlich 2 Rgr. an die Turnkasse zu entrichten. Dies sind die einzigen Nachrichten, die über das Turnen in Mügeln vor dem Jahre 1862 aufzufinden waren.

Über die Geschichte des Jubelvereins orientiert am besten die kleine, schön ausgestattete Festschrift, die der Vorsitzende des Vereins, Herr Gustav Ramm, im Auftrage des Turnvereins verfasst hat. Was da in chronologischer Folge auf Grund der Vereinsakten geboten wird, vermag jedem verständigen Leser ein anschauliches Bild von dem Buntbewegten Leben der vergangen fünfzig Jahren zu entrollen, bedeutet auch ein gutes Stück Ortsgeschichte, und wem aus trockenen Zahlen und nüchternen Protokollen überall das lebendige Leben hervorschaut, der freut sich all den verschiedenartig wirkenden Kräfte, die im Vereine einem Ziele zustrebend tätig waren, der sieht all die feinen Verbindungsfäden, die sich von dem großen weltgeschichtlichen Entwicklungsgange unsres Volkes herüberspannen auch in das Engumgrenzte Vereinsleben und hier in Festen, Beschlüssen und neuen Einrichtungen ihren Abschluss fanden. Turnvereine haben die hohe und edle Aufgabe, Kulturwerte zu schaffen, mit ihrer Arbeit dem Wohle des Vaterlandes zu dienen. Das ist ihnen aber nur dann möglich, wenn sie den Strömungen der Zeit nicht verständnislos gegenüberstehen, wenn sie klarblickende, Scharfdenkende Männer in ihren Reihen besitzen, die die Forderungen des Tages zu erkennen vermögen. Fehlen einem Turnvereine diese Vorbedingungen, so fehlt ihm die Daseinberechtigung und die Lebensfähigkeit; den „der Mensch kann den Strom der Zeit nicht schaffen und nicht lenken, er kann nur auf ihm fahren und steuern, mit mehr oder weniger Erfahrung und Geschick den Schiffbruch vermeiden“. Wenn unser Jubelverein sich fünfzig Jahre lang im Kampfe ums Dasein, dem auch Vereine unterworfen sind, bewährt hat und nach dieser langen Zeit größer und gefestigter denn je dasteht, so kann ihm wohl dazu von Herzen Glück wünschen.

Als Gründungstag ist der 23. Mai 1862 angegeben, also eine Zeit, die erfüllt war trotz mancher Fehlschläge, von Sehnsucht und Hoffnung nach deutscher Einheit, eine Zeit, in der sich die zuerst noch etwas verworrenen neuen Anschauungen von Staat und Gesellschaft zu klären begannen, eine Zeit höchster, geistiger Regsamkeit. Es ist das nicht zufällig, sondern ein in der Geschichte immer wiederkehrendes Merkmal, dass die Wertschätzung einer umfassenden körperlichen Ausbildung in engsten Beziehungen zum Geistesleben steht. Das ist deutlich erkennbar aus dem Schicksale des bereits erwähnten Turnvereins vom Jahre 1848, der entstand in einer Zeit aufflackernder Begeisterung, welcher aber nur zu rasch Jahre lähmenden Druckes folgten. Von den 29 Gründern leben noch Seilermeister Heinrich Stöber und Schneidermeister Ernst Voigtländer, die allerdings dem Verein nicht mehr angehören. Der erste Vorsitzende war Bürgermeister Schurig, Turnwart Schuhmacher Müller, den noch in demselben Jahre Lehrer Weßner ablöste, Kassenwart Posamentier Carl Posselt und Schriftwart Friseur Emil Gruhle. Der schon in der Vorgeschichte genannte Buchbindermeister Schurig ist erst in späteren Jahren als Mitglied aufgeführt. Seit dem 26. Mai wurde zweimal in der Woche Turnstunde gehalten, im Sommer im Garten des Sattlermeisters und Restaurateurs Müller, im Winter im Beischoldschen Saale, dem jetzigen Thüringer Hof. Am Ende des Jahres 1862 weist die Mitgliederliste schon 41 Namen auf und der Kassenstand 12 Taler, 25 Groschen, 1 Pfennig, obgleich ein neuer Barren angeschafft worden war. Am 17. Mai 1863 schenkten die Jungfrauen Mügelns dem Verein eine Fahne; das ist ein Beweis, welch lebhaftes Interesse die Bürgerschaft dem jungen Vereine entgegenbrachte. Als 1905 eine neue Fahne durch Pfarrer Siegert geweiht wurde, konnten daran zehn Stifterinnen der ersten Fahne teilnehmen. Das erste Gauturnfest in Mügeln fand am 17. und 18. Juli 1870 statt; der Tag vorher aber brachte die Kriegserklärung Frankreichs. Infolgedessen beteiligten sich statt 600 Turner nur 200. Nicht immer stand der Verein in hoher Blüte; es kamen Zeiten, die den Leitern fast allen Mut zum Weiterarbeiten nehmen konnten. Solche Perioden waren glücklicherweise nicht von langer Dauer. Es wurde ja auch alles getan, um den Verein zu heben. Man sandte Vorturner ab und ließ sie an Lehrgängen für Turnwarte und Vorturner teilnehmen, man richtete eine Turnerinnen-Abteilung 1901 ein, die leider nach einigen Jahren wieder eingehen mußte, da das Vorurteil gegen das Damenturnier noch zu stark ist. Man schloss 1888 mit dem Schulvorstand einen Vertrag ab, nach welchem dem Vereine die Schulturnhalle und der Turnplatz gegen eine mäßige Gebühr überlassen wurden. Der Erfolg blieb auch nicht aus, so dass jetzt der Verein 151 Mitglieder und 38 Zöglinge zählt. Die fünf Ehrenmitglieder sind Sparkassenkontrolleur Hermann Zaspel, Sekretär Karl Wagner, Stellmachermeister Richard Schedler, Gasthausbesitzer Robert Bayrich und Schneidermeister Gustav Lindner.

Aus dem Turnverein sind verschiedene Neubildungen hervorgegangen, deren Loslösung schwere Sorgen verursachte. Schon 1866 wurde die Gründung einer Turnerfeuerwehr angeregt; aber der Stadtgemeinderat war dagegen, so dass die Angelegenheit nicht weiter verfolgt wurde. Erst am 22. Juni 1873 wurde mit 40 Mitgliedern die Turnerfeuerwehr gegründet. Es liegt auf der Hand, dass Turner und Feuerwehrleute, da sie verschiedene Aufgaben hatten, sich nicht auf die Dauer vertragen konnten. Mehrmals entstanden Zwistigkeiten, die endlich am 8. Oktober 1890 unter Zustimmung des Stadtgemeinderates zu einer Trennung führten. Seit diesem Jahre herrscht zwischen beiden selbständigen Vereinen ein gutes Verhältnis. Der Turnverein von 1862 kann aber für sich das Verdienst in Anspruch nehmen, dem freiwilligen Feuerlöschwesen in Mügeln zuerst die Bahn frei gemacht und selbst 17 Jahre lang dieser gemeinnützigen Arbeit sich unterzogen zu haben.

1904 bildete sich im Verein die Riege „Wacker“. Aus ihr ging im Jahre 1907 der neue Turnverein „Turnerschaft Mügeln“ hervor. 1910 1911 wurde eine Vereinigung beider Vereine versucht. Trotzdem sich die Verhandlungen zerschlugen, haben sich die gegenseitigen Beziehungen freundschaftlicher gestaltet. Noch wollen wir einen Abschnitt der Jugendpflege im Turnverein widmen. Schon im Gründungsjahre turnten Zöglinge mit, in den Akten sind von den Meistern ausgefertigten Erlaubnisscheine für ihre Lehrlinge noch aufbewahrt. Seit dem Anfange hat es niemals an Zöglingen gefehlt, und mit Liebe und Sorgfalt hat sich der Verein ihrer turnerischen Ausbildung angenommen. Es wurden auch Zöglingsabende veranstaltet, um der Lehrherrn und Eltern zu zeigen, was der Verein den jungen Leuten zu bieten und wie er sie zu fördern vermag. Erfreulich ist es, dass durch den Schulvorstand das Pflichtturnen im ersten Fortbildungsschuljahr eingeführt ist. Es kann Eltern und Lehrmeistern nicht genug empfohlen werden, die Lehrlinge der Turnerschaft zur körperlichen Ausbildung anzuvertrauen. Im Jahre 1910 turnten in den deutschen Turnvereinen 172988 Zöglinge im Alter von 14 bis 17 Jahre und 37250 ausgebildete Turner traten ins Herr. Es wird damit eine Arbeit geleistet die Jugenddeutschland zu körperlicher Kraft und Gewandtheit, zur Geistesgegenwart und stetem Mut, zu festen Willen und sittlicher Tätigkeit erziehen hilft.

Aus dem Kulturbilde der Gegenwart ließe sich das Turnen nicht ohne Schädigung vieler Lebensgebiete Hinwegstreichen, es ist so eng mit allen modernen Lebensäußerungen unsrer Zeit verbunden, dass es zu einer notwendigen Lebensbedingungen für das deutsche Volk geworden ist und dass alle Volksschichten, die ohne das turnen auszukommen versuchen, sich selbst empfindlichen Schaden zufügen. Das Turnen Friedrich Ludwig Jahns, diese echt deutsche Entwicklung einer disziplinierten Anstrengung des Körpers, ist unlöslich mit dem deutschen Einheits- und Reichsgedanken verknüpft. Wie es mit dem nationalen Gedanken gewachsen ist zu hoher Vollendung, so steht jedes richtig betriebene Turnen ohne weiteres im Dienste des Vaterlandes, es vermag schlechterdings nie die Farbe irgendeiner Partei anzunehmen, und wenn doch versucht wird, ihn den Parteitempel aufzudrücken, so mündet es doch immer wieder trotz aller gegenteiligen Anstrengungen in den Dienst fürs Vaterland ein.

50jähriges Jubiläum des Turnvereins von 1862 am 27. und 28. Juli


Wirkliche Feste, d.h. hohe Zeiten, außergewöhnliche, seltene Tage sollen und müssen in außerordentlicher Weise gefeiert werden, denn in ihnen liegt ein gewaltiger Antrieb, großen Gedanken und hohen Idealen sich mit Begeisterung hinzugeben. In diesem Sinne können wir nicht genau Feste feiern, denn allzu sehr herrscht jetzt der nackteste Nützlichkeitsstandpunkt im alltäglichen Leben vor, und in diesem Sinne lag auch die Wirkung des Jubelfestes des Turnvereins von 1862 für die Stadt Mügeln. Fast die ganze Mügelner Bewohnerschaft war in den Bann der Festfreude gezogen worden, und das Turnen stand in dem Mittelpunkt des öffentlichen Lebens unserer Stadt. Der Festabend am 27. Juli hatte Turner und Turnfreunde in großer Zahl im Schützenhaussaale zusammengeführt. Der Vereinsvorsitzende, Herr Ramm, begrüßte sie alle aufs herzlichste und ließ seine Ansprache in ein begeistert aufgenommenes Hoch auf Se. Majestät unseren König Friedrich August ausklingen. Fräulein Wagner sprach hierauf wirkungsvoll den Prolog. Nach dem allgemeinen Gesang eines Turnliedes hielt der Ehrenvorsitzende, Herr Bürgermeister Börngen, die Festrede. In großen Zügen weckte er bei den Zuhörern die Erinnerung an den Entwicklungsgang des deutschen Turnwesens von seinen ersten Anfängen bis in die jüngste Gegenwart. Es kam ihm ganz besonders darauf an, die hohen sittlichen Werte, die das Turnen in unserem Volke zu schaffen vermag, zu unterstreichen. Klang es früher mit einem Anflug von Spott und Verachtung „Sänger, Turner, Schützen sind der Freiheit stützen“, wobei man Freiheit gleich Zügellosigkeit setzte, so heißt es heute „Sänger, Turner, Schützen sind des Vaterlandes, des Thrones Stützen“. Die Turner haben ihre Ideale nicht gewandelt, noch heute halten sie die wahre Freiheit hoch; geändert hat sich nur die öffentliche Meinung, die ihnen jetzt Gerechtigkeit widerfahren lässt. Die Rede fand sehr lebhaften, ungeteilten Beifall. Zum Vorteil war bei dem sicher und straff ausgeführten Turnen der Zöglinge am Barren, sowie den folgenden Keulenschwingern, einige Vorturner das sonst übliche Übermaß vermieden. Mit allgemeiner Spannung sah man nun den Ehrungen entgegen. Zuerst sprach im Namen des Gaues der Ehrengauvertreter, Herr Sekretär Thiele – Oschatz und überreichte eine prächtige gerahmte Glückwunschadresse. Sehr feierlich gestaltete sich die Ehrung der beiden, noch lebenden Gründer, der Herren Schneidermeister Ernst Voigtländer und Seilermeister Heinrich Stöber, durch den goldenen Eichenzweig, und der Herren, die 25 Jahre dem Vereine gedient haben, durch das Emailleabzeichen; dem Ehrenmitgliede und vieljährigen Vorsitzenden des Vereins, Herrn Sekretär Wagner, wurde der Ehrenbrief der deutschen Turnergesellschaft überreicht. Er dankte bewegt und übergab im Namen der 5 Ehrenmitglieder eine Stechuhr, die für den Wettlauf notwendig gebraucht wird. Herr Schedler teilte mit, dass die Männerriege einen Barren gestiftet habe, und rief die Alten zum Mitturnen auf. Die Vorturnerschaft schenkte ein Federsprungbrett; Sprecher war Turnwart Blankenstein. Im Auftrage mehrere Mügelner Vereine übergab Herr Paul Müller 272 Mark für den Turnhallenbaufonds. Herr Ökonomierat Uhlemann brachte die Grüße der Landwirtschaft; als Vorstandmitglied des Vereins für Jugendpflege überreichte er als Geschenk dieses Vereins einen Faustball und gedachte dabei besonders der wichtigen Aufgabe, die dem Turnverein mit der körperlichen und sittlichen Ertüchtigung der Zöglinge gestellt sei. Die Zöglinge schenkten vernickelte Turnstäbe. Frau Vorstands Ramm brachte 207,25 Mark als Ergebnis der Sammlung unter den Frauen des Vereins, Herr Sekretär Wagner 45 Mark von den Jungfrauen. Herr Rendant Kipping sprach für die Turnerschaft Mügeln; seine Ausführungen gipfelten in dem Wunsche, dass auch künftig beide Vereine treue Kameradschaft halten möchten, er überbrachte eine Uhr für die Turnhalle. Ein ehemaliger Zögling hatte ehrende Worte für den früheren Turnwart Schedler. Herr Schedler übergab Herrn Ramm als Geschenk des Vereins ein Schreibzeug, das den Dank für die eifrige Tätigkeit des Vorsitzenden darstellen sollte. Herr Kassenwart Norbert Bayrich sprach im Namen der anwesenden Frauen, die als Jungfrauen 1863 die erste Fahne mitgestiftet hatten. Endlich hielt Herr Redakteur Felz aus Sangerhausen, Schwiegersohn des Herrn Schneidermeister Ernst Voigtländer, eine begeisterte und begeisternde Ansprache, in welcher er nochmals die Bedeutung der Arbeit der Turnervereine an der Körper- und Charakterbildung Jungdeutschlands für das Wohl unseres deutschen Vaterlandes hervorhob. Herr Vorstand Ramm teilte sodann mit, dass der Stadtgemeinderat 100 Mark für den Verein bewilligt und die Sammlung unter den Mitgliedern 211 Mark ergeben habe. Er stattete allen Gebern den Dank des Vereines für die reichen Geschenke ab und brachte die zur Verlesung. Den Schluss des Abends bildete das Festspiel: „Frisch, fromm, fröhlich, frei“ von Raabe.


Mügelner Anzeiger 30. Juli 1912